Klimaexperte Koželouh: „Bei Pro-Kopf-Emissionen steht Tschechien schlechter da als China“
In Paris wird einer der wichtigsten Kämpfe um die Zukunft der Erde gefochten. Es geht darum, die Erderwärmung einzudämmen, dazu müssen aber viele weitere Länder ihre Treibhausgasemissionen senken. Tschechien beschreitet diesen Weg bereits – so wie die anderen EU-Staaten. Umweltschützer quittieren die Bemühungen in Prag auch positiv, sagen aber zugleich, es hätte noch mehr sein können. Ein Gespräch mit Jiří Koželouh, Klimaexperte bei Hnutí Duha – Friends of the Earth.
„Es stimmt, dass die Treibhausgasemissionen in Tschechien heutzutage deutlich geringer sind als noch 1990. Dieses Jahr gilt als Bezugsgröße für die Verpflichtungen des Kyoto-Protokolls. Allerdings muss man sich dabei auch vor Augen führen, dass früher die Emissionen hierzulande außergewöhnlich hoch waren. Sie entsprachen der Tatsache, dass die Tschechoslowakei als Schmiede des Ostblocks galt. Beim Blick auf den heutigen Stand der Emissionen fällt also auf, dass in Tschechien jährlich elf Tonnen Treibhausgase je Einwohner anfallen. Der Durchschnitt in der Europäischen Union liegt aber nur bei 7,3 Tonnen. Das heißt, dass wir im Vergleich weiterhin nicht sonderlich gut abschneiden. Es reicht eben nicht, nur die Entwicklung relativer Zahlen zu beobachten. Wir liegen aber nicht nur weit über dem europäischen Mittel, sondern auch deutlich über den Pro-Kopf-Emissionen in China.“
„Energiekonzept ist ein Schritt nach vorne.“
Das Energiekonzept der Regierung Sobotka geht davon aus, dass der Anteil der Kohle und Öl bis 2040 deutlich zurückgeht. Sie fordern aber, dass die Regierung auch das geplante Dekarbonisierungsgesetz annimmt. Warum?
„Tatsächlich sieht das Energiekonzept vor, dass der Einsatz von Braunkohle bis 2040 um 73 Prozent sinken soll. In dieser Hinsicht ist das Energiekonzept ein guter Schritt, ein Schritt nach vorne. Allerdings braucht die tschechische Wirtschaft einen Blick noch weiter voraus, so wie dies in anderen europäischen Staaten bereits der Fall ist, also bis 2050. Da sollte das Tempo beibehalten werden, mit dem die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen heruntergeschraubt wird. Auf diese Weise haben Haushalte und Unternehmen eine größere Sicherheit. Deswegen finden wir, dass die Regierung sicherlich ihr Versprechen einlösen und ein Dekarbonisierungsgesetz annehmen sollte.“Was sollte das Gesetz Ihrer Meinung nach beinhalten?„Das Gesetz ist inspiriert von Großbritannien, wo sich eine ähnliche Gesetzgebung seit sieben Jahren schon bewährt hat. Der Witz liegt darin, dass es sich um ein Rahmengesetz handelt. Es werden also keine genauen Maßnahmen genannt, aber das Tempo wird vorgegeben, mit dem die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen gesenkt werden soll. Und es sind Kontrollmechanismen angeführt, im Bedarf auch Sanktionen für Verstöße gegen das Gesetz. Damit wird eine Grundübereinkunft in der Gesellschaft für das Ziel ‚weniger fossile Brennstoffe‘ hergestellt. Außer dem Fakt, dass dies den Unternehmen eine gewisse Sicherheit gibt, dient das Gesetz auch den Behörden als Leitfaden, um entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.“
„Emissionsrechtehandel muss reformiert werden.“
Es gibt ja auf EU-Ebene einen Emissionsrechtehandel. Funktioniert dieses Instrument zur Senkung von CO2-Emissionen eigentlich?
„Im Prinzip könnte der Handel effektiv sein, obwohl er nur einen Teil der Treibhausgasemissionen betrifft. Einbezogen sind ja nur große Anlagen – große Kraftwerke und große Fabriken. Damit der Emissionsrechtehandel aber seiner Bestimmung gerecht werden kann, muss er dringend reformiert werden. Es müsste zum Beispiel viel schneller die Anzahl der auf dem Markt gehandelten Emissionsrechte gesenkt werden: Nur das erhöht den Preis von Luftverschmutzung. Der Preis für Emissionsrechte muss einfach dem Umfang der Schäden entsprechen, die beim Einsatz fossiler Brennstoffe entstehen. Nur mit einem höheren Preis sinkt der Verbrauch fossiler Brennstoffe, indem die Unternehmen deren Einsatz weiter reduzieren.“
Am Samstag wurde in Paris der Entwurf eines weltweiten Klimaabkommens präsentiert. Wie ist dieser Schritt zu bewerten?„Sicher ist es gut, dass langsam ein Klimaabkommen entsteht. Weiter gilt aber, und das ist anders als in früheren Jahren, dass die Strategie dahin zielt, die Staaten zu freiwilligen Verpflichtungen zu bringen. Diese Verpflichtungen sollen dann im Abkommen festgeschrieben werden. Bei den Staaten, die viele Treibhausgase ausstoßen, geht es darum, dass sie ihre Verpflichtungen erhöhen beziehungsweise diese in Zukunft heraufsetzen wollen. Zudem wird um großzügigere Hilfsgelder für Entwicklungsländer gekämpft. Diese armen Staaten haben selbst nur wenig Schuld am Klimawandel, leiden aber besonders unter den Folgen und sind zugleich am wenigstens in der Lage, etwas zu ändern. Beim Klimagipfel müssen sich die starken Verschmutzer zu ihrer Verantwortung bekennen, und Tschechien muss erklären, seine Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen senken zu wollen.“
„Möglichst bald den Trend umkehren“
Wie würde aus Ihrer Sicht ein erfolgreiches Ergebnis der Klimakonferenz aussehen?
„Welche konkreten Zahlen ideal wären, ist schwer zu sagen. Wichtig ist, dass möglichst bald der Umfang der Treibhausgasemissionen reduziert wird. Im Falle der Schwellenländer muss also dringend klar werden, wann sie den Trend umkehren wollen, denn bisher haben sie ihre Emissionen immer weiter erhöht. Ebenso wichtig ist eine Einigung über das Vorgehen. Im Falle Chinas beispielsweise wäre es ideal, wenn sich der Trend bereits 2020 umkehren ließe. Dem würde aber helfen, wenn jene Staaten, die in Vergangenheit schon viele Treibhausgasemissionen zu verantworten hatten, möglichst hohe eigene Verpflichtungen verkünden. Das dürfte dann Staaten wie China motivieren.“