Nedašov – Beispiel für Repressionen gegen die katholische Kirche in Mähren

František Půček inmitten der katholischen Jugend Omladina (Foto: Privatarchiv von Aleš Naňák)

Der 5. April 1950. Nur sechs Tage nach Beginn des ersten politischen Prozesses gegen bedeutende Kirchenvertreter wurden in Prag die Urteile gefällt. Am Vorabend des Gründonnerstags, an dem die Christen des letzten Abendmahls Jesu gedenken, wurden zehn hohe Würdenträger mehrerer Kirchenorden mit Freiheitsentzug von zwei Jahren bis lebenslänglich bestraft. So sollte vor allem die katholische Kirche als solche diskreditiert werden. Für das kommunistische Regime, das im Februar 1948 an die Macht kam, galt sie als Feind Nummer eins. Signale, wie die Staatspartei mit der historisch tief verwurzelten Institution umzugehen gedenkt, gab es allerdings schon zuvor. Ein Beispiel aus Südostmähren.

Pfarrer František Půček  (Foto: Privatarchiv von Aleš Naňák)
Nach den politischen Umwälzungen von 1948 dauerte es nicht lange. Schon bald konnte die Bevölkerung hierzulande die zunehmenden Spannungen zwischen der Staatsführung und den Kirchen spüren. Allerdings ohne zu wissen, dass in den obersten Machtetagen bereits Pläne geschmiedet wurden, mit massiven Repressionen den Einfluss der Kirchen zurückzudrängen.

Einen Konflikt mit der Staatsmacht, vertreten durch Agenten der Geheimpolizei StB und Militärangehörige, erlebte zum Beispiel Nedašov. Am 21. Januar 1949 versuchten fromme Bewohner der Gemeinde an der ostmährisch-slowakischen Grenze, ihren Pfarrer František Půček vor der Verhaftung zu schützen. Die handgreifliche Auseinandersetzung hatte kein gutes Ende. Das Ereignis ging unter dem Namen „blutiger Freitag von Nedašov“ in die Geschichte der Region Závrší ein. Die drei Gemeinden Nedašov, Nedašova Lhota und Návojná bilden bis heute einen Pfarrbezirk.

Der Historiker Aleš Naňák ist der Geschichte nachgegangen. Bei einer Führung durch die hügelige Gegend der Region erzählt er:



Mariä Himmelfahrtskirche in Nedašov  (Foto: Dana Fojtíková,  CC BY-SA 3.0)
„Wie aus der Vogelperspektive bietet sich an dieser Stelle ein Ausblick auf die Mariä Himmelfahrtskirche in Nedašov und das benachbarte Pfarrhaus. Dort war Pfarrer František Půček – eine bedeutende Persönlichkeit in unserer Region –schon vor 1949 tätig. Er war Seelsorger im wahrsten Sinne des Wortes. Wie aus historischen Quellen bekannt ist, setzte er sich mit allen Kräften ein für eine Verbesserung des alltäglichen sowie kulturellen Lebens in diesem Winkel der mährischen Walachei. Er unterstützte zum Beispiel finanziell arme Familien oder das Vereinsleben. Er stand auch an der Wiege einer Blasmusikkapelle und einer Fußballmannschaft, was bei einem Pfarrer nicht ganz üblich ist.“

Ein Dorf steht hinter seinem Pfarrer

Nedašov  (Foto: Jiří Komárek,  CC BY-SA 4.0)
An dem besagten Freitag hatte sich in Nedašov schnell herumgesprochen, dass die Pfarrer der nahegelegenen Kleinstädte Valašské Klobouky und Brumov bereits am selben Tag verhaftet wurden. Aus Brumov soll ein Anruf in Nedašova Lhota eingegangen sein, dass auch Pfarrer Půček demnächst dran sei. Daraufhin versammelten sich ungefähr 100 bis 150 Bewohner vor dem Pfarrhaus, bewaffnet mit Beilen und Hacken. Aleš Naňák:

„In einem schwarzen Auto kamen unbekannte Männer Nach Nedašov und wollten Pfarrer Půček sprechen. In Wirklichkeit sollte es aber ein Verhör werden. Die Einheimischen wussten, dass die Behörden den Pfarrer schon eine Zeitlang im Visier hatten. In seinen Predigten kritisierte er offen die Richtlinien der politischen Ideologie. Zu den kontroversen Themen jener Zeit gehörte unter anderem die Kollektivierung der Landwirtschaft, die das kommunistische Regime bald nach der Machtübernahme in die Wege geleitet hatte. Deswegen ahnte man in Nedašov, dass dem Pfarrer etwas Böses zustoßen könnte. Bevor aber das Verhör richtig anfangen konnte, drangen einige Dorfbewohner in das Pfarrhaus ein. Die unerwünschten Gäste wurden dann schnell vertrieben.“

Gastwirtschaft in Nedašov  (Foto: Palickap,  CC BY-SA 3.0)
Wie gewöhnlich erklang in Nedašov auch an diesem Freitagnachmittag des 21. Januar 1949 das Dreiuhrläuten der Mariä Himmelfahrtskirche. Die ungeladenen Besucher deuteten das aber als Signal für die Bevölkerung, sich zusammenzurotten.

Gleich am Abend desselben Tages umzingelten mehrere Dutzend Soldaten die Ortschaft. Sie wurden in Bussen aus den angrenzenden Kreisstädten dorthin gebracht:

„Wer sich gerade draußen befand, wurde zum Verhör geladen. Von den rund 100 Festgenommenen wollte man wissen, wer sich am Nachmittag vor dem Pfarrhaus befand und warum. Die Verhöre fanden bis Mitternacht in der Gastwirtschaft statt. Ihr mutiger Besitzer kam dann zum Kommandanten und teilte ihm mit, er wolle schließen. Mitternacht sei Sperrstunde in seinem Lokal."

Verhöre werden zur Hölle

Gefängnis in Uherské Hradiště  (Foto: Palickap,  CC BY-SA 4.0)
Danach wurden die Verhöre in der Gemeindeschule bis in die Morgenstunden fortgesetzt. Es sei die Hölle gewesen, so der Historiker Naňák:

„Die Verhöre wurden zu Folter. Am Morgen wurden rund 20 Männer, unter ihnen auch der Pfarrer, nach Valašské Klobouky überführt. Dort wurden sie einige Tage festgehalten und weiterhin brutal verhört. Erst nach der Intervention eines der einflussreichen Stadtbewohner fuhr man die Männer ins Gefängnis in Uherské Hradiště, wo für sie die Hölle wieder von vorne begann. Ihre Familienangehörigen wurden nicht benachrichtigt und machten sich selbstverständlich Sorgen. In den Schulklassen, wo in Nedašov die ersten Verhöre stattfanden, seien die Wände sowie der Fußboden blutverschmiert gewesen, wie Augenzeugen berichteten. Es hat übrigens noch lange gedauert, bis die Betroffenen bereit waren, etwas über die Praktiken der StB-Leute zu erzählen.“

Pfarrer Půček verbrachte zwei Jahre Freiheitsentzug im Gefängnis in Pilsen-Bory  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
Einige begründeten dies mit der Schweigepflicht, der sie schriftlich zugestimmt hätten. Ende Mai wurden insgesamt zehn Männer aus Nedašov und Nedašova Lhota vom Staatsgericht Brno/Brünn des Verbrechens beschuldigt, an einer Revolte teilgenommen zu haben. Neun von ihnen – ein Kirchendiener und acht Landwirte – mussten für drei Monate bis ein Jahr ins Gefängnis. František Půček wurde wegen Amtsmissbrauchs und der Anstiftung zu einer Revolte angeklagt und zu zwei Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Die Zeit verbrachte er im Gefängnis in Pilsen-Bory, das berüchtigt war für den besonders brutalen Umgang mit den Insassen.

Aleš Naňák beurteilt die Aktion in Nedašov allerdings nicht als bewusste Revolte gegen das Regime. Zu dem Konflikt wäre es ihm zufolge höchstwahrscheinlich gar nicht gekommen, wenn Pfarrer Půček nicht so eine hoch respektierte Persönlichkeit in allen drei Gemeinden gewesen wäre. Doch es hätte alles, so der Historiker, noch wesentlich schlimmer ausfallen können. Einige der Dorfbewohner, die drei Jahre nach dem Krieg noch immer ein Gewehr zu Hause hatten, waren bereit zu schießen. Das Polizeiprotokoll zu den Ereignissen am 21. Januar 1949 zitiert in diesem Zusammenhang die Feststellung eines Verhörenden: Sollte nur ein einziger Schuss seitens der Einheimischen abgegeben worden sein, hätte Nedašov das Schicksal von Lidice erwartet. Jener mittelböhmischen Gemeinde also, die 1942 von deutschen Nazis dem Erdboden gleichgemacht wurde.

Rückkehr eines gebrochenen Mannes?

František Půček inmitten der katholischen Jugend Omladina  (Foto: Privatarchiv von Aleš Naňák)
Dass František Půček nach zwei Jahren wieder in seinen vorherigen Pfarrbezirk zurückkehren durfte, mag überraschen.

„Es gibt zwar ein Dokument, laut dem ihm die Rückkehr nicht erlaubt werden sollte. Doch könnten die herrschenden Stellen einen anderen Plan verfolgt haben. Die hiesige Bevölkerung hätte nämlich abgeschreckt sein können, wenn sie ihren Pfarrer nach seiner Rückkehr aus dem Gefängnis als gebrochenen Mann wiedergesehen hätte. Doch diese Rechnung ging nicht auf.“

Pfarrer Půček wurde von seinen Schäfchen begeistert wieder aufgenommen. Auch dann machte er keinen Hehl daraus, dass er sich mit dem politischen System im Land nicht anfreunden konnte. Půček unterstützte zum Beispiel einen Kollegen, dem die Ausübung des Priesteramtes von den offiziellen Stellen verboten wurde. Ungeachtet dessen ermöglichte er ihm, in einer der drei Kirchen seines Pfarrbezirks zu predigen. Er selbst blieb bis 1959. Danach verließ er freiwillig sein Amt und lebte in einem Seniorenheim im nahen Lukov. Dort ist er 1968 im Alter von 72 Jahren gestorben.

Kreuz über Návojná  (Foto: Aleš Naňák)
2005 entstand in der Werkstatt des ortsansässigen Restaurators und Malers Petr Káňa die Idee, ein Kreuz zum Gedenken an die tragischen Ereignisse um den 21. Januar 1949 zu schaffen. 2010 wurde das Denkmal in Form eines ungewöhnlichen Kreuzes oberhalb von Návojná, Káňas Geburtsort, aufgestellt. Das drei Meter hohe Kreuz ist in einem dreistufigen Sandsteinpodest verankert. In der Mitte, wo sich der vertikale Arm mit dem horizontalen trifft, befindet sich nicht wie üblich der gekreuzigte Christus, sondern ein gebrochenes Herz aus Sandstein. Rundherum ist ein Holzkonstrukt angebracht, das an ein Gefängnisgitter erinnern soll.

Anlässlich der Weihung sagte der Künstler Petr Káňa in einem Gespräch mit der Regionalzeitung „Zínský deník“ über seine Motivation, Zitat:

„Es ist eine Widmung an alle, die in den schweren Zeiten die Freiheit des Herzens für sich behielten und ihrem Glauben treu blieben.“