Marienbader Miniaturpark „Boheminium“ startet Saison 2009
Wer einen Überblick gewinnen will, was Tschechien alles so an Sehenswürdigkeiten zu bieten hat, der besucht am besten das so genannte „Boheminium“ in Marienbad/Mariánské Lázně. Seit Ostern hat der Miniaturpark am Rand des westböhmischen Kurbads wieder geöffnet. Zu sehen gibt es dort Nachbildungen von tschechischen Sehenswürdigkeiten, historischen Denkmälern und volkstümlicher Architektur. Die Modelle im Maßstab 1:25 sind den Originalen getreu nachgebildet. Gewöhnlich sind solche Miniaturparks ja vor allem vergnügliche Ausflugsziele, das Boheminium will jedoch mehr sein als nur das.
Knappe zehn Jahre ist der Miniaturpark Boheminium in Marienbad nun schon alt, und er wird stetig ausgebaut. Auch dieses Jahr hat er wieder Zuwachs bekommen. Neu ist in dieser Saison das Modell des Säulengangs der Karolinenquelle, das ist eine der Heilwasserquellen in dem bekannten westböhmischen Kurort.
„Dieses Modell haben wir mit Unterstützung des Karlsbader Kreises finanziert. Vergangenes Jahr ist es im sächsischen Wehlen ausgestellt worden, einem Dorf in der Nähe von Dresden. Dort fand ein Treffen der europäischen Miniaturparks statt. Wir haben unseren Park bei diesem Treffen eben mit dem Modell der Karolinenquelle vorgestellt,“
erzählt der Betreiber des Boheminiums, Radek Míka. Das Modell der Marienbader Kolonnade habe vor allem der Werbung für die westböhmischen Bäder gedient. Ein weiteres neues Modell, das im vergangenen Jahr zum Marienbader Miniaturpark dazukam, ist die Nachbildung der Burg Karlstein. Sie ergänzt die Reihe der historischen Denkmäler, die hier zu sehen sind. Nach und nach sollen die Hochburgen der Geschichte der böhmischen Länder im Boheminium komplett versammelt werden. Und so kommen auch 2009 wieder neue Objekte dazu. Radek Míka:„Dieses Jahr arbeiten wir an einem Modell des Schlosses Karlskrone in Chlumec nad Cidlinou. Das ist ein barockes Bauwerk des Baumeisters Santini, also eines der bedeutendsten Baumeister des böhmischen und auch europäischen Barock. Wir stellen dieses Modell jetzt gerade her, und für Herbst planen wir schon das nächste Modell, das wird die Pilsner Přemysliden-Burg sein.“
Denn die Hauptstadt des Westböhmischen Kreises Pilsen ist kürzlich in die europäische Burgenstraße aufgenommen worden. Als Radek Míka daraufhin am Stadtamt nachfragte, ob die Stadt denn eine Burg habe, bekam er ein Nein zur Antwort. Aber es habe doch der Überlieferung nach dort eine Burg des ältesten böhmischen Herrschergeschlechts, der Přemysliden, gestanden, klärte der heimatkundige Betreiber des Boheminiums die Pilsner Stadtväter auf – und bekam den Auftrag, diese Burg nachzubauen.
Nun wird eine archäologische Untersuchung durchgeführt, dann wird das Modell angefertigt. Das Modell wird die Přemyslidenburg so wiedergeben, wie sie nach Ansicht der Archäologen und Historiker im 12. Jahrhundert ausgesehen haben dürfte. Das Boheminium merzt also mit seinen Modellen sogar den einen oder anderen weißen Fleck auf der historischen Landkarte der böhmischen Länder aus.
Ganz neu sind Rekonstruktionen nicht existenter Bauten für die Betreiber des Boheminiums übrigens nicht. Erste Erfahrungen mit Modellen von Denkmälern, von denen nur ein paar spärliche Erwähnungen in mittelalterlichen Urkunden vorhanden sind, hat man in der Saison 2008 gesammelt. Damals schufen die Modellbauer des Boheminiums den Fürstensitz des Großmährischen Reichs beim südmährischen Velehrad nach. Dieser soll im 9. Jahrhundert existiert haben, wird aber erst in einer Urkunde des Olmützer Bischofs aus dem Jahr 1131 erwähnt.
„Dabei haben wir mit dem Landesmuseum Brünn zusammengearbeitet. Wir haben den Sitz des Erzbischofs in der Zeit des Großmährischen Reichs, also im neunten Jahrhundert, rekonstruiert. Das war die erste Rekonstruktion eines nicht mehr existierenden Denkmals. Wir haben die Absicht, diese Linie unseres Programms fortzusetzen. Wir wollen Denkmäler präsentieren, die nicht mehr erhalten sind und die älteste Zeit des tschechischen Staatswesens und überhaupt der europäischen Geschichte repräsentieren“,so Radek Míka. Großen Wert legt man im Boheminium darauf, die Denkmäler bis in alle Details getreu dem Original nachzubilden. Bei den Recherchen wird keine Mühe gescheut, die Herstellung der Objekte ist durchaus aufwändig. Radek Míka:
„Wir haben eine eigene Werkstätte. Die Modelle stellen wir also selbst her. Drei Modellbildner sind in unserer Werkstätte mit der Herstellung der Modelle beschäftigt. Das ist wenig, ich würde mir wünschen, dass wir einen größeren Mitarbeiterstab haben, damit wir mehr Bauwerke nachbilden können, aber das ist natürlich eine Frage der Finanzen. Die Modelle finanzieren wir hauptsächlich mit den Eintrittsgeldern des Parks, aber in letzter Zeit haben wir auch Zuschüsse von verschiedenen Städten und Sponsoren bekommen.“
Bisher wird das Boheminium von einer privaten Firma betrieben und unterhalten. Nun bemüht sich Radek Míka um eine Partnerschaft mit der Stadt Marienbad. Er möchte sein Unternehmen in eine gemeinnützige Gesellschaft überführen. Denn mit dem Boheminium sei schließlich nicht nur Werbung für Tschechien, sondern auch ein Bildungsauftrag verbunden.
„Wir wollen, dass der Miniaturpark ein Ort wird, an dem man sich in Heimatkunde fortbilden kann. Unsere Modelle sind daher sehr präzise, bis ins kleinste Detail genau so wie das Original, sie dokumentieren gewissermaßen die wirklichen Bauten. Wir sind kein Vergnügungspark und wollen keiner sein. Wir sind so etwas wie ein Lehrpark. Das ist unser Ziel. Wir bemühen uns, die Heimatkunde zu veranschaulichen, die nationale Heimatkunde, aber auch die tschechische und europäische Geschichte. Ein Beispiel hierfür ist das Modell des Schlosses Stern in Prag, das wir vergangenes Jahr im Boheminium aufgestellt haben. Dort hat sich 1620 die Schlacht am Weißen Berg abgespielt. Damit ist eigentlich der Dreißigjährige Krieg in Europa losgegangen. Nur wenige Tschechen und auch wenige Europäer wissen, wo dieser Krieg, der ganz Europa arg in Mitleidenschaft gezogen hat, eigentlich anfing. Wir wollen also Bauwerke nachbilden, die eine solche symbolische Bedeutung haben.“Die Botschaft der Modelle des Boheminiums beschränkt sich also nicht nur auf Tschechien, sondern weist über die Grenzen des eigenen Landes hinaus. Deswegen sucht das Boheminium auch eine stärkere Einbindung in internationale Strukturen. Dieses Jahr ist es vom böhmischen Teil der Euregio Egrensis als interessantes Projekt auf dem Gebiet des Tourismus nominiert worden. Eine Auszeichnung, die freut und hoffentlich noch konkrete Ergebnisse zeitigt, sagt Radek Míka. Er will sich auch auf internationalem Boden für seinen Miniaturpark engagieren:
„Wir haben dieses Jahr die Mitgliedschaft im internationalen Verband der Miniaturparks beantragt. Die Miniaturparks haben ihr nächstes internationales Treffen in Istanbul. Wir möchten schon gern in die Reihe der europäischen Miniaturparks aufgenommen werden. Und wenn uns das gelingt, dann verbinde ich damit gleich den nächsten Wunsch. Dann möchten wir bald ein Treffen der europäischen Miniaturparks auch selbst organisieren. Ich würde mir wünschen, dass ein solches Treffen kommendes oder übernächstes Jahr hier bei uns in Marienbad zustande kommt.“Im Boheminium hat man also an Plänen und guten Vorsätzen keine Not, und auch mit dem jährlich wachsenden Besucherstrom ist Radek Míka im Großen und Ganzen zufrieden. Doch es dürfen ruhig noch ein paar mehr sein:
„Dieses Jahr sind wir mit den Besucherzahlen bisher sehr zufrieden. Wir haben erst vor einigen Tagen aufgemacht, zu den Osterfeiertagen, und seither waren schon über tausend Leute da. Also ist unser Park in dieser Saison bisher sehr gut besucht. Das haben wir selbstverständlich auch dem schönen Wetter zu verdanken. Und im Übrigen freuen wir uns natürlich über jeden Gast. Reisegruppen sind bei uns ebenso willkommen wie Familien mit Kindern, und wir hoffen, dass mit der Zeit immer mehr Besucher den Weg zu uns finden werden.“
Der Ausflug dürfte sich lohnen, denn im Boheminium kann man die Baudenkmäler von ganz Tschechien bei einem einzigen gemütlichen Spaziergang kennen lernen. Man braucht sich erst gar nicht die Mühe zu machen, zu den einzelnen Denkmälern hinzufahren.