Journalistentreffen in Wien
Nach dem 1.Mai dieses Jahres ist Österreich durch die Erweiterung der Europäischen Union vom Randgebiet in ihre Mitte gerückt. Dafür, was das für dieses Donauland bedeutet, an vier neue EU-Länder zu grenzen, interessierte sich Jitka Mladkova, die vor kurzem aus einem besonderen Anlass in Wien zu Besuch war. Mehr in der nun folgenden Sendereihe Begegnungen.
"Es ist jetzt gerade die Erweiterung der Europäischen Union beschlossen worden und wir wollten diesen Tag auch feiern - mit unseren Nachbarn! Wir gerade im Außenministerium oder auch im Bundeskanzleramt haben sehr hart für diese Erweiterung gearbeitet. Es ist ein Freudentag und wir wollten das auch unserer Bevölkerung näher bringen. Deswegen heute Abend das große Konzert in Schönbrunn mit den Wiener Philharmonikern und deswegen auch die Einladung an Journalisten, um uns einfach doch noch viel näher mit unseren Nachbarn zu fühlen. Denn oft verlieren wir den Blick für das, was nahe liegt. Wohin fahren die Österreicher in den Urlaub? Nach Spanien und nach Italien und weniger in unsere östlichen Nachbarstaaten. Dort gibt es viel zu entdecken und ich glaube, diese Erweiterung ist eine wirkliche Chance! Durch das Kennen lernen, durch diesen gegenseitigen Austausch wird noch sehr viel entstehen. Heute ist ein Tag um sich über diesen gemeinsamen Erfolg zu freuen und auch in die Zukunft zu blicken."
Österreich ist seit 1995 Mitglied der Europäische Union und somit ein Alt-EU-Mitglied, möchte ich sagen. Welches sind die Erfahrungen, die Österreich an die neuen EU-Länder weiterleiten oder übergeben kann?
"Für uns war die zehnjährige Mitgliedschaft eine sehr gute Erfahrung. Es hat sich sehr viel zum Positiven verändert. Z.B. die Grenzöffnung. Ich kann mich erinnern, dass wir, als ich noch ein Kind war, stundenlang im Stau bei Urlaubsreisen gestanden haben. Das hat dann mit Schengen völlig aufgehört. Auch die Regionen sind stärker geworden. In vielen Bereichen sind auch die Preise gesunken. Es kommt eine gewisse Dynamik ins Land hinein und es kommen auch Veränderungen in Bereiche, die normalerweise aus politischen Gründen nicht möglich sind, die dann aber auf dem Umweg über Brüssel doch möglich werden. Das verleitet manchmal dazu, wenn etwas nicht gelungen ist, die Schuld immer nach Brüssel zu delegieren. Aber insgesamt kam ein frischer Wind auf, der dem Land gut getan hat. Probleme hat zwar jeder und bei einer Erweiterung gibt es auch Gewinner und Verlierer. Man darf aber nicht aufhören zu arbeiten. Europa ist ein permanentes Projekt. Man muss immer mit der Bevölkerung im Dialog bleiben."
Österreich ist also seit neun Jahren in der EU, sprich in Europa integriert, und hat einen Weg zurückgelegt, den die neuen Mitglieder erst zurücklegen müssen. Verschiedene Studien stellen fest, dass Österreich mit der EU-Erweiterung eine Sonderposition erlangt hat, weil es gleich an vier neue Mitglieder grenzt und davon auch profitieren kann. Welchen Wert legt die österreichische Außenpolitik auf die Beziehungen zu den Nachbarländern?
"Ich glaube, die Beziehungen zu den Nachbarländern sind uns extrem wichtig, nichts könnte wichtiger sein. Wir haben eine sehr lange Außengrenze, etwa über 1000 Kilometer, mit den Nachbarstaaten, die jetzt unsere Partner in der Europäischen Union sind. Ich denke, nichts könnte wichtiger sein als hier gemeinsam vorzugehen. Ein großer Vorteil für uns alle auch in dieser Region ist, dass das Staaten mittlerer Größe sind. Man muss ganz ehrlich sagen, dass ein Dialog zwischen einem kleineren bzw. mittleren und einem großen Land oft schwierig ist, weil einfach die Interessenlage eine andere sein muss. Bei uns sind, glaube ich, ähnliche Größenordnungen, ähnliche Probleme, wir haben die Donau als einen gemeinsamen Wasserweg usw. Also wir haben sehr viele Gemeinsamkeiten. Also, wir haben sehr viele Gemeinsamkeiten, die uns extrem viele Chancen bieten, die wir nutzen müssen. Dafür muss man auch die Bevölkerung einbinden, indem man sie neugierig auf ihre Nachbarn macht. Wir werden alle davon sehr stark profitieren - durch die Chancen für die Wirtschaft, für die Politik. Ich glaube, die Nachbarschaftspolitik ist für uns der wichtigste Bereich überhaupt."Auf der anderen Seite übersieht Österreich bestimmte Gefahren, die sich aus der Nähe zu den neuen Mitgliedsländern ergeben können bzw. könnten, nicht. Etwas wurde bereits geregelt durch die Übergangsfristen, was den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt anbelangt. Auch die Bevölkerung hierzulande empfindet die neue Situation zum Teil als negativ. Man spricht diesbezüglich von Lohn- oder Steuergefälle. Wie sehen Sie das?
"Natürlich gibt es immer Ängste und Besorgnisse. Ich kann mich erinnern, als wir 1995 der EU beigetreten sind, da hat es geheißen, jetzt werden lauter Portugiesen kommen und uns die Arbeit in Werkstätten und auf dem Bau wegnehmen, dort wird es viel Arbeitslosigkeit geben. Das ist aber nicht eingetreten. Ich glaube, jede größere Veränderung löst immer Ängste aus. Das ist ganz selbstverständlich. In Österreich, in der Region Wien, die eben so grenznah ist, wo Leute gar nicht mehr auswandern müssen, sondern pendeln können, gibt es gerade bei den Arbeitsplätzen besondere Ängste. Auf diese ist auch die Regierung eingegangen. Aber ich glaube, die Chancen sind viel, viel größer. Die Möglichkeiten überwiegen bei weitem. Man muss es auffangen. Wenn man in die Regionen geht und mit den Bürgermeistern redet, dort spüren die all die Möglichkeiten, die sich dort auftun. Jedem geht es gut, wenn es seinem Nachbarn gut geht. Ich glaube, es ist ein völlig altes Denken, wenn man glaubt, mir kann es gut gehen, wenn es dem Nachbarn schlecht geht. Es ist völlig verkehrt. Ein wohlhabender Nachbar wird zu mir kommen und bei mir Dinge kaufen, ich werde auch bei ihm kaufen usw. Also alle gewinnen. Das ist auch die Erfahrung der Europäischen Union. Ich meine, Ängste sind am Platze und man muss auf Ängste eingehen, aber man darf nicht vergessen die Chancen zu sehen. Viele Leute sehen die Chancen, nutzen die Chancen."