Kletterstar Ondra: „Ich bin nicht Spiderman“

Adam Ondra, foto: Zdeňka Kuchyňová

Er hat die bisher schwierigste Kletterwand gemeistert, und er gilt als Visionär seines Sports: Adam Ondra. Sein nächstes Ziel sind die Olympischen Spiele in Tokio. Doch der erste Anlauf, sich zu qualifizieren, ist im Sommer misslungen. Ab Donnerstag startet der 26-jährige Tscheche den zweiten Versuch. Radio Prag International hat Adam Ondra vors Mikrophon gebeten.

Adam Ondra in Norwegen | Foto: Pavel Blažek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Adam Ondra schnauft und schreit – so klingt es, wenn man sich durch die schwerste Kletterpassage der Welt hangelt.

„Wenn ich eine einzige Lieblingswand nennen soll, dann ist es gerade diese in Norwegen mit dem Namen ‚Silence 9c‘ nahe Flatanger“, sagt der Kletterstar beim Gespräch in Prag.

Ondra hat die 45 Meter lange, extrem überhängende Route als Erster und bisher Einziger durchstiegen. Das war im September 2017. Wegen seiner schier unglaublichen Künste nennen sie den jungen Mann mit den braunen Locken in seiner Heimat auch Spiderman. Was hält er selbst davon?

„Ich fühle mich selbst nicht wie Spiderman. Ich denke, dass meine Art des Kletterns anders aussieht. Gerade vor kurzem hat mich ein amerikanischer Journalist gefragt, womit ich mich selbst vergleichen würde. Ich habe ihm gesagt, dass ich eher wie ein Eichhörnchen klettere.“

„Mit drei, vier Jahren wollte ich, dass mich meine Eltern auch ans Seil binden.“

Adam Ondra stammt aus dem südmährischen Brno / Brünn. Seine heutige Leidenschaft hat sich schon früh bei ihm entwickelt.

„Das kam ganz natürlich, weil meine Eltern auch Kletterer sind. Sie haben mich schon als Kind mit zu den Felsen genommen. Ich bin dann unten gesessen, habe Sandkuchen geformt und dabei zugeschaut, wie meine Eltern mit Bekannten zusammen geklettert sind. Ich hätte mich wohl komisch gefühlt, wenn ich als Einziger nicht auch irgendwann dabei gewesen wäre. Deswegen wollte ich mit drei, vier Jahren, dass mich meine Eltern ebenfalls ans Seil binden. Das haben sie dann zum Glück auch gemacht.“

Foto: Pavel Blažek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Und Adam Ondra liebt seinen Sport, wie man im Gespräch schnell merkt.

„Das Schöne am Klettern ist unter anderem auch, dass man unglaublich tolle Leute kennenlernt, mit spannenden Lebensgeschichten. Da zeigt sich dann, wie der Wille einen dazu bringen kann, praktisch alle Schwierigkeiten zu überwinden. Außerdem gefällt mir, dass ich in alle Gegenden der Welt komme. Jeder Ort und jede Felswand ist anders. Man klettert nicht einfach links, rechts hoch, sondern jede Wand hat ihre Besonderheit. Und diese kennenzulernen, macht mir sehr viel Spaß.“

Was aber muss man an körperlichen Voraussetzungen für das Klettern mitbringen? Adam Ondra zeigt seine Hände…

„Ich habe dicke Finger. Aber zum Glück sind sie eher kurz, dadurch ist der Hebel besser. Das macht sich vielleicht gerade bei den Mini-Haltemöglichkeiten positiv bemerkbar. Meine Finger sind die Grundlage, die sollten bei jedem Kletterer stark sein. Aber auch allgemein hab ich in meinen Armen viel Kraft. Wichtig ist einfach das Zusammenspiel des ganzen Körpers.“

Adam Ondra | Foto: Zdeňka Kuchyňová,  Radio Prague International
Allerdings wird dieser dabei extrem strapaziert. Um bisherige Grenzen zu überwinden ließ sich Ondra beispielsweise beim Silence-Projekt in Norwegen besonders betreuen. Ihm stand der österreichische Osteopath und Physiotherapeut Klaus Isele zur Seite. Ansonsten vertraut er unter anderem auch auf Akupunktur und sogenannte Moxibustion:

„Seit zwei oder drei Jahren nutze ich die klassische chinesische Medizin. Dazu treffe ich mich alle ein, zwei Wochen mit Bekannten. Bei der Moxibustion arbeitet man mit einem glimmenden Stängel aus Beifußfasern. Damit lassen sich bestimmte Stellen des Körpers erwärmen und jene Organe stärken, die durch das andauernde Training geschwächt sind.“

Apropos Training. Das absolviert der 1,85 Meter große Sportler zu weiten Teilen in seiner Heimatstadt. Eine Notlösung sei das aber nicht, meint Ondra, ganz im Gegenteil…

„Die Trainingsbedingungen in Brünn gehören weltweit zu den besten.“

„Ich würde sogar behaupten, dass die Trainingsbedingungen in Brünn zu den weltweit besten gehören. Zudem fahre ich manchmal nach Innsbruck. Gerade für das Seiltraining, also das Schwierigkeitsklettern, ist das gut. Und in der vergangenen Saison war ich sogar ein paar Mal in Tokio, wo wiederum vor allem fürs Bouldern gute Möglichkeiten sind.“

Adam Ondra klettert sowohl im Naturfels als auch in der Halle. Aber er betont:

Adam Ondra  (Foto: Camille Montagnon)
„Ich sehe mich vor allem als Felskletterer. Den größten Teil meiner Karriere habe ich draußen verbracht. Dort reicht das Spektrum von einem zwei Meter hohen Felsblock bis zur 1000-Meter-Wand. Wobei die Wand nicht unbedingt schwerer sein muss als der Felsblock. Ich mache jedenfalls alles. Das geht los beim Bouldern eben an einem zwei Meter hohen Felsen. Dazu gehört auch das Sportklettern an einer gut gesicherten, etwa 50 Meter hohen Wand. Und nicht zuletzt gehe ich gerne an die sogenannten Big Walls wie zum Beispiel den El Capitan im Yosemite-Nationalpark.“

Erfolg hat er aber auch an den Kunstwänden. Dies hat der Tscheche etwa bei den Weltmeisterschaften in diesem Jahr bewiesen. Im japanischen Hachioji holte er sich den Titel im Schwierigkeitsklettern, dem Lead. Es war insgesamt sein vierter WM-Erfolg. Bei den Wettkämpfen in der Halle gibt es drei Disziplinen, wie der Profi erläutert: Schwierigkeitsklettern, Geschwindigkeitsklettern und Bouldern.

„Beim Schwierigkeitsklettern gewinnt der, der am höchsten kommt. Beim Geschwindigkeitsklettern ist natürlich der Erste auch der Beste. Und das Bouldern ist auch ein Schwierigkeitsklettern, aber ohne Seil und in geringer Höhe, wobei Matratzen eventuelle Stürze auffangen. Beim Schwierigkeitsklettern haben wir sechs Minuten Zeit, um uns die Route einzuprägen. Beim Bouldern sind es im Finale dann zwei Minuten“, so Ondra.

„Ich bin kein Geschwindigkeitsspezialist. Mir liegt mehr das Schwierigkeitsklettern.“

Trotz seines Titels im Lead konnte sich Ondra aber bei der WM nicht schon für die Olympischen Sommerspiele im kommenden Jahr qualifizieren. Letztlich lag es an einem Schiedsrichterspruch im Bouldern. Dabei ist seine Schwachstelle woanders, wie er gesteht:

„Ich bin kein Geschwindigkeitsspezialist. Mir liegt mehr das Schwierigkeitsklettern oder gegebenenfalls das Bouldern. Mit dem Geschwindigkeitsklettern habe ich erst vor kurzem gerade wegen der Olympischen Spiele begonnen. Denn in Tokio wird es ein kombiniertes Format geben, bei dem alle drei Disziplinen zusammen gewertet werden. In der Geschwindigkeit hinke ich den Spezialisten noch hinterher.“

Adam Ondra  (Foto: Heinz Zak)
Das sieht man auch an den Zeiten an der 15 Meter hohen Standardwand für das sogenannte Speed. Adam Ondras persönliche Bestleistung liegt bei 7,87 Sekunden, der Weltrekord aber bei 5,48 Sekunden.

Weil der erste Anlauf für die Olympia-Qualifikation danebenging, nimmt der Tscheche einen zweiten. Und zwar mit neuem Elan nach einem Sieg im Lead-Klettern beim Weltcup in China in der zweiten Oktoberhälfte.

„Das war der letzte Wettkampf im Weltcup. Da ich diesen gewonnen habe, bin ich auch Gesamt-Weltcupsieger geworden. Das war schon sehr angenehm. Mich hat es darin bestätigt, dass meine Form und mein Training sich in die richtige Richtung bewegen – vor der wichtigen Olympiaqualifikation in Frankreich Ende November.“

Foto: Pavel Blažek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Der Wettbewerb in Toulouse beginnt bereits am Donnerstag und dauert bis zum Sonntag. Sollte Ondra abermals scheitern, hat er bei den Europameisterschaften im kommenden April in Moskau aber noch eine dritte und letzte Möglichkeit, um Tokio zu erreichen. Doch wie sieht es mit weiteren Kletterzielen im Freien aus?

„Die stehen wohl erst nach Olympia an. Derzeit kümmere ich mich nur um die Vorbereitungen auf Tokio. Aber gerade beim norwegischen Flatanger habe ich ein weiteres Projekt. Das dürfte ungefähr so schwer sein wie der Way of Silence. Dorthin würde ich gerne nach Olympia zurückgehen.“