Mit der Moldau verbunden - "Vltavan" aus Podskali feiert 135 Jahre

Foto: Autorin

Das Prager Stadtviertel Podskali gilt heute in Prag als eine "gute Adresse". Unterhalb des altehrwürdigen Vysehrad herrscht ein reger Straßenverkehr. Vor mehr als 100 Jahren erinnerte das am rechten Moldauufer gelegene Podskali eher an ein Dorf, in dem vor allem Schiffer, Fischer und Leute wohnten, die Holz verkauft und auf dem Fluss transportiert haben. Damals gründeten sie auch ihren Berufsverein, der nach dem Fluss Vltava / Moldau - "Vltavan" benannt wurde. Und dieser "Vltavan" hat in den vergangenen Tagen sein 135. Gründungsjubiläum gefeiert. Nach Podskali zu den Vltavan-Mitgliedern laden Sie Martina Schneibergova und Thomas Kirschner im folgenden "Spaziergang durch Prag" ein.

Verein Vltavan | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International
Das Geschäft mit Holz wurde in Podskali seit dem Mittelalter betrieben. Der Name des Ortes bedeutet etwa "Unter dem Felsen". Die einstige Schiffer- und Fischersiedlung befindet sich nämlich unterhalb des Felsens, auf dem die Festung Vysehrad erbaut wurde. In Podskali wohnten im Frühmittelalter vorwiegend Fischer, allmählich siedelten sich hier auch Menschen mit anderen Berufen an:

"Die hiesigen Bewohner lebten nicht nur vom Fischfang. Seit dem Anfang des 13. Jahrhunderts haben sie Holz, Getreide und Salz mit Booten auf der Moldau transportiert. Diese Tätigkeit prägte jahrelang auch das Bild des Stadtviertels, bis das historische Podskali allmählich verschwunden war."

So beschrieb Bohunka Stepankova, Geschäftsführerin des Vereins "Vltavan", die Geschichte von Podskali bei der Jubiläumsversammlung des Vereins. In der Schiffergaststätte "U Hejduku" fand am 11. Juni 1871 die Gründungsversammlung von "Vltavan" statt.

Bohunka Stepankova  (Foto: Autorin)

Die Gründung von "Vltavan" war durch das 1867 verabschiedete neue Versammlungs- und Vereinsgesetz möglich, auf dessen Grundlage in den folgenden Jahren in den böhmischen Ländern verschiedene Arbeiter- und Selbsthilfevereine entstanden. "Vltavan" ist offensichtlich der älteste Berufsverein Böhmens. Seine Mitglieder waren damals vorwiegend Fischer, Schiffer, Flößer und Wächter, die auf das am Ufer gelagerte Holz aufpassten. Im Falle einer Erkrankung oder einer Katastrophe wurde dem Vereinsmitglied beziehungsweise seiner Familie finanzielle Hilfe gewährt. Der heutige Vorsitzende des Vereins, Jaroslav Cerveny, zieht einen Vergleich mit der Gegenwart:

"In der modernen Terminologie könnten wir von einer Art Gewerkschaft sprechen. Der Verein wurde mit dem Ziel der gegenseitigen Hilfe in der Not, im Krankheits- und Todesfall gegründet. An der Förderung des ´Vltavan´ beteiligten sich Mäzene aus den Reihen der Unternehmer, die Holz transportierten oder irgendwie mit der Moldau verbunden waren. Einer der Vereinsgründer war auch der damalige Oberbürgermeister von Prag, Frantisek Dittrich. Seitdem wird die Tradition aufrechterhalten, dass jeder Prager Oberbürgermeister Ehrenmitglied des Vereins ist."

Foto: Autorin

An der Entstehung des "Vltavan" waren damals außer Oberbürgermeister Dittrich auch Angehörige der Adelsfamilien Lobkowicz und Schwarzenberg beteiligt. Aus zweierlei Gründen war jedoch vor allem Frantisek Dittrich besonders eng mit dem "Vltavan" verbunden. Er wohnte selbst in Podskali und war dort eine hoch geachtete Persönlichkeit, insbesondere nachdem er während der Hochwasserkatastrophen in den Jahren 1845 und 1862 mehrere Menschen aus der Moldau gerettet hatte. Dittrich, dem Begründer und Chef der damaligen Prager Dampfschifffahrtsgesellschaft, verdanken die Vltavan-Mitglieder offensichtlich auch ihre bunten Trachten.

Jaroslav Cerveny  (Foto: Autorin)
"Es gibt mehrere historische Quellen, die die Herkunft unserer Tracht beschreiben. Aller Wahrscheinlichkeit nach war Oberbürgermeister Dittrich während eines Frankreich-Besuchs von den damaligen Uniformen der französischen Matrosen beeindruckt. Diese Matrosenkleidung inspirierte dann auch die Trachten der Vereinsmitglieder. Es gibt jedoch noch eine andere Erklärung für die Entstehung dieser Tracht - angeblich könnte wenigstens die Dreifarbenuniform auch von den Franzosen stammen, die nach der Französischen Revolution nach Böhmen gekommen waren. Zu den weißen Hosen beziehungsweise Röcken, den weiß-rot gestreiften Hemden und blauen Jacken gehören noch ein schwarzer Hut und eine rote Schärpe. Wenn man sich Bilder von französischen Matrosen aus dem 19. Jahrhundert anschaut, stellt man fest, dass sie auch solche Hüte und Schärpen getragen haben."

Es ist nicht selbstverständlich, dass der offensichtlich älteste Berufsverein Böhmens sowohl die Nazi-Zeit, als auch die vierzig Jahre kommunistischen Totalitarismus überlebt hat. Denn während des Kommunismus war die Vereinstätigkeit verboten.

"Der Verein ´Vltavan´ hat die kommunistischen Jahre auf eine etwas besondere Art und Weise überlebt. Er konnte natürlich nicht der damaligen Nationalfront beitreten. Der Verein musste sich, um zu überleben in einen ´Interessenzirkel´ der Prager Verkehrsbetriebe verwandeln. In vollem Umfang wurde die Vereinstätigkeit erst nach der Wende von 1989 wieder aufgenommen. Heute hat der Vltavan Praha 101 Mitglieder, unter denen auch viele Frauen sind, die - und das muss ich betonen - viel aktiver als die Männer sind. Dem Vltavan treten heute nicht nur Leute bei, die auf den Moldauschiffen arbeiten, sondern auch die Bewohner von Podskali. Ich selbst stamme aus Podskali, außerdem waren meine Verwandten im Verein tätig. Und nicht zuletzt bin ich ein großer Moldaufan, ich bin Wassersportler von Kindheit an."

Foto: Autorin
Die Vereinsmitglieder konzentrieren sich auf die Kulturarbeit, sie bemühen sich darum, die historischen Traditionen der einstigen Flößer und Schiffer aufrechtzuerhalten. Dazu gehört beispielsweise das so genannte "Öffnen" und "Schließen" der Moldau im Frühjahr beziehungsweise im Herbst, aber auch das Gedenken an alle Ertrunkenen in der vergangenen Saison. Am Allerseelentag legt der Verein immer einen Kranz an der Vltava-Statue in Smichov nieder. Eine Art Begegnungszentrum haben die Vltavan-Mitglieder und Fans im ehemaligen Zollhaus in Vyton, wo eine Ausstellung des Prager Stadtmuseums über Podskali installiert ist. In Vyton nahmen auch die Feierlichkeiten anlässlich des 135. Gründungstags des Vereins am 10. Juni dieses Jahres ihren Anfang. Von dort aus marschierten die Vltavaner nämlich in Festtrachten durch die Prager Straßen bis zum Neustädter Rathaus auf dem Karlsplatz, wo sie ihre Jubiläumssitzung abhielten und von den Stadtvertretern begrüßt wurden.
Foto: Autorin

Im heutigen "Spaziergang durch Prag" haben wir Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, in das Prager Podskali geführt, über dem sich der Vysehrad mit seiner typischen Dominante erhebt - einer neogotischen Kirche mit zwei typischen schmalen Türmen. Falls Sie wissen, wem diese Kirche geweiht ist, also wie sie heißt, können Sie es uns schreiben, denn so lautet die heutige Frage zur Sendung, für deren richtige Beantwortung Sie ein Buch über Prag gewinnen können. Ihre Zuschriften richten Sie, bitte, an Radio Prag, Vinohradska 12, PLZ 120 99 Prag 2. In der letzten Ausgabe des Spaziergangs im Mai fragten wir Sie danach, in welchem Jahr Wolfgang Amadeus Mozart zum dritten Mal Prag besucht hatte. Es war im Jahre 1791. Ein Buch geht diesmal an Werner Reimers in Hesel in Deutschland.