Karel Čapek – Literat von Weltformat
Vor 80 Jahren, am 25. Dezember 1938, starb der bedeutendste tschechische Schriftsteller seiner Zeit, Karel Čapek. Der vielseitig begabte Autor wurde nicht nur weltweit hoch geschätzt, sondern er engagierte sich auch politisch. So warnte er mehrfach vor Hitler-Deutschland.
Karel Čapek wurde am 9. Januar 1890 in Malé Svatoňovice bei Trutnov / Trautenau in Nordostböhmen geboren. Sein Scharfsinn und seine Neugier stachen schon in jungen Jahren hervor – zwei Eigenschaften, die ihn für seine spätere literarische Laufbahn geradezu prädestinierten. Und diese Karriere begann sehr früh. Jiří Pešička ist Vorstandsmitglied der Gebrüder-Čapek-Gesellschaft:
„Seine ersten Beiträge publizierte Čapek mit 14, 15 Jahren, als er noch am Gymnasium war. Zuerst besuchte er jenes in Hradec Králové, dann in Brünn und schließlich in Prag. Dorthin zog er mit seinen Eltern im Jahr 1907. Als Hochschulstudent startete er seine literarische Laufbahn in vollen Zügen. Zunächst arbeitete er dabei mit seinem älteren Bruder, dem Schriftsteller und Maler Josef Čapek, zusammen. Das Studium an der Philosophischen Fakultät der Prager Karlsuniversität schloss er mit einem Doktortitel in Ästhetik ab. Darauf folgte eine kurze Episode als Hauslehrer in der Familie des Grafen Lažanský auf Schloss Chyše bei Karlsbad. Aus diesem fünfmonatigen Aufenthalt schöpfte er zugleich die Inspiration für seinen berühmten Roman ´Krakatit´ sowie das Theaterstück ‚Die Sache Makropulos‘. Danach etablierte er sich als exzellenter Journalist. Seine erste, wenn auch kurze Station machte er beim Blatt ‚Narodní listy‘. Danach schrieb er bis zu seinem Tod für die Tageszeitung ‚Lidové noviny‘.“
Reicher Wortschatz und geschliffener Stil
Für Karel Čapek charakteristisch waren sein geschliffener literarischer Stil und ein reicher Wortschatz. Beim Schreiben in seiner Muttersprache wurde er förmlich von der Muse geküsst. Bewundernswert war ebenso, wie breitgefächert sein Interesse war. Zudem gelang es Čapek sehr gut, seine Themen zeitgemäß zu lancieren.
„Ihn hat eigentlich alles interessiert: das gesellschaftliche Geschehen, politische Affären, das Thema Korruption und kulturelle Ereignisse. Čapek verstand es, alles trefflich zu kommentieren. Er fürchtete sich auch nicht, die zunehmenden politischen Spannungen in den 1930er Jahren zu kritisieren. Und auch heute stellt man fest, wie aktuell seine Artikel, Kolumnen oder Aphorismen auf verblüffende Weise noch heute sind.“
Karel Čapek tat sich ebenso als Dramaturg hervor. Als solcher weltberühmt wurde er mit seinem Science-Fiction-Drama R.U.R. (Rossum´s Universal Robots). Das Theaterstück wurde 1921 im Prager Nationaltheater uraufgeführt und danach in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Im Bühnenstück wird erstmals das Wort „Roboter“ benutzt, das sich in der Folge weltweit durchsetzte. Allerdings hat sich Karels Bruder Josef den Begriff ausgedacht. Er leitet sich vom tschechischen Wort „robota“ ab, das heißt Frondienste. Das Theater war für ihn eine gute Bühne, sagt Pešička:
„Čapek arbeitete eng mit dem Prager Theater in den Weinbergen zusammen. Dort wurde im Jahr 1921 sein Stück ‚Der Räuber‘ (tschechisch Loupežník, Anm. d. Red.) gespielt, das eine Ode ist an die berauschende, wenn auch vergängliche Jugend. Für kurze Zeit war er dort auch als Dramaturg und Regisseur tätig. Dabei lernte er seine große Liebe kennen – die Schauspielerin Olga Scheinpflugová, die er indes erst nach einer 15-jährigen Beziehung heiratete. Die Hochzeit fand 1935 im Weinberger Rathaus statt. Als Hochzeitsgeschenk bekamen sie eine Villa am Teich Strž bei Dobříš in Mittelböhmen, sie wurde ihnen zeitlebens von einem Verwandten mietfrei überlassen. Heute ist dort eine Gedenkstätte mit einer Dauerausstellung über die Brüder Čapek, Olga Scheinpflugová und Ferdinand Peroutka untergebracht. Vor kurzem wurde die gesamte Exposition modernisiert.“
Apropos Ferdinand Peroutka. Er war ein anerkannter Journalist und politischer Kommentator der Zeitung „Lidové noviny“ in der Ersten Republik. Peroutka gehörte zu den sogenannten „pátečníci“ – das war eine Gruppe von Politikern und Journalisten, die mit Karel Čapek und dessen Bruder Josef eng befreundet waren. Man traf sich immer freitags (tschechisch: pátek) in der Villa der Čapek-Brüder im Prager Stadtteil Vinohrady (Weinberge) in der Engen Gasse (Úzká ulice), der heutigen Gebrüder- Čapek-Straße (ulice Bratří Čapků). Das Doppelhaus mit einem schönen Garten ließ Karel Čapek in den 1920er Jahren erbauen. Er bewohnte es zusammen mit seinem Bruder Josef. Bei der Gartenarbeit kamen Karel viele Ideen für seine großartigen Feuilletons. Sie erschienen als Sammelband unter dem Titel „Das Jahr des Gärtners“ (tschechisch Zahradníkův rok, Anm. d. Red.). In Europa aber brodelte es, bemerkt Pešička:
„In den 1930er Jahren nahmen die politischen Spannungen immer mehr zu, sie gipfelten im Schicksalsjahr 1938. In dieser Zeit entfaltete Karel Čapek eine ungemeine Tatkraft. Er engagierte sich sogar politisch. Das zeigt vor allem sein gemeinsamer Besuch mit Peroutka beim deutschen Botschafter in Prag, Ernst Eisenlohr. Mit dem Botschafter erörterten sie die angespannten Beziehungen zwischen der Tschechoslowakei und Nazi-Deutschland. Über den Verlauf der Gespräche informierte Čapek anschließend Präsident Beneš. Und der Staatschef war entsetzt darüber, wie die Republik immer stärker bedroht war.“
Politisches Engagement
Das dramaturgische und literarische Schaffen von Karel Čapek war in Europa und auch in Übersee sehr geschätzt. Dank seines Ruhms knüpfte er zahlreiche Kontakte zu bedeutenden Schriftstellern in der ganzen Welt. Zu ihnen gehörten zum Beispiel John Galsworthy, G. B. Shaw, H. G. Wells, Jules Romains, Lion Feuchtwanger oder Thomas und Heinrich Mann. Im Jahr 1925 gründete Čapek den tschechischen PEN-Klub und wurde dessen erster Vorsitzender.
„Das war ein außergewöhnlicher Erfolg. Und Čapek ist dann auch viel gereist. Seine Beobachtungen hielt er in tollen Reisebeschreibungen über Italien, England, Spanien und die Niederlande fest. Er war ständig unterwegs, und dies trotz seines großen Handicaps – Čapek hatte eine versteifende Wirbelentzündung, die sogenannte Morbus Bechterew.“
Die größte Persönlichkeit in der Tschechoslowakischen Republik der Zwischenkriegszeit war der erste Staatspräsident, Tomáš Garrigue Masaryk. Karel Čapek pflegte zu ihm eine enge Beziehung. Häufig besuchte er den Präsidenten, oder dieser kam hin und wieder zu den Freitagstreffen in die Čapek-Villa. Aus ihren gemeinsamen Debatten über alle möglichen Themen entstand das Buch „Gespräche mit Masaryk“ (tschechisch „Hovory s TGM“). Darin hielt Čapek die ethischen, religiösen, philosophischen und politischen Standpunkte des herausragenden Politikers fest.
Čapeks literarisches Werk ist breitgefächert – es reicht von Poesie und Drama über Publizistik, Prosa, Reiseberichte, ja sogar Märchen bis zu politischen und philosophischen Aufsätzen. Damit einher gingen auch sein Engagement und seine Unerschütterlichkeit. Čapek hatte keine Angst davor, auf aktuelle Probleme zu reagieren. Dies zeigte er vor allem in der Zeit, nachdem Hitler deutscher Kanzler geworden war. Als überzeugter Demokrat rüttelte Čapek mit seinen Werken nicht nur das eigene Volk auf, sondern er warnte auch die anderen europäischen Länder vor der sich anbahnenden Katastrophe.
„Als die Nationalsozialisten in Deutschland die Macht ergriffen, arbeitete Karel Čapek gerade intensiv an einer noethischen Trilogie, die zu einem seiner größten Werke wurde. Es sind die drei Romane ‚Hordubal‘, ‚Ein Meteor‘ und ‚Ein gewöhnliches Leben‘. Darin zeigte der Autor aus verschiedenen Blickwinkeln die Möglichkeiten und Formen der menschlichen Erkenntnis. Danach begann Čapek, in einer Fortsetzungsreihe die Allegorie ‚Der Krieg mit den Molchen‘ in der Zeitung ‚Lidové noviny‘ zu veröffentlichen. Sie enthielt etliche Anspielungen auf die Expansionsgelüste des Dritten Reichs. Ein mobilisierender Roman war auch ‚Die erste Kolonne‘, in dem Čapek zur Solidarität aufrief sowie die Kraft und Tapferkeit des Kollektivs herausstrich. Čapeks Bemühungen, die Menschheit vor der Gefahr eines Krieges zu warnen, gipfelten schließlich in den Dramen ‚Die weiße Krankheit‘ aus dem Jahr 1937 und ‚Die Mutter‘, das ein Jahr später erschien. Seine Inspiration für das Schreiben beider Werke zog Čapek aus den Geschehnissen des Spanischen Bürgerkriegs.“
Warnung vor Hitler-Deutschland
Seine Dramen und Schauspiele waren den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge, deshalb sahen sie in Čapek einen ihrer größten Feinde. Sein Tod im Dezember 1938 war die Folge einer schweren Lungenentzündung, die ihn unerwartet traf. Allerdings dürfte ihn sein frühes Ableben vor einem grausamen Tod in einer Folterkammer der Gestapo oder einem Konzentrationslager bewahrt haben. Denn noch am 15. März 1939, als die Nazis Prag besetzten, klingelte die deutsche Geheimpolizei an seiner Villa in Vinohrady. Hitlers Schergen wussten jedoch nicht, dass er bereits tot war. Obwohl Čapek ahnte, was ihn bei einer Besetzung der Tschechoslowakei durch die Nazis erwartet hätte, war eine Emigration für ihn nicht in Frage gekommen. Jiří Pešička:
„Letztlich hat ihn sogar Thomas Manns Tochter Erika besucht. Sie versuchte ihn zur Emigration zu überreden. Doch Karel Čapek lehnte ab. Auch ein Redakteur der britischen Tageszeitung ‚The Times‘ kam zu ihm. Ihn erhörte der Schriftsteller ebenso wenig. Čapeks Haltung ist überzeugend dargestellt worden im Film ‚Ein Mann gegen das Verderben‘ (tschechisch Člověk proti zkáze, Anm. d. Red.), der 1988 von Štěpán Skalský gedreht wurde. Karel Čapeks Schicksal wird darin ziemlich originalgetreu widergespiegelt.“
Und als ob die Bedrohung seiner Person von Seiten der Nationalsozialisten nicht schon genügt hätte: Nach der Unterzeichnung des Münchner Abkommens war zudem eine Welle des Hasses aus den eigenen Reihen über Čapek hereingebrochen. Die zunehmend faschistoide Presse führte gegen ihn eine Hetzkampagne, er wurde als Kriegshetzer und Mitschuldiger an der tschechoslowakischen Katastrophe gegeißelt. Täglich wurde er mit anonymen Briefen und Anrufen belästigt, die Fensterscheiben seines Hauses wurden eingeschlagen. Schließlich wurde Čapek sogar als „Volksfeind Nummer drei“ bezeichnet. Diese Einschüchterungsversuche wirkten sich sogar noch posthum aus, schildert Pešička:
„Sogar die Theaterbühnen lehnten es ab, sich an der Organisation seines Begräbnisses zu beteiligen. Sehr würdevoll verhielt sich hingegen Metod Zavoral, der Abt des Strahov-Klosters. Am 29. Dezember 1938 las er die Totenmesse in der Peter- und Paul-Kirche auf dem Prager Vyšehrad. An Čapeks Beisetzung nahmen auch führende Politiker der Regierung, Vertreter von Hochschulen sowie bedeutende Persönlichkeiten des kulturellen Lebens wie Journalisten, Schriftsteller, Schauspieler und Maler teil. Mehrere Tausend Menschen standen am Grab auf dem Vyšehrad -Hügel. Das Nationaltheater flaggte jedoch keinen Trauerflor. Wir Mitglieder der Gebrüder-Čapek-Gesellschaft versammeln uns jedes Jahr am 25. Dezember vor seinem Grab und bewahren sein Andenken.“
Karel Čapek wurde insgesamt sieben Mal für den Literatur-Nobelpreis vorgeschlagen, und zwar jedes Jahr von 1932 bis 1938. Trotzdem hat er ihn nie bekommen. Inwiefern Čapeks kritische Haltung zum Nationalsozialismus gerade in den 1930er Jahren dabei eine Rolle spielte, bleibt fraglich. Unstrittig ist aber, dass sich die Schwedische Akademie in Stockholm damals vor einer harschen Reaktion Hitlerdeutschlands fürchtete. Andererseits sind es die unklaren Kriterien bei der Erteilung der Nobelpreise, die eine ganze Reihe bedeutender Autoren bis heute leer ausgehen ließen.