Massendemo für „anständige Regierung“
Am Montagabend sind in ganz Tschechien Menschen auf die Straße gegangen. Sie haben gegen Premier Babiš protestiert.
„Babiše do koše“, auf Deutsch etwa „Babiš in den Abfall“ – das riefen die Demonstranten. Kurz vor 19 Uhr war der Wenzelsplatz so voll, dass man kaum mehr bis zur Mitte kam. Die Menschen standen überall, auf den Gehsteigen, auf der Straße. Aber die meisten drängten sich in der Mitte des Platzes an Tischen, an denen Unterschriften gesammelt wurden. Die Unterschriftenaktion trägt den Titel „Für einen anständigen Premier und eine anständige Regierung“. Mikuláš Minář vom Verein „Eine Million Augenblicke für die Demokratie“ gehört zu den Initiatoren der Unterschriftenaktion und der Demonstration. Weil ein Rednerpodium fehlte, griff der Philosophie- und Bohemistikstudent mitten in der Menge zum Mikrophon und sprach zu den Versammelten:
„Es freut uns, dass Sie sich heute Abend für die Demokratie frei genommen haben und gekommen sind, um Eure Unzufriedenheit zum Ausdruck zu bringen. Bis jetzt haben über 236.000 Menschen unsere Unterschriftenaktion unterzeichnet. Die Demokratie ist ein zartes Pflänzchen und lebt nicht aus sich selbst heraus. Sie braucht unsere Pflege und verlangt, dass wir uns um das öffentliche Geschehen kümmern, dass wir die Politiker kontrollieren und uns also Zeit nehmen. Werden dies eine Million Menschen sein, dann wird daraus ein großer Moment für die Demokratie.“Mikuláš Minář erinnerte zudem daran, dass auch in 19 weiteren Städten des Landes die Menschen auf die Straßen gegangen seien.
„Bureš muss die Regierung verlassen“ riefen die Demonstranten. Sie nannten Babiš bei seinem Decknamen, unter dem er als Agent des kommunistischen Geheimdienstes in den Akten geführt wird. Viele hatten Transparente und die Flaggen Tschechiens und der EU mitgebracht.
Andrej Babiš steht an der Spitze einer Regierung ohne Vertrauen. Als Parteichef der derzeit größten Parlamentspartei besteht er darauf, auch das Amt des Premiers in einem neuen Kabinett zu bekleiden. Mikuláš Minář und weitere Bürgeraktivisten haben vor kurzem eine Erklärung veröffentlicht. Unter dem Titel „Fünf Minuten vor zwölf“ warnen sie vor den Gefahren für die Demokratie in Tschechien. Dabei nennen sie eine Regierung, die sich auf die Hilfe von Kommunisten und Rassisten stützen würde. Und dass Politiker die öffentlich-rechtlichen Medien beherrschen könnten. Mikuláš Minář dazu:„Niemand weiß, was in den nächsten vier Jahren passiert. Wir haben bestimmte Warnsignale gesehen, etwa Schikanen für Journalisten oder für die unabhängige Polizei. Wir werden so lange protestieren, bis Andrej Babiš auf das Amt des Premiers verzichtet.“
Zum Abschluss begrüßte die Opernsängerin Dagmar Pecková die Demonstranten. Die Mezzosopranistin, die im Übrigen in Deutschland lebt, sang zusammen mit ihnen die tschechische Nationalhymne.