Minderheiten in der Tschechischen Republik (2). Die polnische Minderheit
Rund 51.000 Menschen bekannten sich bei der letzten Volkszählung in der Tschechischen Republik vor zwei Jahren zur polnischen Nationalität, das sind etwa 0,5% der Gesamtbevölkerung. Damit stellen hierzulande nach offiziellen Angaben die Polen hinter den Slowaken die größte nationale Minderheit. Diese Zahlen erscheinen jedoch in einem anderen Licht, wenn man berücksichtigt, dass Schätzungen zufolge die Zahl der in Tschechien lebenden Roma weit höher ist als in den offiziellen Statistiken und sich zwischen 100.000 und 250.000 bewegt.
Rund 51.000 Menschen bekannten sich bei der letzten Volkszählung in der Tschechischen Republik vor zwei Jahren zur polnischen Nationalität, das sind etwa 0,5% der Gesamtbevölkerung. Damit stellen hierzulande nach offiziellen Angaben die Polen hinter den Slowaken die größte nationale Minderheit. Diese Zahlen erscheinen jedoch in einem anderen Licht, wenn man berücksichtigt, dass Schätzungen zufolge die Zahl der in Tschechien lebenden Roma weit höher ist als in den offiziellen Statistiken und sich zwischen 100.000 und 250.000 bewegt.
Die überwiegende Mehrheit der Polen lebt in den Grenzgebieten Nordmährens und Schlesien, vielfach nur einen Steinwurf von der polnischen Grenze entfernt. Wie beispielsweise im schlesischen Teschen. Als das zwischen Polen und Tschechen umstrittene Kohle-Gebiet nach dem Ersten Weltkrieg zunächst internationaler Kontrolle unterstellt und dann 1920 auf Entscheidung der Alliierten geteilt wurde, wurden zehn tausende Polen über Nacht zur Minderheit in einem fremden Staat. Im Zuge des Münchener Abkommens 1938 trafen Polen und Hitlerdeutschland geheime Absprachen über den Anschluss des Teschener Schlesiens an Polen, am 2. Oktober 1938 besetzte Polen das strittige Gebiet.
Nach dem 2. Weltkrieg jedoch wurde die Grenze von 1920 wiederhergestellt, und Polen verlor den vorher annektierten Teil Teschens wieder. Der Streit um Teschen warf jedoch einen dauerhaften Schatten auf die tschechisch-polnischen Beziehungen.
Józef Szymeczek, Vorsitzender des Kongresses der Polen in der Tschechischen Republik:
"Man hätte erwarten können, dass es nach 1989 zu einer politischen, wirtschaftlichen und geistigen Annäherung beider Völker kommt. Die Geschichte hat jedoch gezeigt, dass sich die Staaten zwar sehr angenähert haben und die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen heute sehr korrekt sind. Was hingegen das alltägliche Zusammenleben von Polen und Tschechen anbelangt, beobachten wir eher das Fehlen eines gemeinsamen Dialoges, wie ihn etwa die Tschechen und die Deutschen miteinander führen."
Der Kongress der Polen in der Tschechischen Republik wurde 1990 gegründet und versteht sich als Dachverband der knapp 30 polnischen Organisationen in Tschechien. Sein Vorsitzender Szymeczek vertritt die polnische Minderheit zugleich im "Rat der nationalen Minderheiten" der tschechischen Regierung, in dem die polnische Minderheit mit insgesamt 3 Vertretern repräsentiert ist. Sprachrohr der Polen in Tschechien sind weiter vier Zeitungen und Zeitschriften, - die alle zwei Tage erscheinende Glos ludu, die Monatsschrift Zwrot, die Nasza Gazetka (14-täglich) und der Kurier Praski (monatlich). Ebenso wie die Presseorgane anderer Minderheiten werden sie von der tschechischen Regierung finanziert.
Im Grunde geht es den Polen heute im alltäglichen Leben ähnlich wie den Tschechen, meint Józef Szymeczek. Auf einem Gebiet verortet er allerdings ein klares Ungleichgewicht:
"Unsere Probleme sind in erster Linie mit dem Schulwesen verbunden, das zu unseren größten Sorgen zählt."
Die Sorge resultiert vor allem aus der staatlich festgelegten Mindestschülerzahl, zur Eröffnung einer Schulklasse, die sich im Falle der polnischen Schulen nicht immer findet. Seit Januar gibt es hier jedoch für die Polen eine Ausnahmeregelung. Eben den Schulen komme für den Erhalt der polnischen Sprache und Tradition eine wichtige Rolle zu, glaubt Agata Vlasakova, Direktorin der polnischen Schule Prag. Mit einem Tschechen verheiratet, ist sie wie die meisten ihrer Schüler, die zum großen Teil aus gemischten Familien kommen, ständig mit beiden Kulturen in unmittelbarer Berührung. Worin sieht sie die Hauptunterschiede zwischen Polen und Tschechen?
"So große Unterschiede gibt es nicht, schließlich sind beides slawische Völker. Vielleicht sind die Polen offener und halten mehr zusammen. Der Begriff 'Vaterland' hat für die Polen eine größere Bedeutung. Polen sind z.T. zu wenig selbstkritisch, Tschechen mitunter zuviel. Ein großer Unterschied ist auch die Religiosität, die für die Polen sehr wichtig ist, für die Tschechen nicht."
Im Grunde aber, so Vlasakova, seien beide Kulturen ähnlich und es sei nicht schwer für Polen, in Tschechien zu leben. Bestehende Vorbehalte zwischen beiden Völkern könnten folgende Gründe haben, überlegt die Direktorin:
"Ein Grund könnte sein, dass Polen und Tschechen Konkurrenten sind, das hat sicherlich einen negativen Einfluss auf die Beziehungen. Früher, während des Kommunismus, habe man von oben auf die Polen heruntergeschaut, da in polnischen Krisenzeiten hauptsächlich Arbeiter nach Tschechien kamen. Die Polen hatten damals einen ähnlichen Status wie heute die Ukrainer. In den letzten zehn Jahren sind aber auch viele Intellektuelle aus Polen nach Tschechien gekommen, man befinde sich auf dem selben Niveau und das ärgert die Tschechen ein wenig, habe ich das Gefühl."
Die polnische Schule Prag, ursprünglich für Botschaftsangehörige gegründet, 1987 aufgrund des großen Interesses erweitert (150 Teilnehmer), fungiert seitdem als Schule für Kinder polnischer Arbeitnehmer in Tschechien sowie für Kinder aus polnisch-tschechischen Familien. Sie orientiert sich an dem polnischem Schulsystem, zusätzlich wird jedoch Tschechisch unterrichtet, so dass die z.Zt. 74 Schüler anschließend auf tschechische weiterführende Schulen gehen können. Gegenwärtig kämpft die Schule um Schüler. Nach dem Boom Anfang der 1990er Jahre, als viele polnische Firmen sich in Tschechien niederließen, kam es Vlasakova zufolge nach der Teilung der Tschechoslowakei und der Verschlechterung der Bedingungen für ausländische Unternehmer in Tschechien zu einem Rückgang dieser Entwicklung. Hinzu käme gegenwärtig die Popularität amerikanischer, britischer und französischer Schulen.
Soweit das heutige Themenkaleidoskop zur polnischen Minderheit. In unserer naechsten Sendung in zwei Wochen stellen wir Ihnen dann die ukrainische Minderheit in Tschechien vor. Am Mikrophon verabschiedet sich Silja Schultheis.