Im Zeichen der Familie Harrach: Hauptsaison der Burgen und Schlösser beginnt

Harrachs - Adel verpflichtet

Das Nationale Institut für Denkmalpflege verwaltet über 100 Burgen, Schlösser und weitere historische Sehenswürdigkeiten. Die Hauptsaison in den Residenzen beginnt am 1. April, wenn die Anlagen für die Öffentlichkeit geöffnet werden. Vorige Woche stellten die Mitarbeiter des Instituts einige Neuigkeiten der bevorstehenden Saison vor.

Naděžda Goryczková | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Die Direktorin des Nationalen Instituts für Denkmalpflege, Naďa Goryczková, hält das vergangene Jahr, was die Besucherzahlen betrifft, für erfolgreich. Insgesamt besuchten ihren Worten zufolge 3,83 Millionen Menschen die vom Institut verwalteten Sehenswürdigkeiten. Das war um eine halbe Million mehr als 2021. Auch wenn die Hauptsaison erst noch bevorsteht, sind laut Goryczková etwa 20 Residenzen schon seit Jahresbeginn geöffnet.

„Das sind Burgen und Schlösser, die das ganze Jahr über zugänglich sind. Dazu gehören die Burgen Bouzov, Šternberk, die Burg und das Schloss Český Krumlov sowie die Schlösser Hluboká, Slatiňany und viele andere. Die Besucherzahlen vom Winter deuten an, wie sich die Hauptsaison entwickeln könnte. Die Zahlen sind positiv, denn seit Jahresbeginn besichtigten 42.000 Menschen die Baudenkmäler.“

Während der nächsten Tage und Wochen werden an einigen Burgen und Schlössern neue Besichtigungstrassen und restaurierte Räumlichkeiten eröffnet. Dies betrifft auch eine der meistbesuchten Anlagen, nämlich die rund 30 Kilometer von Prag entfernte Burg Karlštejn / Karlstein.

Burg Karlštejn | Foto: Magdalena Kašubová,  Radio Prague International

„Am 21. April wird das restaurierte Erdgeschoss des kaiserlichen Palastes für die Öffentlichkeit geöffnet. Dieser Palast wurde in den 1970er Jahren umgestaltet. Wir beseitigten alle unpassenden neuen Elemente von damals und zeigen das Palais nun in einer möglichst authentischen Form. Für die Besucher wurde im Gebäude ein Informationszentrum eingerichtet, wo Tickets verkauft werden. Von nun an werden sie also nicht mehr bei Wind und Wetter die Eintrittskarten draußen im Burghof kaufen müssen. Ich bin davon überzeugt, dass die Touristen dies besonders schätzen werden.“

Auch in weiteren historischen Residenzen erwarten die Besucher neu eröffnete Räumlichkeiten. Im ehemaligen Kloster Kladruby / Kladrau gibt es ab April zwei neue Besichtigungstrassen. Ab 4. Mai wird der restaurierte Burgpalast auf dem Berg Kunětická Hora bei Pardubice zugänglich sein. Für besonders bedeutend hält Goryczková zudem die Neuigkeiten auf Schloss Telč / Teltsch. Denn dieses steht auf der Unesco-Welterbeliste:

„Dort können die restaurierte Brauerei und der Speicher besichtigt werden. Zudem wurde ein neues Informationszentrum eröffnet. Das neue Schlossmuseum ist auch während der Winterzeit zugänglich. Denn die Unesco-Städte werden das ganze Jahr lang besucht. Neues gibt es demnächst auch im ehemaligen Zisterzienserkloster Plasy. Dieses diente nach der Auflösung des Klosters als Residenz der Familie Metternich. In Plasy wird es nun eine neue Besichtigungstrasse auf Metternichs Spuren geben. Zudem wird der Klostergarten revitalisiert.“

Bereits in den letzten Jahren stand in der Hauptsaison auf den Burgen und Schlössern immer eine bedeutende Adelsfamilie im Fokus, der sich etwa verschiedene Veranstaltungen widmeten. In diesem Jahr ist es die Familie Harrach. Naďa Goryczková dazu:

„Für die Familie Harrach entschieden wir uns, weil wir der Meinung sind, dass sie bisher nicht hinreichend geschätzt wurde. Das war eine namhafte Adelsfamilie, die Einfluss auch beim kaiserlichen Hof hatte und die tschechischen Interessen verteidigte. Die Harrachs waren wichtige Diplomaten, neun Familienmitglieder waren Träger des Goldenen Vlieses.  Zudem waren sie große Kulturmäzene.“

Kulturmäzenen und Vertrauenspersonen des Kaisers

Hrádek u Nechanic | Foto: Národní památkový ústav

Das Zentrum des „Jahres der Familie Harrach“ wird das Schloss Hrádek u Nechanic / Bürgles in Ostböhmen sein. Dieses wurde im 19. Jahrhundert als Residenz für Graf Franz Ernst Harrach erbaut. Die Residenz ist auch auf dem Plakat für das Programm zu sehen. Miloš Kadlec ist Kastellan des Schlosses Sychrov und leitet die regionale Verwaltungsstelle des Denkmalschutzinstitutes. Über das Motiv auf dem Plakat sagt er:

„Auf dem Bild ist Anna von Harrach zu sehen, die aus der Familie Lobkowicz stammte. Das Gemälde des Malers Ehregott Grünler stammt von 1850. Die Dame wurde damals vor dem frisch erbauten Schloss Hrádek u Nechanic gemalt, das die wichtigste Residenz der Harrachs in Ostböhmen war.“

Anna von Harrach auf dem Bild von Ehregott Grünler | Foto: Národní památkový ústav

Die Adelsfamilie Harrach hatte Kadlec zufolge eine lange Geschichte, die bis ins 14. Jahrhundert zurückgeht. Die Harrachs gehörten laut dem Kastellan zu Vertrauenspersonen der österreichischen Kaiser, und einige hatten hohe Posten in der Kirche inne.

„Einer von ihnen war Ernst Adalbert Harrach, der Erzbischof von Prag war. Er gilt als der am längsten dienende Prager Erzbischof, denn er bekleidete das Amt 44 Jahre lang. Das Geschlecht Harrach war zudem an der Entwicklung der Industrie bedeutend beteiligt. Große Erfolge erreichte es in der Glasindustrie. Bekannt wurde etwa die Glashütte in Harrachov. Die Harrachs hatten aber auch Verdienste um die Imkerei und die Eisenproduktion. Eine bedeutende Persönlichkeit des 19. Jahrhunderts war Johann Nepomuk Harrach. Er war ein großer Kulturmäzen und Patriot. Finanziell unterstützte er etwa den Bau des Prager Nationaltheaters und des Nationalmuseums. Zudem förderte er tschechische Schriftsteller. Das alles waren Aktivitäten, die für die Geschichte Tschechiens und das tschechische Nationalbewusstsein sehr wichtig waren.“

Ernst Adalbert von Harrach; Auf den Spuren der Adelsfamilien - der Harrachs - Adel verpflichtet | Foto: Národní památkový ústav

Die Harrachs waren nach Worten von Kadlec zudem die ersten, die in Böhmen Mitte des 16. Jahrhunderts Schokolade gegessen haben.

„Schokolade war damals sehr teuer. Als sich ein Mitglied der Familie 3,5 Kilo Schokolade aus Spanien nach Böhmen bringen ließ, kostete ihn das 5.400 spanische Real. Ein Gemälde von Maler El Greco konnte damals für rund 450 Real gekauft werden. Das Adelsgeschlecht begann auch Tomaten nach Böhmen einzuführen. Graf Harrach war im 19. Jahrhundert außerdem ein großer Fan der Skifahrt. Er ließ 1892 die ersten Ski für seine Förster nach Jilemnice bringen, um ihnen die Bewegung im Riesengebirge zu erleichtern.“

Das gesamte Jahr über werden den Besuchern des Schlosses verschiedenste Aktivitäten der Adelsfamilie vorgestellt. Dabei wird auch Baudenkmälern Aufmerksamkeit gewidmet, deren Entstehung das Geschlecht einst initiierte. Nicht zuletzt seien die Harrachs auch große Bewunderer von Gärten gewesen, merkt der Experte an:

„Die Verwaltungsstelle des Denkmalschutzinstituts in Kroměříž stellt eine Wanderausstellung mit dem Titel ,Die Gärten und die Gärtner – die Harrachs‘ zusammen. In der Schau werden nicht nur Gärten und Parks in Tschechien vorgestellt, sondern beispielsweise auch die Gartenanlagen vom Palais Harrach in Wien oder vom Schloss Prügg in Niederösterreich.“

Die Harrachs. Adel verpflichtet | Foto: Národní památkový ústav

Anlässlich des Harrach-Jahres erschien auch ein Bildband mit dem Titel „Harrachové. Vznešenost zavazuje“ (Die Harrachs. Adel verpflichtet), in dems die bedeutendsten Persönlichkeiten der Familie Harrach vorgestellt werden.

„Das Buch dokumentiert auch die Herkunft des Adelsgeschlechts Harrach. Die Familie etablierte sich auf dem Gebiet des heutigen Tschechiens in Nord- und Ostböhmen sowie in Nordmähren. Weniger bekannt ist, dass ihre Wurzeln in Südböhmen liegen. Dort wurde im 13. Jahrhundert das Dorf Horach erwähnt. Davon wurde später der Name Harrach abgeleitet. Die heute nicht mehr existierende Ansiedlung befand sich in der Gegend von Český Krumlov.“

Auch ein weiterer Bildband, der sich auf das Schloss Hrádek u Nechanic konzentriert, wird während der Saison erscheinen. Im Schloss würden derzeit die Restaurierungsarbeiten zu Ende gehen, so Kadlec:

„Ein großer Besuchermagnet werden die neu eröffneten Räumlichkeiten im westlichen Flügel des Schlosses sein. Zu besichtigen sind dort die Gästezimmer und ein Jagdsalon.“

Architekt der Barockgotik im Fokus

Hrádek u Nechanic ist in diesem Jahr das Zentrum der Nacht der Burgen und Schlösser. Diese wird in ganz Tschechien am 26. August stattfinden.

An Familie Harrach wird nicht nur in Hrádek, sondern auch in weiteren Residenzen erinnert, darunter im Schloss Janovice / Johnsdorf in Mähren.

Janovice u Rýmařova | Foto: Národní památkový ústav

In diesem Jahr wird in Tschechien auch an den 300. Todestag des Architekten Jan Blažej Santini-Aichel erinnert. Auch das Nationale Denkmalschutzinstitut schenkt dem Architekten Aufmerksamkeit. Naďa Goryczková dazu.

„Santini-Aichel war ein Architekt, der seine Werke im Stil der Barockgotik gestaltete. Er war am Bau zahlreicher Baudenkmäler beteiligt, die sich bis heute auf dem Gebiet Tschechiens befinden. Zwei davon verwaltet das Denkmalschutzinstitut: die Klosterareale in Kladruby und in Plasy. Wir werden uns in beiden Klöstern dem Jubiläum widmen. Aber auch ein weiterer Jahrestag steht im Fokus: Vor 25 Jahren wurden die Gärten und das Schloss von Kroměříž in die Welterbeliste der Unesco eingetragen. Aus diesem Anlass wird eine internationale Konferenz veranstaltet. Und für die Öffentlichkeit öffnen wir wieder die Kolonnade im Blumengarten, die drei Jahre lang in Stand gesetzt wurde.“

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