TV NOVA: Die politischen Verbindungen des erfolgreichsten tschechischen Fernsehsenders
Die meisten Tschechen staunten nicht schlecht, als in der vorvergangenen Woche der langjährige Direktor und Spiritus Rector des privaten tschechischen Fernsehsenders TV NOVA, Vladimir Zelezny, von den Eigentümern des Senders gefeuert wurde. Unter Zeleznys Leitung wurde NOVA zum vielleicht erfolgreichsten Medienunternehmen in Mitteleuropa. Das gelang jedoch u.a. auch wegen der guten Kontakte, die Zelezny stets zu den Politikern des Landes pflegte. Über das Verhältnis zwischen TV NOVA und der Politik erfahren Sie mehr im folgenden Schauplatz von Silja Schultheis und Robert Schuster.
Gerade das Zerwürfnis mit dem ehemaligen Geldgeber, das zu einer wahren Prozessflut und u.a. auch einer Beschlagnahmung von Zeleznys Privateigentum führte, wurde ihm nun zum Verhängnis. Die CME verklagte nämlich die Tschechische Republik vor einem internationalen Schlichtungsgericht wegen mangelnden Schutzes ihrer Investition und forderte die Rückzahlung von 10,5 Milliarden Kronen (umgerechnet 350 Millionen Euro). Der Kläger bekam recht und somit muss nun der Finanzminister die Summe aus dem ohnehin schon stark defizitären Staatshaushalt begleichen.
Als die Regierung laut darüber nachdachte, sich das Geld von TV NOVA zu holen und drohte, ihr die Lizenz zu entziehen, musste Zelezny, der stets jegliche Schuld von sich wies und es ablehnte, sich an der Begleichung des Schadens zu beteiligen, gehen.
Aber mit dem erzwungenen Abgang Zeleznys hat nicht nur ein begnadeter Selbstdarsteller zumindest einstweilen den tschechischen Medienbereich verlassen. Da Zelezny nie einen Hehl daraus machte, sich auch in der Politik engagieren zu wollen, wurden in der Vergangenheit in Anlehnung an das Medienimperium des italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi auch immer Warnungen vor s.g. "italienischen Verhältnissen" in Tschechien laut, d.h. vor einer Vermengung von politischem und medialen Einfluss. Letzten Herbst, als Zelezny nach einer Materialschlacht sondergleichen auf Anhieb den Sprung in den Senat, also in die zweite Parlamentskammer, schaffte, schienen sich diese Prognosen zu bestätigen.
Ist nun anhand der Entwicklungen der vorvergangenen Woche diesen Befürchtungen ein für alle mal die reale Grundlage entzogen worden, bzw. waren sie überhaupt jemals gerechtfertigt? Darüber sprach Radio Prag im folgenden mit dem Politikwissenschaftler Rudolf Kucera von der Prager Karlsuniversität.
"Also ich glaube, dass seine Ambitionen nie so stark politisch waren. Die Kandidatur zum Senat, die vor allem von der ODS ermöglicht wurde, war eigentlich nichts anderes als der Versuch Zeleznys das abzusehende Ende noch hinaus zu zögern. Er hat ja gleich nach seiner Wahl versucht unter seinen Kollegen im Senat Unterstützung für seine Anliegen zu erhalten. Der Gang in die Politik war also mehr ein Akt der Selbsterhaltung, was jedoch fehlschlug, weil ihn der Senat zur strafrechtlichen Verfolgung freigab. Also ich meine im Nachhinein, dass die ganzen Befürchtungen wegen einer angeblich drohenden Berlusconisierung der tschechischen Politik unbegründet waren. Zelezný ist ja auch kein Politiker im wahrsten Sinn des Wortes, sondern ein sehr geschickter Geschäftsmann dem es immer wieder gelang politische Rückendeckung für seine oft an der Grenze der Gesetzlichkeit liegenden Aktivitäten zu erhalten, in dem er z.B. gezielt Gesetzeslücken für sich zu nutzen wusste usw."
Seit fast zehn Jahren ist nun TV NOVA ein Medium mit der mit Abstand größten Reichweite in Tschechien. Etwas mehr als 70 Prozent der Tschechen schalten den Kanal täglich zumindest für kurze Zeit ein und verfolgen dann oft dessen Hauptnachrichtensendung. Somit stellt sich natürlich auch die Frage nach dem politischen Einfluss dieses Mediums, vor allem wenn man die Lage in Tschechien mit anderen mitteleuropäischen Ländern, etwa mit Österreich, vergleicht.
Dort besitzt mit der Neuen Kronenzeitung ein klassisches Printmedium eine vergleichbar große Reichweite und hat bereits so manche politische Entscheidung in Österreich nicht nur mitbeeinflusst, sondern, wie viele meinen, sogar herbeigeführt. Auch die großangelegte Kampagne vor dem österreichischen Volksbegehren gegen das grenznahe tschechische Atomkraftwerk Temelín wurde vor allem wegen des Engagements der Kronenzeitung so ein Erfolg.
Lassen sich auch bei TV NOVA vergleichbare politische Absichten, Zielsetzungen oder Ambitionen feststellen? Der Politologe Kucera meint dazu:
"Ich meine, dass dort in einigen Sendungen, nicht jedoch in allen, versucht wurde all jenen eine gewisse Dankbarkeit zu erweisen, die in der Vergangenheit die schützende Hand über TV NOVA hielten. So musste sich der Sender in der Vergangenheit nie vor der Aberkennung der Sendelizenz fürchten, obwohl es dafür sicherlich den einen oder anderen Grund gegeben hätte. Ich erinnere da nur an die häufigen persönlichen Attacken auf Ex-Präsident Vaclav Havel oder Politiker der Koalition. Das war also eine Art Preis dafür. NOVA stand also sozusagen im politischen Dienst jener Kreise, die NOVA politisch geschützt haben."
Dass die Annahme von Rudolf Kucera stimmt, wonach sich NOVA versucht systematisch in alle politische Richtungen abzusichern, scheint auch das ambivalente Verhältnis des Senders gegenüber den tschechischen Kommunisten zu beweisen. Während der ehemalige NOVA-Chef Zelezny stets seine dezidiert antikommunistische Einstellung betonte, gehen die Spitzenvertreter der KP seit etwa einem Jahr bei NOVA ein und aus und sind etwa an Sonntagen regelmäßige Gäste bei der beliebten Diskussionssendung "Sieben Tage".
Kein Wunder also, dass nach dem unerwartet guten Abschneiden der Kommunisten bei den Wahlen vom Juni vergangenen Jahres von vielen NOVA eine Mitschuld an dem Erstarken der Kommunisten gegeben wurde.
In wieweit hat der Sender zu den jüngsten Erfolgen der Kommunisten beigetragen? Das war unsere nächste Frage an den Politikwissenschaftler Rudolf Kucera von der Prager Karlsuniversität:
"Ich glaube, dass der Einfluss dieser Fernsehstation riesig ist, das lässt sich mit den übrigen Fernsehanstalten gar nicht vergleichen. Ich denke schon, dass NOVA einen großen Anteil am gutem Wahlergebnis der Kommunisten hat. Normalerweise müssten ja die kommunistischen Politiker, die ja z.B. immer noch die Richtigkeit der gegenwärtigen außenpolitischen Ausrichtung des Landes in Zweifel ziehen, in den Medien nur ein Schattendasein fristen. Aber Faktum ist, dass den Kommunisten vor den letzten Wahlen bei NOVA ein derart großer Raum gewährt wurde, dass man schon den Eindruck gewinnen konnte, die Kommunisten, die sich bislang kaum von ihrer Vergangenheit distanziert haben, seien mittlerweile zu einer ganz normalen Partei geworden. Das war nicht nur für das Wahlergebnis ausschlaggebend, sondern führte auch allgemein zur Verstärkung von deren Einfluss in der Gesellschaft."
Wie die anderen ehemals sozialistischen Länder, hat auch die Tschechische Republik in den vergangenen Jahren eine grundlegende Liberalisierung im Bereich der Medien und Politik durchgemacht. Die Medien haben diese grundlegende Umstellung im allgemeinen sehr gut verkraftet. Wie ist es aber darum bei Lesern, Hörern und Zuschauern bestellt? Kann z.B. die tschechische Gesellschaft fast 14 Jahre nach der Wiedererlangung der Demokratie als ausreichend gewappnet bezeichnet werden gegenüber Versuchen der Manipulation durch die Medien? Wie stark haben bereits die Tschechen die Grundregeln der demokratischen Meinungsbildung verinnerlicht? Abschließend kommt noch einmal der Politikwissenschaftler Rudolf Kucera zu Wort:
"Ich denke, dass davon noch nicht die Rede sein kann, weil die Menschen immer noch sehr stark manipulierbar sind und zwar gerade durch die Medien und können somit durch geschickt inszenierte Kampagnen beeinflusst werden. Die Ursachen dafür liegen aber nicht nur bei den Leuten, also den Konsumenten, sondern auch z.B. bei den öffentlich-rechtlichen Anbietern, die anscheinend nicht fähig sind, den negativen Tendenzen bei einigen privaten Sendern entgegenzutreten, sondern sie übernehmen häufig deren Erfolgsrezepte. Es geht nämlich darum, die Öffentlichkeit in dieser Hinsicht zu erziehen. Das lässt sich aber nicht in 10 oder 14 Jahren schaffen und ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das in absehbarer Zeit ändern wird."