Das Jahr 1978
Erinnern Sie sich noch, was vor 25 Jahren alles geschehen ist? Papst Paul VI. verstarb, nach nur einem Monat im Amt starb sein Nachfolger Johannes Paul I. Ihm folgte der Pole Karol Wojtyla als Johannes Paul II. Nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland war das Thema Terrorismus aktuell. 1978 wurde in Italien der Vorsitzende der christlich-demokratischen Partei, Aldo Moro, von den sog. Roten Brigaden ermordet. In der Tschechoslowakei feierte man damals den ersten tschechoslowakischen Kosmonauten. Zugleich verschärfte das Regime sein Vorgehen gegen Unterzeichner der Bürgerrechtserklärung Charta 77.
Erinnern Sie sich noch, was vor 25 Jahren alles geschehen ist? Papst Paul VI. verstarb, nach nur einem Monat im Amt starb sein Nachfolger Johannes Paul I. Ihm folgte der Pole Karol Wojtyla als Johannes Paul II. Nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland war das Thema Terrorismus aktuell. 1978 wurde in Italien der Vorsitzende der christlich-demokratischen Partei, Aldo Moro, von den sog. Roten Brigaden ermordet. In der Tschechoslowakei feierte man damals den ersten tschechoslowakischen Kosmonauten. Zugleich verschärfte das Regime sein Vorgehen gegen Unterzeichner der Bürgerrechtserklärung Charta 77.
Vieles, was vor einem Viertel Jahrhundert so passierte, ist heute kaum noch vorstellbar - die grossen Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag der kommunistischen Machtergreifung im Februar 1978, die Terrormethoden der Staatssicherheit gegen Andersdenkende, der Stil von Zeitungsartikeln oder Fernsehsendungen. Eines hat sich vielleicht nicht geändert: die Faszination für Weltraumreisen. Zum 30. Regierungsjubiläum erhielten die Prager Kommunisten von ihrem grossen Bruder aus Moskau am 2. März ein grosszügiges Geschenk:
"In der Sowjetunion ist heute um 16 Uhr und 28 Minuten die Rakete Sojuz 28 mit internationaler Besatzung gestartet. An Bord befinden sich der sowjetische Kosmonaut-Führer Alexej Gubarev und der tschechoslowakische Kosmonaut-Forscher Vladimir Remek." verkündete der tschechoslowakische Rundfunk in einer Sondersendung.
Bei diesem Flug handelte es sich um den ersten internationalen Weltraumflug überhaupt. Bisher waren nur rein russische oder amerikanische Besatzungen ins Weltall gestartet. Die Tschechoslowakei war nun die dritte "Weltraumnation". Aber warum wurde ausgerechnet den Tschechoslowaken diese Ehre zuteil? Darüber gab und gibt es einige Spekulationen. Vor 25 Jahren mögen viele wirklich geglaubt haben, dass dies ein Geschenk aus Moskau zum 30jährigen Regierungsjubiläum der tschechoslowakischen Kommunisten war. Mit Sicherheit handelte es sich um eine freundschaftliche Geste von Breschnew, die seine absolut treuen und loyalen Genossen in Prag erfreuen sollte. Zudem versuchte Moskau wohl, in der Tschechoslowakei verlorene Sympathien wiederzugewinnen und die antisowjetische Haltung des Volkes zu verändern, die auch 10 Jahre nach dem Einmarsch sowjetischer Truppen und der blutigen Beendigung des Prager Frühlings herrschte. In Prag hoffte man sicher, damit die Aufmerksamkeit vom herannährenden 10. Jahrestag der Invasion der Warschauerpakt-Staaten auf den historischen Weltraumflug zu lenken. Viele Tschechen erinnern sich noch heute an die Direktübertragungen aus dem Weltall:
"Liebe Mitbürger, Genossen und Genossinnen, zum ersten Mal in er Geschichte spricht ein Büurger der CSSR zu Ihnen aus dem Weltall. Mein Wunsch ging in Erfüullung, ich bin nun Kosmonaut. Dafür möchte ich allen die dies ermöglichten aus ganzem Herzen danken, vor allem dem Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und dem Genossen Leonid Breschnew."
Die Vorbereitungen für den Weltraumflug zogen sich über gut zwei Jahren hin und waren natürlich streng geheim. Die vier möglichen Kandidaten, die unter den besten tschechoslowakischen Armeepiloten ausgewählt worden waren, erfuhren selbst erst kurz vor ihrer Abfahrt in die Sowjetunion den wahren Grund ihrer Reise. Selbst ihren Frauen und Eltern durften sie nicht mitteilen, dass sie auserwählt worden waren, ins Weltall zu fliegen. Über ein Jahr dauerte die Ausbildung im sowjetischen Weltraumzentrum. Nur zwei Wochen vor dem geplanten Start wurde den Kandidaten mitgeteilt, wer von ihnen ins Weltall fliegen sollte. Vladimir Remek war der Glückliche. Die Entscheidung wurde in Moskau getroffen. Ein Grund für die Wahl soll gewesen sein, dass Remek wirklich ein Tschechoslowake war mit slowakischen Vater und tschechischer Mutter und somit beide Staatsnationen stolz auf ihren ersten Astronauten sein konnten.
190 Stunden und 16 Minuten verbrachte die zweiköpfige Besatzung der Sojuz 28 im Weltraum. In der Orbitalstation Saljut 6 führte sie einige wichtige Experimente durch.
In einem Artikel im Parteiblatt Rude Pravo hiess es damals u.a.:
"Mit dem Start der Rakete Sojuz 28 beginnt eine neue Ära der Erforschung und Nutzung des Weltalls für friedliche Zwecke, die die sozialistischen Staaten im Rahmen des Zusammenarbeitprogramms Interkosmos durchführen. Im Rahmen dieses gemeinsamen Programms der wissenschaftlichen und technischen Erforschung werden die Kosmonauten aus den sozialistischen Staaten umfassende und komplizierte Aufgaben erfüllen."
Sollten Sie sich für die Weltraumfahrt interessieren, können Sie bei Ihrem nächsten Besuch in Prag das Luftfahrtmuseum in Kbely besuchen. Hier ist die Landekapsel der Sojuz 28 ausgestellt. Angesichts ihrer geringen Grösse fragt man sich, wie zwei Astronauten da rein passen konnten. Vladimir Remek wurde nach seiner triumphalen Rückkehr als Held der Tschechoslowakei ausgezeichnet. Weitere Jahre diente er als Armeepilot. In letzter Zeit sorgte Remek ein paar Mal für Schlagzeilen. Vor zwei Jahren stürzte der Hubschrauber ab, mit dem Remek und ein amerikanischer Astronaut auf dem Weg zu Präsident Havel war - alle Insassen überlebten das Unglück. Vor einigen Wochen tauchte Remek als möglicher Präsidentschaftskandidat der Kommunisten in der Presse auf. Im März schliesslich feierte der Astronaut das 25. Jubiläum seines historischen Weltraumflugs. Mit dabei waren sein damaliger Chef, Kapitän Alexej Gubarev, und weitere russische Astronauten.
Vor einem Viertel Jahrhundert bekam Vaclav Havel die Macht der Kommunisten zu spüren. Gleich zu Beginn des Jahres verbrachte der Bürgerrechtler einige Wochen in Untersuchungshaft - der Grund für diese erscheint heute unglaublich: Havel wollte gemeinsam mit Freunden den Eisenbahner-Ball in einem Kulturhaus besuchen. Das Jahr 1978 endete für den späteren Präsidenten mit Hausarrest und tagtäglichen Schikanen: vor der Wohnungstür der Havels Standen Posten der Staatssicherheit, die niemanden hineinliessen und die Bewohner selten hinausliessen.
Nicht nur Vaclav Havel gehörte vor 25 Jahren zu den Verfolgten. Der heutige tschechische Botschafter in Wien, Jiri Grusa, wurde im Juni 1978 verhaftet. Grund für seine Festnahme war sein Roman "Der Fragebogen". Zwei Monate verbrachte Grusa damals in Haft.
Die kommunistische Regierung hatte 1978 ihre Taktik gegenüber der Bürgerrechtsbewegung Charta 77 geändert. Im Jahr zuvor, als die Charta entstanden war, hatten die Machthaber mit einer hysterischen Pressekampagne gegen die Dissidenten reagiert. Nun wurde es ruhiger, aber gefährlicher: Verhaftungen standen ebenso auf der Tagesordnung, wie tägliche Schikanen, Hausdurchsuchungen und körperliche Angriffe. Damit sollten diejenigen, die es wagten, das Regime laut zu kritisieren, aus dem Lande getrieben werden. In manchen Fällen hatte diese Methode der Staatssicherheit Erfolg. Nach Monaten des täglichen Terrors stellten einige Unterzeichner der Charta 77 Ausreiseanträge.
Ein knappes Viertel Jahrhundert später ereilte die damaligen Täter die Gerechtigkeit.
Im vergangenen Jahr wurden ein paar Geheimdienstmitarbeiter, die diese Techniken praktizierten zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Die Dissidenten reagierten auf das Vorgehen der Machthaber auf ihre Weise. Sie gründeten den Ausschuss zur Verteidigung zu unrecht Verfolgter. Dieser dokumentierte in den folgenden zwei Jahrzehnten die Fälle politischer Häftlinge. Im Juni 1978 legte der Ausschuss eine erste Dokumentation vor: zu diesem Zeitpunkt sassen 37 Personen aus politischen Gründen im Gefängnis, weitere 15 in Untersuchungshaft.
Zwei Staatsbesuche in der Tschechoslowakei des Jahres 1978 sind erwähnenswert: Im Mai kam Leonid Breschnew zu einem mehrtätigen Aufenthalt. Vorsichtshalber hatte die Regierung einige 100 Leute aus dem Umkreis der Charta 77 für bis zu 96 Stunden in Gewahrsam genommen. Während die Dissidenten in Gefängniszellen schmorten, zeichnete der KPdSU-Chef Breschnew auf der Prager Burg seine treusten Verbündeten, Präsident Gustav Husak und Parteiideologe Vasil Bilak, mit sowjetischen Orden aus.
Im Juni 1978 wurde mit allen Ehren der libysche Diktator Muanar Khadafi in Prag empfangen. Staatspräsident Gustav Husak überreichte Khadafi den höchsten tschechoslowakischen Orden.Husak selbst machte sich im April auf Reisen und besuchte den westlichen Nachbarn. Dabei handelte es sich um den ersten Besuch eines kommunistischen, tschechoslowakischen Präsidenten in der Bundesrepublik Deutschland. Bei dieser Gelegenheit wurde gleich ein Abkommen über kulturelle Zusammenarbeit unterzeichnet.
Gleich zweimal war Prag vor 25 Jahren Austragungsort internationaler sportlicher Meisterschaften. Im Frühjahr schaffte es die tschechoslowakische Eishockeymannschaft nicht, vor heimischem Publikum den Weltmeistertitel zu verteidigen - sie wurde von ihrem grössten Rivalen, der Sowjetunion, geschlagen. Bei der Athletik-Europameisterschaft in Prag konnten sich die Tschechen und Slowaken immerhin über eine Silber- und drei Bronzemedaillen freuen. Pünktlich zur Europameisterschaft war im August in Prag die zweite Metrolinie eingeweiht worden.
Grund zur Freude brachte vor 25 Jahren auch das tschechoslowakische Fernsehen. Damals wurden die ersten Teile der wohl beliebtesten tschechischen Fernsehserie ausgestrahlt, die auch in Deutschland unter dem Titel "Das Krankenhaus am Rande der Stadt" viele Fans hatte - und für all diese gibt es nun zum Abschluss des heutigen Geschichtskapitels eine gute Nachricht: inzwischen wurden neue Folgen vom "Krankenhaus am Rande der Stadt" gedreht. Im tschechischen Fernsehen werden sie noch dieses Jahr zu sehen sein - im deutschen werden sie sicher bald folgen.