Kommt das Gesetz über sozialen Wohnungsbau?

Foto: Tomáš Mařas, Archiv des Tschechischen Rundfunks

Eigentlich steht im Regierungsprogramm, dass noch in diesem Herbst ein Gesetz über sozialen Wohnungsbau vorgelegt wird. Aber die neuesten Äußerungen von Premier Andrej Babiš deuten darauf hin, dass es dies nun doch nicht geben soll.

Foto: Tomáš Mařas,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
In Tschechien fehlen bezahlbare Wohnungen. Schon seit vielen Jahren haben die Gemeinden nicht mehr in größerem Umfang in sozialen Wohnungsbau investiert. Das soll sich nach dem Willen der Regierungskoalition aus Partei Ano und Sozialdemokraten ändern. Deswegen hat sie in ihrem Programm bis diesen Herbst ein Gesetz über die Förderung sozialen Wohnungsbaus versprochen. Doch am Montag hat Premier Andrej Babiš (Partei Ano) ein anderes Vorhaben vorgestellt. Das verspricht den Gemeinden hierzulande staatliche Förderungen, wenn sie aus eigenem Antrieb in den Wohnungsbau investieren.

„Der Vorteil ist, dass dafür kein Gesetz gebraucht wird. Damit entfällt auch die endlose Diskussion darüber.“

Den Plänen nach sollen die Gemeinden ein Viertel des von ihnen gebauten neuen Wohnraums für sozial Bedürftige abzweigen. Diese Sozialwohnungen würde der Staat zu 100 Prozent fördern. Laut Babiš dürften auf diese Weise Unterkünfte für rund 65.000 Menschen entstehen. Vom Koalitionspartner kam bisher nur eine Reaktion, und die war positiv. Martin Netolický ist stellvertretender Parteivorsitzender der Sozialdemokraten und kandidiert bei den anstehenden Kommunalwahlen in Česká Třebová / Böhmisch Trübau:

Martin Netolický  (Foto: Jan Ptáček,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Da früher Pflichten auf die Gemeinden übertragen wurden, muss die Regierung auch mit staatlichen Fördergeldern reagieren.“

Die Initiative zu einem Gesetz über den sozialen Wohnungsbau stammt noch von der früheren sozialdemokratischen Arbeits- und Sozialministerin Michaela Marksová. In der vergangenen Legislaturperiode konnten sich die Partei Ano und die Sozialdemokraten aber in einigen Punkten nicht einigen. Dazu gehörte die Frage, welche Einkommensgruppen denn Anspruch auf geförderten Wohnraum haben sollen. Während man bei der Partei von Babiš einen Schnitt bei 65.000 Begünstigten machen wollte, forderte der Koalitionspartner eine deutlich breitere Förderung.

Dass nun das Investitionsprogramm eine Lösung sein könnte, bezweifeln allerdings Experten. Štěpán Ripka ist Vorsitzender der „Plattform für soziales Wohnen“ in Prag und kandidiert bei den Kommunalwahlen im achten Stadtbezirk für die Bürgerinitiative Osmička žije. Er hält es für ein Risiko, sollte sich die Regierung auf die Investitionsförderung verlassen:

Štěpán Ripka  (Foto: Archiv von Štěpán Ripka)
„Die Gemeinden haben bisher häufig in der Diskussion über Sozialwohnungen so reagiert, dass sie gesagt haben, sie wüssten nicht, wie die Anforderungen definiert seien. Deswegen müssen klare Standards festgelegt werden. Nur so kann garantiert werden, dass Wohnraum des 21. Jahrhunderts entsteht und keine Armenviertel aus vorindustrieller Zeit.“

Denn genau das ist in den vergangenen Jahrzehnten hierzulande passiert: In vielen Gemeinden gibt es ghettoartige Siedlungen. Manchmal sind es auch nur ein oder zwei Häuser, in denen arme Familien leben. Häufig sind dort aber Roma gezwungen, mehr zu hausen als zu wohnen.

Außerdem befürchtet Ripka für Tschechien den Verlust von EU-Geldern. In den vergangenen Jahren wurden für den Häuserbau vor allem Mittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung genutzt:

„Die Europäische Kommission verlangt von uns einen Rechtsrahmen für die Förderung sozialen Wohnungsbaus, damit wir weiter Geld aus dem Fonds schöpfen können.“

Für den aktuellen Förderzeitraum der EU habe Brüssel noch einmal gewähren lassen, für den nächsten könnte es aber ohne entsprechendes Gesetz schwierig werden, glaubt Ripka.

Babišs anscheinende Kehrtwende hält der Experte aber noch aus einem anderen Grund für absurd: Denn das tschechische Ministerium für Regionalentwicklung arbeitet bereits an einem Entwurf für das Gesetz. Und im Oktober soll dieser im Kabinett eigentlich vorgelegt werden.