Nach 80 Jahren wieder in Prag: Massenets Werther

Werther (Foto: Patrik Borecký, Archiv des Nationaltheaters in Prag)

Die Oper nach Goethes Roman wird derzeit im Nationaltheater gespielt.

Die meisten Opernfans kennen eine viel gesungene, bekannte Tenorarie aus Jules Massenets Oper „Werther“. Hierzulande wird das Werk aber eher selten aufgeführt. 80 Jahre hat es gedauert, bis das Prager Nationaltheater den Werther nun erneut inszeniert hat. Vor kurzem war die Premiere.

Werther  (Foto: Patrik Borecký,  Archiv des Nationaltheaters in Prag)
Goethes Briefroman „Die Leiden des jungen Werthers“ erschien 1774 und wurde schnell zu einem Kultbuch. Mehr als 100 Jahre später ließ sich der französische Komponist Jules Massenet von dem Werk zu einer Oper inspirieren. Das Prager Nationaltheater zeigt derzeit eine Koproduktionsinszenierung des „Werther“ vom deutschen Regisseur Willy Decker und dem Bühnenbildner Wolfgang Gussmann. Die erste Aufführung dieser Inszenierung fand bereits 1996 in Amsterdam statt. Nachfolgend wanderte sie an weitere Opernhäuser in Europa, so unter anderem nach Frankfurt, Barcelona oder Rom. In Prag hat Petr Kofroň das Stück musikalisch einstudiert. Er ist künstlerischer Leiter des Opernensembles am Nationaltheater:

Petr Kofroň  (Foto: Vojtěch Havlík,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Es ist eine herrliche Oper. In der heutigen Zeit, die voller Zynismus ist, passt es eigentlich nicht besonders, eine Geschichte von Liebe und Tod zu erzählen. Wir alle sollten uns jedoch der Kraft und der Größe der Liebe bewusst werden. Ich bin davon überzeugt, dass dies auch in der Partitur enthalten ist. Und wir bemühen uns, dies musikalisch darzustellen. Mit Massenet kann ich mich natürlich nicht messen, aber ich kann versuchen, seinen musikalischen Vorstellungen möglichst nahe zu kommen.“

Die Inszenierung unterscheidet sich inhaltlich von Goethes Roman. Denn Charlotte und nicht Werther steht im Mittelpunkt. Die Frau muss sich zwischen zwei Männern entscheiden – dem romantischen Helden Werther und ihrem Ehemann Albert. Werther wird in der Oper nicht eindeutig positiv dargestellt. Albert wirkt wiederum nicht wie eine absolut negative Person, obwohl er kleinbürgerliche Verhältnisse und Standpunkte symbolisiert. Werther verübt zum Schluss der Oper Selbstmord, aber auch Charlotte scheint ein Opfer dieses Stroms von Emotionen zu sein. Es ist unklar, was aus ihr im Weiteren wird. Die Mezzosopranistin Štěpánka Pučálková ist in die Rolle der Charlotte geschlüpft:

Werther: Peter Berger und Štěpánka Pučálková  (Foto: Patrik Borecký,  Archiv des Nationaltheaters in Prag)
„Als Sängerin kann ich sagen, dass die Rolle eine Vielfalt von Nuancen enthält und eine Tiefe und Innigkeit verlangt. Die Rolle umfasst nicht sehr viele hohe Töne. Größtenteils wird in mittlerer Stimmlage gesungen, in der sich Mezzosopranistinnen wohler fühlen als Sopranistinnen.“

Die Titelrolle singt der slowakische Tenor Peter Berger. Werther habe ihn begeistert, erklärt er.

„Es ist eine große Herausforderung. Für mich ist Werther eine Herzensrolle. Es ist kaum zu beschreiben, wie tief er mich berührt hat. Ich bin wirklich besessen von dieser Rolle, seit ich erfahren habe, was mich alles erwartet. Wenn man die Rolle nur von außen kennt und sich nicht gründlich mit ihr beschäftigt, kann man sie nicht entsprechend singen. Die Aufgabe von uns Darstellern ist, die Zuschauer an den Wert der Liebe zu erinnern. Die Rolle ist so emotional, dass man sie nicht oberflächlich singen kann, nicht einmal bei einer Probe mit Klavierbegleitung. Ich bin der Meinung, dass Goethes Werk zeitlos ist.“

Die derzeitige Saison im Nationaltheater geht gerade zu Ende. Aber Massenets Werther wird auch in der kommenden Spielzeit noch aufgeführt. Die erste Vorstellung findet am 19. September statt.