Milliardenstreit: Energie-Regulierungsbehörde torpediert Einspeisevergütungen

Foto: Europäische Kommission

Seit Monaten bereits gibt es in Tschechien einen Streit zwischen dem Industrie- und Handelsministerium und der Energie-Regulierungsbehörde. Es geht um die Einspeisevergütungen für Strom aus erneuerbaren Energien. Die Leiterin der Behörde weigert sich, die Vergütungen für dieses Jahr auszuschreiben. Es geht um mehr als anderthalb Milliarden Euro. Mittlerweile erwägt die Regierung, mit einer rechtlichen Finte die Leiterin der Regulierungsbehörde aus dem Amt zu drängen.

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
In den Jahren 2009 und 2010 erlebte die Tschechische Republik einen Solarboom. Der Grund war, dass die Einspeisevergütungen extrem hoch lagen. Der Staat förderte also Strom aus Photovoltaikanlagen mehr als nötig, indem er den Betreibern der Anlagen einen überzogenen Mindestpreis für die Kilowattstunde zahlte. Denn die Gesetzgeber hatten die Entwicklung auf dem Markt ganz einfach verschlafen. Die Installation von Photovoltaik war immer billiger geworden, doch die Subventionen wurden nicht. Teilweise entstanden daher große Solarparks, die heute in den Händen solventer Firmen sind – bis hoch zum Energiekonzern ČEZ.

Alena Vitásková  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Wie dies die meisten Politiker hierzulande darstellen, zahlen die Verbraucher derzeit die Zeche. Aufgrund der Vergütungen sind nämlich die Strompreise gestiegen. Die Energie-Regulierungsbehörde wacht über den Energiemarkt und über die Verbraucherpreise auf diesem Sektor. Laut Behördenleiterin Alena Vitásková werden die Betreiber von Solaranlagen viel zu großzügig subventioniert. In einer Talkshow des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens sagte sie Anfang Dezember:

„In diesem Jahr hat das Industrie- und Handelsministerium, das verantwortlich ist für die entsprechenden Gesetze, erstmals öffentlich zugegeben, dass eine Überkompensation vorliegt. Und das gleich mehrfach. Die erneuerbaren Energien erhalten also mehr Förderung, als ihnen zustehen sollte. Zudem liegt seit März eine Studie des Obersten Rechnungshofs vor zu dieser Frage. Der Rechnungshof schreibt dabei in seinem Fazit, dass bei einigen Arten von Photovoltaikanlagen die Amortisationszeit bei sieben Jahren liegt. Wir müssen aber die Unterstützung ganze 20 Jahre lang zahlen.“

Nur sieben Prozent der Anlagen von Brüssel genehmigt

Foto: Barbora Němcová,  Radio Prague International
Der Gesamtumfang der Einspeisevergütungen erreichte im vergangenen Jahr bereits 44,4 Milliarden Kronen (1,64 Milliarden Euro). Doch seit Herbst vergangenen Jahres sagt die Chefin der Energie-Regulierungsbehörde „nein“: Die Behörde muss die Vergütungen eigentlich offiziell ausschreiben. Doch für 2016 weigert sich Vitásková, diese Ausschreibung vorzunehmen. Dabei verweist sie sowohl auf die Überkompensation, als auch auf die Regeln der EU für staatliche Subventionen. Diese sogenannten Beihilfen müssen bei der Europäischen Kommission angemeldet werden – und zwar im Vorfeld. Darunter fallen auch die Einspeisevergütungen für erneuerbare Energien.

Eine solche Anmeldung, im Brüsseler Deutsch: Notifikation, haben hierzulande allerdings nur die wenigsten Anlagen im Bereich von Photovoltaik, Biogas, Windkraft oder Kraft-Wärme-Kopplung. Rund 93 Prozent der Anlagen erhielten von der Kommission bisher kein grünes Licht, es sind all jene, die von 2006 bis 2012 ans Netz gingen. Dennoch hat der Staat die Einspeisevergütungen in den vergangenen beiden Jahren ausgezahlt, und Alena Vitásková hatte dem zugestimmt.

Jan Mládek  (Foto: Marián Vojtek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Industrie- und Handelsminister Jan Mládek versteht nun die Welt nicht mehr. Anfang Dezember sagte der Sozialdemokrat:

„Ich tue natürlich alles dafür, dass ab dem neuen Jahr die Vergütungen ausgezahlt werden. Frau Vitásková ist allerdings unabhängig in der Leitung der Behörde, ich kann ihr das nicht anordnen. Ich versuche sie aber zu überzeugen.“

Denn ohne die Einspeisevergütungen könnten Anlagenbetreiber pleitegehen. Dies drohe besonders bei 415 Biogasanlagen, hieß es aus dem Ministerium. Bis heute aber konnte Jan Mládek die Chefin der Energie-Regulierungsbehörde nicht überzeugen. Alena Vitásková sagt, sie befürchte, dass die Europäische Kommission den Anlagen kein grünes Licht erteilt, weil eben eine Überkompensation vorliege. Und dann käme es für die Betreiber nur noch schlimmer. Sie müssten die Vergütungen plus Zinsen zurückzahlen.

Neun Jahre Haft drohen der Behördenleiterin

Foto: ČT24
Im Hintergrund stehen zudem persönliche Probleme von Vitásková, das gibt der Angelegenheit zusätzlich Brisanz. Um das zu erklären, muss man etwas ausholen. Gegen die 59-jährige Managerin läuft derzeit ein Strafverfahren, und in einem weiteren Fall ermittelt die Polizei gegen sie.

Zum einen wird ihr vorgeworfen als Chefin der Energieregulierungsbehörde auf betrügerische Weise für zwei Solaranlagen bei Chomutov / Komotau Betreiberlizenzen ausgestellt zu haben. Vitásková weist den Vorwurf zurück. Sie kämpfe doch gerade gegen die Solarbarone, so eines ihrer Argumente. Zum anderen hält sie den Vorwurf für unsinnig, weil sie ihr Amt erst ein Jahr nach dem Lizenzverfahren angetreten hat. In diesem Fall läuft bereits das Strafverfahren, die Staatsanwaltschaft hat neun Jahre Haft beantragt für Alena Vitásková.

Renata Vesecká  (Foto: Tomáš Adamec,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Im zweiten Verfahren geht es darum, dass Viasková die ehemalige Oberste Staatsanwältin Renata Vesecká vor etwa einem Jahr zu ihrer Stellvertreterin ernannt hatte. Mittlerweile hat Vesecká ihre Funktion wieder abgegeben. Jaroslav Ibehej ist Sprecher der Polizeieinheit zur Aufdeckung von Korruption und Finanzkriminalität:

„Nach unseren Unterlagen hat Frau Vitásková im Widerspruch zum Energiegesetz gehandelt. Denn Frau Dr. Vesecká hat nicht die gesetzlich geforderten Bedingungen zur Ausübung der Funktion als stellvertretende Leiterin der Behörde erfüllt. Das sind mindestens sieben Jahre Praxis in der Energiebranche, und davon drei Jahre in leitender Stellung.“

Gebäude der Energieregulierungsbehörde in Jihlava  (Foto: Google Street View)
Bei der Energieregulierungsbehörde hält man die Ermittlungen für überzogen. Maximal ein arbeitsrechtliches Verfahren sei daraus abzuleiten, aber kein Strafverfahren wegen Veruntreuung öffentlicher Mittel.

Wegen dem Strafverfahren und den Ermittlungen, so behauptet Alena Vitásková, sei sie nun vorsichtig. Man könnte aber auch andersherum behaupten: Sie will sich nicht einschüchtern lassen und bleibt in der Frage der Einspeisevergütungen hart.

Der Trick mit dem Beamtengesetz

Ende Dezember nahm der Streit dann eine weitere Wendung. Vor Weihnachten verabschiedete die tschechische Regierung eine Anordnung, dass die Vergütungen ausgezahlt werden müssen. Die Behördenleiterin war gerade für längere Zeit im Ausland. Während der Abwesenheit kam ein Stellvertreter von Vitásková der Regierungsforderung nach und schrieb diese Zahlungen aus. Am Montag dieser Woche hat nun Vitásková diesen Stellvertreter abberufen. Behördensprecher Jiří Chvojka erläuterte den Schritt seiner Chefin mit folgenden Worten:

Jiří Chvojka  (Foto: ČT24)
„In ihrer Funktion als ernannte Leiterin muss sie keine Gründe für die Entlassung mitteilen. Deswegen hat sie entschieden, auch keine Gründe zu nennen. Aber natürlich bezieht sich der Schritt auf die Zusammenarbeit der beiden. Frau Vitásková ist zu dem Schluss gekommen, dass sie nicht weiter zusammenarbeiten können.“

Außerdem hat Alena Vitásková eine amtsinterne Sondersitzung anberaumt zur Umlagevergütung. Ob das heißt, dass die Behörde ihre Entscheidung zurücknimmt, war zunächst nicht klar.

Miloš Zeman  (Foto: David Sedlecký,  CC BY-SA 3.0)
Doch die tschechische Regierung bastelt seit vergangenem Herbst an einem Trick, um die unbequeme Spitzenbeamtin aus dem Weg zu räumen. Vitáskovás Amtszeit dauert noch bis Juli 2017. Derzeit kann nur Staatspräsident Miloš Zeman sie abberufen – aber er steht auf der Seite Vitáskovás. Mit Beginn des Jahres ist allerdings das sogenannte Beamtengesetz in Kraft getreten. Eigentlich ist von dieser Maßnahme im öffentlichen Dienst die Energie-Regulierungsbehörde nicht betroffen. Das tschechische Parlament hat jedoch das entsprechende Gesetz noch nicht verabschiedet, das zentrale staatliche Behörden vom Beamtengesetz ausnimmt. Es besteht also derzeit eine Gesetzeslücke, und die versucht das Innenministerium zu nutzen. Es behauptet, die Regulierungsbehörde falle vorerst doch unter das Beamtengesetz, und Alena Vitásková solle daher einen Amtseid leisten. Das heißt wiederum: Sie könnte außer Dienst gestellt werden, weil sie strafrechtlich verfolgt wird. Bei der Regulierungsbehörde hält man diese Finte für widerrechtlich. Sprecher Jiří Chvojka:

Illustrationsfoto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
„Es besteht von einem Teil der Regierung und einem Teil der Energiebranche ein klarer Druck, dass die Leitung der Energie-Regulierungsbehörde unter das Beamtengesetz gestellt wird. Das widerspricht aber den Gesetzen und auch der Verfassung.“

Am Montag hatte das Regierungskabinett eigentlich entscheiden wollen, ob von Vitásková bis spätestens Ende März verlangt wird, einen Amtseid zu leisten. Doch die Sache wurde verschoben, offiziell weil Industrie- und Handelsminister Mládek gerade im Iran weilte. In jedem Fall hat Alena Vitásková aber angekündigt, sich mit Präsident Zeman beraten zu wollen. Im Raum steht eine Verfassungsbeschwerde. Der Streit wird also weitergehen.

Autor: Till Janzer
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