Tschechien in guter Position: Entwicklung der Währungsunion maßgebend für Euro-Einführung
Die Griechenland-Krise ist derzeit das alles beherrschende Thema in Europa. Sie überlagert viele andere wichtige Fragen, wie zum Beispiel: Haben Politik und Ökonomie aus der Finanz- und Wirtschaftskrise gelernt? Antworten unter anderem darauf versuchte eine deutsch-tschechische Konferenz zu geben, die jedes Jahr unter dem Namen „Štiříner Gespräche“ tagt. Am Dienstag fanden sie zum zwölften Mal auf dem gleichnamigen Schloss unweit von Prag statt.
Zu den „Štiříner Gesprächen“ hatten erneut die Konrad-Adenauer-Stiftung und die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer geladen. Gleich in seiner Eröffnungsrede sagte der Leiter der Adenauer-Stiftung in Prag, Hubert Gehring, dass das Thema der Gespräche noch nie solch einen aktuellen Bezug hatte wie diesmal. Michal Mejstřík, der Direktor des Instituts für ökonomische Studien an der Karlsuniversität Prag, wurde später noch deutlicher:
„Griechenland ist das sehr traurige Beispiel für ein Land, das die Anforderungen der Maastricht-Kriterien nicht erfüllt hat, aber dennoch aufgrund einer politischen Vereinbarung der Euro-Länder in die Eurozone aufgenommen wurde. Ich denke, das ist eine sehr teure Lektion.“Die Finanzpolitiker- und Finanzökonomen, die Wirtschaftsexperten und Wirtschaftsjournalisten aus Tschechien und Deutschland bei der Konferenz waren sich darin einig, dass die globale Finanz- und Wirtschaftskrise die griechische Schieflage noch potenziert und somit auch schneller zum Vorschein gebracht habe. Demgegenüber ist beispielsweise der tschechische Bankensektor weit stabiler aufgestellt als der in Griechenland und einigen anderen EU-Staaten, meint der Ost- und Mitteleuropa-Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung, Rudolf Hermann:
„Tschechien war in dem Sinne gut gewappnet, dass das Land einen Bankensektor hatte, der sich auf das konventionelle Bankengeschäft beschränkt und keine extravaganten Anlagen getätigt hat. Tschechien hat auch den Vorteil einer hohen Sparquote. Die Leute bringen also mehr Geld zu den Banken als die Banken Kredite ausgeben. Das schafft natürlich ein Sicherheitspolster.“Dieses Sicherheitspolster hat dazu beigetragen, dass Tschechien bisher noch kein vom Staat finanziertes Konjunkturprogramm schnüren musste, um der Krise zu begegnen. Und das als eines von nur neun EU-Ländern, betonte der Vizegouverneur der Tschechischen Nationalbank, Mojmír Hampl. Auf der anderen Seite habe die Finanz- und Wirtschaftskrise gezeigt, dass jedes der Mitgliedsländer der Union zunächst eine eigene Antwort auf den Umgang mit der Lage finden musste, sagte der Direktor des Instituts für Europäische Wirtschaft an der Ruhr-Universität Bochum, Wim Kösters:
„Man hat also gesehen, dass man nicht unbedingt alles europäisch koordinieren muss. Einige haben daran gedacht, wir müssten jetzt eine koordinierte Aktion in Europa machen. Vielmehr hat jedes Land nach seinem Dafürhalten ein geeignetes Konjunkturprogramm verabschiedet, und wir haben gesehen, dass das genutzt hat. Jedenfalls insofern, dass wir nicht in eine Deflation abgerutscht sind.“Europaweit konnte der Prozess der ständigen Preisniveausenkung, die Deflation, also bisher verhindert werden. Die Auswirkungen der Krise aber sind auch in Tschechien zu spüren. Die starken Einbrüche, die die tschechische Wirtschaft zu beklagen hatte, erklären sich insbesondere durch den enormen Exportanteil, der bei rund 70 Prozent liegt. Diese Konstellation aber muss auf Dauer kein Nachteil sein, ist sich Wirtschaftsjournalist Hermann sicher:
„Es ist kein Problem, wenn es gut läuft. Darum kommt Tschechien vermutlich auch schneller aus der Krise als andere Staaten. Zum Beispiel eher als Polen. Dort hat man einen größeren inländischen Markt, der Polen ein bisschen geschützt hat vor den Auswirkungen des Export-Einbruchs. Auf der anderen Seite aber kann Tschechien die entstandene Situation schon bald wieder ins Gegenteil verkehren. Und zwar dann, wenn die Exporte wieder anziehen. Wenn der Weltmarkt nämlich wieder in Schwung kommt, dann profitiert auch die Tschechische Republik davon, weil ihre Wirtschaft stark an den deutschen Markt und über diesen auch an den Weltmarkt angebunden ist.“
Worauf die Tschechische Republik jedoch acht geben müsse, ist die Führung ihres Staatshaushalts. Die riesigen Kostenblöcke, die die gesetzlich fixierten Ausgaben für Renten- und Gesundheitsfürsorge verursachen, müssen durch Reformen gezielt reduziert werden. Ansonsten tappe auch Tschechien schon bald in die Schuldenfalle, warnt Hermann:
„Tschechien hat im Moment noch eine relativ gnädige Gesamtverschuldung, aber auf der anderen Seite wächst die staatliche Neuverschuldung jedes Jahr. Und wenn dieser Trend anhält, dann kann das schon zum Kollaps führen.“
Wie Tschechien müssen aber auch alle anderen EU-Staaten darauf hinarbeiten, dass sie ihre Haushalte endlich konsolidieren. Zudem seien die Konjunkturprogramme, die verabschiedet wurden, nur ein erster Schritt, sagt Wirtschaftsexperte Kösters. Auf mittlere bis lange Sicht müsse man EU-weit sehen, dass man das Geld auch wieder einsammelt, das man jetzt zusätzlich in Umlauf gebracht hat. Ganz wichtig aber sei, dass man die fiskalpolitischen Regeln, die man in Europa bei der Bekämpfung der Krise ganz eindeutig verletzt habe, anschließend wieder bekräftigt und festzurrt. Tschechien könne nun einfach erst einmal zuschauen, wie die Länder der Eurozone diese Aufgaben meistern, meint Kösters:„Ich denke, dass Tschechien gegenwärtig in einer guten Position ist. Man kann abwarten, was jetzt mit der Währungsunion wird. Wenn die Kosten des Beitritts zur Währungsunion viel höher sind als die Nutzen, die man daraus zieht, dann tritt man nicht bei. Dann bleibt man bei der Krone. Aber wenn man sieht, dass sich die Währungsunion konsolidiert, die Regeln richtig gesetzt werden, und das endlich straff und endgültig, dann kann man ja beitreten.“
Für Universitätsprofessor Mejstřík steht das Thema Euro für Tschechien ohnehin nicht auf der Tagsordnung. Zuerst müsse man seine Hausaufgaben machen, ehe man bei der Eurozone anklopfe. Wie aber die Währungsunion selbst in Zukunft aussehen könnte, darüber macht sich Mejstřík dennoch Gedanken:
„Ich denke, es kann sowohl zu einer Erweiterung als auch zu einer Verringerung der Union kommen. Eine grundlegende Bedingung der Union muss dabei sein, Modelle zu finden, wie Länder, die aus irgendwelchen Gründen von sich aus nicht in der Lage sind, bestimmte Regeln einzuhalten, nur den Status eines Anschlusslandes erhalten. Man muss ganz einfach den Spielraum dafür schaffen, dass man denjenigen, die sich dem knallharten Wettbewerb nicht stellen wollen, einen würdigen Abgang ermöglicht.“
Auf die weitere Entwicklung der Eurozone darf man also gespannt sein. Mit Sicherheit aber wird es daher auch bei den XIII. „Štiříner Gesprächen“ im Jahr 2011 wieder genügend Gesprächsstoff geben.