Mit dem Floß durch die Moldauschnellen

Flößer an der Moldau

Die Moldau war schon immer ein wichtiger Transportweg. Ein neuer Bildband stellt nun die Geschichte der Flößerei dort vor.

Jiří Svoboda und Josef Nachlinger  (Foto: Ladislava Doubravová)
Jahrhundertelang wurden Flöße auch hierzulande für den Warentransport genutzt. In einem neuen Buch wird nun die die Geschichte der Flößerei in Böhmen erzählt. Vorige Woche wurde der Band in der Bibliothek des Prager Strahov-Klosters vorgestellt.

Am Donnerstagabend vor zehn Tagen strömten in den herrlichen Philosophischen Saal der Bibliothek des Strahov-Klosters nicht wie üblich neugierige Touristen, sondern vorwiegend Damen und Herren in rotweiß gestreiften Blusen oder Hemden und dunkelblauen Sakkos. Die Mitglieder des Vereins Vltavan tragen zu feierlichen Anlässen immer noch gerne die Trachten aus den Anfangstagen ihrer Organisation. Diese älteste Berufsvereinigung in Böhmen wurde vor fast 150 Jahren gegründet als Selbsthilfeverein der Fischer, Flößer und Schiffer. Benannt wurde er nach der Moldau, die im Tschechischen Vltava heißt. Der Verein hat nun die Herausgabe eines Bildbands über die Flößerei initiiert. Flöße seien in Böhmen schon vor Jahrhunderten für den Warentransport benutzt worden, sagt der Autor Jiří Svoboda.

„Denn Salz wurde aus dem Salzkammergut über den Böhmerwald auf Saumtieren nach Böhmen getragen. Am schnellsten war es dann, das Salz weiter auf der Moldau zu transportieren. Das einzige geeignete technische Mittel waren damals Flöße. Belegt ist die Flößerei in Böhmen ab dem 11. Jahrhundert.“

Überschwemmung an der Moldau im Jahre 1890  (Foto: Public Domain)
Flüsse und Wasserstraßen haben Jiří Svoboda schon immer interessiert. Er arbeitete in den 1970er Jahren für ein hydrologisches Labor und erforschte die Wassertemperatur im Stausystem der Moldau. Später forschte Svoboda zu früheren Hochwasserkatastrophen an der Moldau.

„Zwar gab es historische Berichte über einzelne Überschwemmungen, aber keine zusammenfassende Arbeit dazu. Ich habe die Geschichte der Überschwemmungen an der Moldau erstellt. Das Buch erschien 1990 und beschreibt rund 550 Hochwasserkatastrophen.“

Nachtfahrverbot für Flöße

Für seinen neuesten Bildband über die Flößerei an der Moldau hat Svoboda in den Archiven recherchiert. Einiges konnte ihm auch Václav Husa erzählen. Der fast 90-jährige Mann ist vermutlich der letzte lebende Zeitzeuge. Husa ist als Flößer nicht nur die Moldau hinuntergefahren, sondern auch die Flüsse Lužnice und Otava. Von ihm hat Jiří Svoboda unter anderem Folgendes gehört:

Flößer an der Moldau 1903  (Foto: Public Domain)
„Ein Floß bestand aus einigen miteinander verbundenen sogenannten ,Tafeln‘. Gesteuert wurde es vorne. Die Flöße waren in der Regel eher lang, ein Floß bestand aus 15 bis 18 Tafeln und war 150 bis 160 Meter lang. Am gefährlichsten waren bei der Moldaufahrt die Stromschnellen. Dort drohte die Gefahr, dass das Floß auseinanderbrach. Bis heute gibt es am Moldauufer Siedlungen, deren Namen an verunglückte Flößer erinnern, wie zum Beispiel ,Na zabitým‘ (Deutsch etwa „Zum Toten“). Die Floßfahrt aus Budweis nach Prag dauerte etwa dreieinhalb bis vier Tage.“

Die Fahrtzeit änderte sich je nach Geschwindigkeit des Wassers. Während der k. u. k. Monarchie wurden spezielle Gesetze und Vorschriften für die Flößerei erlassen, so waren etwa Nachtfahrten verboten. Daher habe es ungefähr 80 Haltestellen entlang der Moldau gegeben, an denen die Flößer übernachten konnten, erzählt Svoboda.

„Die Flößer wussten in der Regel im Voraus, wo sie die Fahrt unterbrechen werden. Dieser Ort wurde jeweils ,stan‘ genannt, meistens befand sich dort auch ein Gasthaus, in dem sie übernachteten, und am nächsten Tag setzten sie ihre Fahrt fort.“

Moldau in Purkarec  (Foto: Donald Judge,  CC BY 2.0)
Die Flößerei wurde im Laufe der Zeit durch den Gütertransport auf Schiene und Straße verdrängt. Und der Bau des heutigen Stausystems machte die Floßfahrt auf der Moldau dann komplett unmöglich. Es gibt jedoch immer noch passionierte Hobby-Flößer in den Orten entlang des Flusses. Josef Nachlinger ist Geschäftsführer des Vltavan-Vereins im südböhmischen Purkarec / Burgholz.

„Wir befassen uns mit dem Bau von Repliken historischer Flöße. Für Interessenten organisieren wir auch kurze Floßfahrten. In diesem Jahr werden wir wahrscheinlich eine Floßtafel in Purkarec bauen und von dort aus Touristen nach Hluboká bringen.“

Abt Fuk – der erste Hydrologe

Bibliothek im Prager Strahov-Kloster  (Foto: Ladislava Doubravová)
Der Bildband über die Flößerei wurde unter der Schirmherrschaft der Prämonstratenser in deren historischer Bibliothek im Prager Strahov-Kloster feierlich vorgestellt. Die Wahl des Ortes hatte einen historischen Grund: Einer der Äbte von Strahov war mit den Anfängen der Moldau-Schifffahrt eng verbunden. Jan Pařez betreut als Archivar die Handschriftensammlung in dem Kloster.

„Ende der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde Kryšpín Fuk zum Abt in unserem Kloster. Er stammte aus Olmütz, zuvor war er Propst im Stift Schlägl in Oberösterreich gewesen. Fuk entschied sich, die Moldau schiffbar zu machen.“

Das größte Hindernis waren damals die sogenannten Johannis-Stromschnellen. Abt Fuk bereitete sich gut auf sein Moldau-Projekt vor. Denn er glaubte, für seine Verdienste später in den Adelsstand erhoben zu werden. Dieser Wunsch erfüllte sich jedoch nicht.

Abt Fuk  (Foto: Martina Schneibergová)
„Fuk stammte aus einer Bürgerfamilie. Manchmal unterschrieb er als Fuk von Hradiště. Er unternahm verschiedene Inspektionsreisen. Die Notizen von seinen Reisen sind erhalten. Der Abt nahm den Maler Norbert David Altmann mit, der für das Strahov-Kloster arbeitete. Auf Grundlage von Fuks Notizen von den Inspektionsreisen schuf Altmann ein etwa drei Meter langes Panoramabild des Moldaulaufs. Fuk reiste bis nach Budweis und notierte jedes Hindernis im Flusslauf. Dazu gehörten beispielsweise Wehre, große Steine oder Mühlen. Er beschrieb auch den Steig am Moldauufer für die Pferde, die die Schiffe zurück stromaufwärts nach Budweis zogen.“

Moldau-Stausystem

Abt Fuk nutzte seine Kenntnisse und Erfahrungen, die er im Stift Schlägl gesammelt hatte. Er lud Spezialisten von dort ein, um große Steine im Fluss wegzusprengen. In den 1640er Jahren gelang es ihm, die Moldau von Budweis bis Mělník schiffbar zu machen. Kryšpín Fuk gelte seitdem hierzulande als der erste Hydrologe, sagt Jan Pařez. Fuks Arbeit weckte im 20. Jahrhundert erneut die Aufmerksamkeit der Experten.

Johannis-Stromschnellen  (Foto: Public Domain)
„Damals hat sich Cyril Straka, Historiker und Bibliothekar am Strahov-Kloster, mit dem Leben von Abt Fuk beschäftigt. Die Tschechoslowakische Akademie der Wissenschaften beauftragte in den Jahren 1924 und 1925 Straka damit, über Kryšpín Fuk und den Schifftransport auf der Moldau zu forschen. In den 1920er Jahren entstand auch schon die Idee, ein Stausystem an der Moldau zu bauen. Dies wurde aber erst viele Jahre nach Strakas Tod, vor allem in den 1950er Jahren vollständig in die Tat umgesetzt. Cyril Straka starb bereits 1927. Doch er schaffte es noch, ein Buch über Abt Fuks Verdienste um die Schiffbarmachung der Moldau zu schreiben.“

Eine wichtige Rolle spielte dabei „Altmanns Panorama“, wie die einzigartige Darstellung des mittleren Moldauabschnitts von Maler Norbert David Altmann genannt wird. Auf dem 2,7 Meter langen und 29 Zentimeter breiten Plan ist der Moldaulauf von den sogenannten Johannis-Stromschnellen bis zur Prager Karlsbrücke dargestellt.

Jan Pařez  (Foto: Ladislava Doubravová)
„Es gibt kein anderes Bild der Moldau dieser Art. Der Plan wurde in zwei Exemplaren angefertigt: Einen bekam Kaiser Ferdinand III., der andere wurde in Prag aufbewahrt. Was mit dem Exemplar des Kaisers passiert ist, weiß man nicht. Das Prager Exemplar wird im Nationalarchiv aufbewahrt. Es wurde vor etwa neun Jahren gründlich restauriert. Ursprünglich war das Panoramabild zusammengerollt. Wir haben uns jedoch nach der Restaurierung entschieden, es in einer großen Schachtel aufzubewahren. Dort liegt das Panorama nun gebogen in Form eines großen Hufeisens. Ich habe den großen Wunsch, Altmanns Plan als Faksimile herauszugeben. Natürlich würde sich niemand ein fast drei Meter langes Panoramabild in sein Wohnzimmer hängen, aber die Fachöffentlichkeit hat großes Interesse daran bekundet.“