„Lasst uns eins und stark sein“ - Edvard Beneš spricht 1939 zu Exilanten in den USA

In der ersten Jahreshälfte 1939 befindet sich der frühere tschechoslowakische Präsident Edvard Beneš in den Vereinigten Staaten auf privater Reise. Ein halbes Jahr lang lehrt Beneš an der Universität von Chicago, doch in diese Zeit fällt auch die Besetzung seiner Heimat durch Hitler-Deutschland. Beneš führt in den USA auch politische Gespräche. Im Rundfunk der Exilregierung verabschiedet sich Beneš am 12. Juli 1939 aus Amerika. Er geht darauf nach London. Die Ansprache ist im Archiv des Tschechischen Rundfunks erhalten geblieben.

Edvard Beneš
„Teure Landsleute, ich fahre aus den Vereinigten Staaten Amerikas zurück nach Europa, wo auf mich neue Pflichten warten. Ich verlasse die USA nach einem fünfmonatigen Aufenthalt in einer der kritischsten Zeiten für unsere Republik.“

So beginnt Edvard Beneš seine Ansprache im Juli 1939. Im Februar des Jahres war der tschechoslowakische Ex-Präsident in die USA gekommen. Dort erreicht ihn nur wenige Wochen darauf die Nachricht, dass sein Land besetzt ist und als Protektorat Böhmen und Mähren faktisch unter Hitlers Herrschaft steht. Beneš reagiert mit einer Protestnote und Washington verurteilt die Besetzung ebenfalls. Edvard Benešs eher private Reise erhält nun ein weiteres Ziel:

„Auch in politischen Kreisen – offiziellen wie inoffiziellen – bekam ich die Gelegenheit, mit den wichtigsten Persönlichkeiten zu sprechen. Ich habe mit ihnen über unsere aktuellen politischen Fragen und Bedürfnisse beraten.“

Bei den tschechoslowakischen Exilanten in Amerika findet Beneš ebenso Verständnis und Unterstützung. Es sind zu dieser Zeit rund eine halbe Million. Die meisten von ihnen kamen ab Mitte des 19. Jahrhunderts als politische Flüchtlinge. Sie begrüßten zu Ende des Ersten Weltkriegs ganz entschieden die Entstehung eines eigenen tschechoslowakischen Staates. Deswegen wendet sich Beneš direkt an sie:

„Ihr habt Euch den Gedanken der amerikanischen Demokratie zueigen gemacht. Er stimmt mit dem Geist der Tschechoslowakischen Republik vollkommen überein, mit dem Geist, den wir im Kampf zusammen mit Masaryk aufgebaut haben und den wir dann lange verteidigten und behaupteten inmitten der europäischen Wirren. Ich fahre gestärkt von Euch wieder weg. Denn ich sehe, dass in Euch die Ideale leben, aus der die Tschechoslowakische Republik entstanden ist, mit denen sie aufrecht blieb und mit denen die Republik – wie ich fest glaube – auch wieder erneuert wird, wenn sich Europa selbst aus dem Strudel befreit hat, in den es hineingezogen wurde.“

Edvard Beneš stellt die tschechoslowakischen Exilanten in den USA als Vorbild dar, die Befreiung der Tschechoslowakei zu unterstützen.

„Ich bin mir sicher, dass diese Einigkeit auch schnell unter den Exilanten in der ganzen restlichen Welt erreicht wird. Diese unsere große Gemeinde wird bereit sein für den großen Moment, wenn aus einem freien Europa erneut eine freie Tschechoslowakei aufersteht. Lasst uns alle eins und stark sein in dem Kampf für eine freie Tschechoslowakei in einem freien Europa!“

Dass dieser Kampf jedoch noch fast sechs Jahre dauern soll und Hitler einen vernichtenden Weltkrieg bisher ungekannter Ausmaße anzettelt, das ahnt Beneš in diesem Moment jedoch nicht.