Kritische Haushaltslage Tschechiens lässt den Euro in weite Ferne rücken

Um die tschechischen Staatsfinanzen ist es seit langem nicht gut bestellt. Erst kürzlich warnte die Europäische Kommission, Tschechien könnte der finanzielle Kollaps drohen, sollten die Verantwortlichen nicht bald etwas unternehmen. Und nicht zuletzt scheint auch die Einführung der europäischen Gemeinschaftswährung in weite Ferne zu rücken.

Schon seit Monaten beschäftigt die wirtschaftliche und finanzielle Krise Griechenlands die Europäische Union. Doch die Hellenische Krise überschattet den Umstand, dass sich auch andere EU-Mitgliedsländer in einer sehr angespannten Haushaltslage befinden, darunter auch Tschechien.

Die Europäische Kommission hat Ende vergangener Woche sogar eine Warnung an Tschechien gerichtet, dass die Lage der Staatsfinanzen sehr angespannt ist und dem Land, sollte es keine grundlegenden Reformen unternehmen, der finanzielle Kollaps droht. Ist die Lage wirklich so ernst?

Dazu sagte der Wirtschaftsforscher Petr Zahradník gegenüber dem Tschechischen Rundfunk:

„Ich denke, dass das langfristig zutrifft, wenn man damit einen längeren Zeitraum als fünf Jahre meint, weil die gegenwärtige Lage sehr bedrückend wirkt. In einer Reihe von Mitgliedsländern der EU ist die Lage der öffentlichen Haushalte allgemein sehr schlecht und in diesem Vergleich fällt Tschechien nicht wesentlich aus der Reihe. Beim Aufkommen eines wirtschaftlichen Aufschwungs würde sich jedoch die Lage in den meisten Ländern stark verbessern, was mit der Struktur ihrer Staatsschulden zusammenhängt. Tschechien würde dann jedoch zusammen mit etwa fünf weiteren Mitgliedsländern wenig davon profitieren. Die Maßnahmen zur Sanierung der Haushalte haben eine Anlaufphase, so dass man nicht gleich eine Verbesserung erwarten kann. Deshalb hat nun Brüssel die Regierung in Prag gewissermaßen im Voraus gewarnt und zwar im Hinblick auf die lang- und mittelfristige Zukunft.“

Es ist vielleicht kein Zufall, dass Brüssel seine Warnung in Richtung Prag gerade zu diesem Zeitpunkt verschickte. Beim gerade laufenden Wahlkampf könnte angesichts der Versprechen an die Wähler leicht der Eindruck entstehen, dass Tschechien keine finanziellen Schwierigkeiten hat und es sich leisten kann die eine oder andere zusätzlich finanzielle Leistung zu gewähren.

Foto: Europäische Kommission
Doch im Grunde genommen scheint die wirtschaftliche Vernunft schon vor geraumer Zeit blankem Populismus gewichen zu sein – mag sich die gegenwärtige Übergansregierung unter Jan Fischer noch so angestrengt haben. Die Sparvorschläge von Finanzminister Eduard Janota wurden im Parlament einfach zurechtgestutzt. Auch der Wirtschaftsexperte Petr Zahradník bedauert, dass politisches Kalkül in dieser Angelegenheit die Oberhand behielt:

„Ich denke, es ist notwendig die sachliche und politische Seite zu unterscheiden. Vielleicht erinnern wir uns noch, dass Finanzminister Eduard Janota im Herbst vergangenen Jahres eine Reihe von Vorschlägen unterbreitete, wie man einer weiteren Verschlechterung der Lage entgegentreten könnte. Hätten die Politiker in der Folgezeit diesen Katalog akzeptiert, wäre Brüssel heute zufrieden. Leider hat das Parlament die Vorlage wesentlich abgemagert und verwässert; die ursprünglichen Einschnitte in den Ausgaben waren nicht so groß, wie vorgesehen, und ich bin nicht überrascht, dass die Europäische Kommission damit nicht zufrieden ist. Ich denke, dass das leider ein Spiegelbild der aktuellen Lage in Tschechien ist, bei der ein sachlich kompetenter Vorschlag aus politischen Motiven zerpflückt und durch negative Eingriffe verwässert wurde.“

Foto: Štěpánka Budková
Kann Tschechien nicht darauf hoffen, dass der langsam einsetzende wirtschaftliche Aufschwung wieder mehr Geld in die Staatskasse bringen könnte? Die Regierung gab zum Beispiel in einer Schätzung bekannt, dass das Wachstum bis zu 3,8 Prozent betragen könnte. Dazu sagt Petr Zahradník:

„Das könnte stimmen in einer Situation, in der Tschechien allmählich die Abschwungphase verlassen hat. Fraglich ist nur, ob sich das Wirtschaftswachstum kontinuierlich oder sprunghaft erhöhen wird. Die 3,8 Prozent gehen von einer eher rasanten Entwicklung aus. Ich persönlich bin in dieser Hinsicht ein wenig nüchterner und würde in dieser Zahl vielleicht die optimistische Obergrenze sehen.“


Tschechische Nationalbank  (Foto: Štěpánka Budková)
Die Frage der Sanierung der öffentlichen Hauhalte in Tschechien ist jedoch – und auch das zeigt das griechische Beispiel – kein Selbstzweck. Eng damit verbunden ist auch der mögliche Zeitpunkt für die Euro-Einführung in Tschechien.

Die jüngst geäußerte Kritik der EU-Kommission betrifft auch die geringen Fortschritte bei der Erfüllung des tschechischen Konvergenzprogramms zur Einführung der europäischen Gemeinschaftswährung. So bemängelte Brüssel, dass Prag keine ausreichenden Schritte unternahm, um das Haushaltsdefizit unter die Drei-Prozent-Marke zu drücken. So wird für dieses Jahr ein Defizit von 6,6 Prozent des Bruttoinlandprodukts erwartet, womit das Kriterium von 3 Prozent klar überschritten wird.

Was sagt der frühere Vizegouverneur der Tschechischen Nationalbank Oldřich Dědek, der heute Koordinator für die Euro-Einführung ist, zur Kritik aus Brüssel?

„Mir scheint es, als ob die Europäische Kommission ihre Bewertungskriterien ein bisschen verschärft hat. Unter dem Eindruck der Ereignisse rund um Griechenland scheint mir das auch logisch zu sein. Es zeigt sich auch, dass es erforderlich sein wird die Autorität des Europäischen Wachstums- und Stabilitätspakts zu stärken und in diese Richtung gehen auch die Empfehlungen der Europäischen Kommission.“

Wenn es in Tschechien um die Euroeinführung geht, kann man unter den Wirtschaftsforschern und Bankanalytikern keine eindeutige Zustimmung erwarten. Und mit Querschüssen muss immer wieder auch von oberster politischer Seite gerechnet werden, was die Sache sicher nicht einfacher macht. So erklärte Präsident Václav Klaus erst vergangene Woche in einem Interview für die tschechische Wirtschaftswochenzeitung Ekonom die Eurozone sogar für gescheitert, weil diese angeblich die ursprünglich in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen konnte.

Entscheidend wird in diesem Zusammenhang auch die geplante Neubesetzung an der Spitze der Tschechischen Zentralbank sein. Nationalbankgouverneur Zdeněk Tůma erklärte nämlich vor kurzem seinem Rücktritt. Anfang nächsten Jahres sollen turnusgemäß weitere Mitglieder des Zentralbankrats aus ihren Ämtern scheitern. Das Vorschlagsrecht für das Gremium liegt übrigens bei Präsident Klaus.

Letzten Endes ist jedoch die Aufgabe der Tschechischen Krone und die Einführung des Euro eine politische Entscheidung. Sie wird zwar mit der Nationalbank koordiniert, aber letzen Endes wird sie von der gerade amtierenden Regierung zu verantworten sein.

„Ich denke, dass es gut ist, beide Sichtweisen zu kombinieren. Einerseits zu sagen, dass ein gewisser Zeitraum für die Verbesserung der Haushaltslage auch gleichzeitig die Festlegung auf einen Beitrittstermin zur Eurozone beinhalten muss. Auf der anderen Seite glaube ich, dass wenn die Regierung ihrerseits einen Zeitpunkt für die Euroeinführung nennen sollte, sie dann dementsprechend auch ihre Finanz- und Haushaltspolitik gestalten sollte. Es wird also von jeder Regierung abhängen, welche Ansicht sie als prioritär definiert.“