Das Jahr 1953 und die Währungsreform

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Am 17. Juni 1953 kam es in der DDR zu einem Volksaufstand, der blutig niedergeschlagen wurde. Knapp zwei Wochen früher protestierten auch in der Tschechoslowakei zehntausende gegen die herrschenden Zustände. Ausgelöst hatte diese größten Unruhen nach der Machtergreifung der Kommunisten eine Währungsreform, die zum 1. Juni 1953 in Kraft trat. Doch bevor wir auf die Unruhen im Juni 1953 zu sprechen kommen, wollen wir Sie in die Atmosphäre jener Zeit versetzen.

Das Jahr 1953 begann mit Festlichkeiten - die Prager Machthaber feierten ihr fünfjähriges Regierungsjubiläum. Im Februar 1948 hatten die Kommunisten die alleinige Herrschaft in der Tschechoslowakei übernommen. Die Feierlichkeiten gipfelten im Februar 1953 mit der Eröffnung des Lenin-Museums im sog. Volkshaus, dem ehemaligen Sitz der Sozialdemokraten im Prager Stadtzentrum. Das Gebäude war nicht zufällig gewählt worden. Während seines Aufenthalts in Prag im Jahre 1912 hatte Vladimir Iljitsch Lenin hier an einer Konferenz teilgenommen.

Während ihrer fünfjährigen Herrschaft hatten die Kommunisten das Land in vielem dem sowjetischen Beispiel angepasst. Die Kommunistische Partei bestimmte das Leben in allen Bereichen: Vereine waren ebenso aufgelöst worden wie unabhängige Gewerkschaften, Grossbetriebe ebenso wie kleine Geschäfte verstaatlich, auf den Dörfern waren landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften entstanden. Moskau diktierte den einzuschlagenden Wirtschaftskurs und dieser schrieb die Gewinnung von Rohstoffen und den Ausbau der Rüstungsindustrie vor. Doch die tschechoslowakische Wirtschaft verkraftete eine solch radikale Umstellung nicht. Die Vernachlässigung der Konsumgüterindustrie führte dazu, dass die Nachfrage nicht mehr erfüllt werden konnte: leere Geschäfte waren die Folge. 1951 mussten erneut Lebensmittelkarten für Brot, Mehl und Kartoffeln eingeführt werden. Und die wirtschaftlichen Probleme wuchsen - eine Währungsreform sollte Abhilfe schaffen.

Diejenigen, die mit den Veränderungen nicht einverstanden waren, verließen das Land zu Hunderten. Wer die neuen Verhältnisse zu laut kritisierte, riskierte eine Verurteilung als Landesverräter. In politischen Prozessen wurden zwischen 1948 und 1953 insgesamt 178 Todesurteile gefällt: gegen Kommunisten ebenso wie gegen kirchliche Würdenträger, Politiker nicht kommunistischer Parteien oder Mitglieder der inzwischen verbotenen nationalen Sportbewegung Sokol oder der Pfadfinder. Anfang der 50er Jahre herrschte eine Atmosphäre der Angst. Hinzu kam, dass weder westliche Filme noch Zeitungen die Tschechoslowakei erreichten. Auslandsreisen waren nur in offiziellen Delegationen möglich. Zu jener Zeit entstand der Slogan "Die Sowjetunion - unser Vorbild", neben den tschechoslowakischen Fahnen tauchten nun die sowjetischen auf.

Stalin und Gottwald
Das Jahr 1953 hatte also mit Feierlichkeiten und einem für Kommunisten typischen optimistischen Blick in die Zukunft begonnen. Doch dieser wurde bald getrübt. Am 6. März 1953 sendete der Rundfunk den ganzen Tag Trauermusik, schwarze Fahnen wurden in allen Städten gehisst: der "Führer des Weltproletariats", der "Vater der Arbeiter", Josip Stalin war gestorben. Wie in allen sowjetischen Satellitenstaaten wurde auch in der Tschechoslowakei Staatstrauer angeordnet. Am 9. März fand das Begräbnis des sowjetischen Führers in Moskau statt. An diesem nahm natürlich auch der tschechoslowakische Präsident Klement Gottwald teil.

Im ganzen Land waren noch die Trauerfahnen gehisst, als am 13. März 1953 offiziell bekannt gegeben wurde, dass Präsident Gottwald erkrankt sei. Zwei Tage später, am 15. März 1953 verstarb der erste kommunistische Arbeiterpräsident der Tschechoslowakei im Alter von 56 Jahren.

Sofort machten Gerüchte über die Todesursache die Runde. Gottwalds politische Gegner behaupteten voller Spott, der Präsident sei an gebrochenen Herzen gestorben, da ihn der Tod seines über alles geliebten Idols Stalin so nahe gegangen sei. Gottwalds Anhänger dagegen vermuteten eine politische Verschwörung. Man munkelte von vergiftetem Essen in Moskau. Der eigentliche Grund für den scheinbar überraschenden Tod des Arbeiterpräsidenten ist wohl in seiner seit langem angeschlagenen Gesundheit zu suchen. Direkte Todesursache war eine geplatzte Aorta.

Eine Woche nach Gottwalds Tod hatte die Parteiführung sich bereits auf seine Nachfolger geeinigt. Der bisherige Regierungschef Antonin Zapotocky wurde zum Präsidenten gewählt. Neuer Regierungschef wurde Viliam Siroky, neuer Generalsekretär Antonin Novotny.

Im April 1953 erfolgte eine Reform des tschechoslowakischen Schulsystems, das dem sowjetischen angeglichen wurde. Anstelle der bisher 13klassigen Schulform mit neunjähriger Schulpflicht wurde die elfklassige Mittelschule und eine achtjährige Schulpflicht eingeführt. Hinter dieser Schulreform standen in erster Linie wirtschaftliche Überlegungen. In den auf Befehl Moskaus neu gebauten großen Stahlfabriken fehlten Arbeitskräfte - mit der Verkürzung der Schulpflicht konnten schneller neue Arbeitskräfte gewonnen werden.

Am 30. Mai 1953 verabschiedete das tschechoslowakische Parlament eine Währungsreform, die sofort in Kraft trat. Diese Währungsreform war monatelang unter strengster Geheimhaltung von den führenden Kommunisten vorbereitet worden. Die Reform sollte dazu dienen, die Staatskassen aufzufüllen und die größten wirtschaftlichen Probleme zu lösen. Im Lande verbreiteten sich trotz aller Geheimhaltung Gerüchte über die Ausmaße der Reform. Um Hamsterkäufen und ähnlichem vorzubeugen, sollte die Bevölkerung im Unklaren gehalten werden. Am 29. Mai 1953 wies Staatspräsident Antonin Zapotocky in einer Rundfunkansprache alle Gerüchte zurück. Dabei belog der Präsident sein Volk wissentlich:

"Seid ohne Sorge, unsere Währung ist stabil, es wird keine Währungsreform geben."

In einer - unveröffentlichten - Rede vor führenden Parteifunktionären gab Zapotocky zwei Wochen später zu, gelogen zu haben:

"Wir konnten einfach nicht sagen: schaut mal, wir planen eine Währungsreform und bereiten diese Maßnahmen vor. Wenn wir das gesagt hätten, hätten unsere Klassenfeinde, die Überreste der Bourgeoisie und kapitalistische Elemente, die wir hier noch haben, all ihren Überschuss auf den Markt gebracht und all unsere Maßnahmen, die wir im Interesse des Fortschritts und des Aufbaus des Sozialismus durchführen wollten, wären unmöglich gemacht worden. Deshalb mussten wir alles geheim vorbereiten."

So die Begründung von Staatspräsident Zapotocky. In der Tat erschien in den Zeitungen die Begründung, dass wegen der bourgeoisen Staatsfeinde, die die Situation ausgenutzt hätten, die Bevölkerung nicht darüber informiert werden konnte, dass ihr Geld an Wert verlor. Die Feinde der Republik wurden auch als Grund für die Notwendigkeit der Währungsreform genannt - gerade bourgeoise und reaktionäre Elemente verfügten noch über zu viel Geld. Die Geldentwertung wurde also Mittel des Klassenkampfes deklariert. Dass die Währungsreform zur Sanierung der maroden Wirtschaft und der leeren Staatskasse durchgeführt wurde, erfuhr das Volk dagegen nicht.

Und diese Geldentwertung war nicht gerade gering: gerade mal 300 Kc wurden pro Kopf im Verhältnis 5:1 umgetauscht, ansonsten war der Kurs 50:1. Aus 100 Kc wurden über Nacht also 2 Kc. Jahrelange Ersparnisse wurden wertlos. Gleichzeitig mit der Währungsreform wurden das Zuteilsystem und Lebensmittelkarten abgeschafft. Die nun einheitlichen Preise der Grundnahrungsmittel und anderer Waren stiegen plötzlich sprunghaft an. Egal, wie man zum kommunistischen System stand, die Währungsreform war für alle ein Schock.

Am 1. Juni 1953 brachen in der Tschechoslowakei die bislang größten Unruhen gegen die Kommunisten aus. Zehntausende Menschen gingen in Prag und anderen Städten auf die Strasse. In 129 Fabriken wurde aus Protest gegen die Währungsreform ein Streik ausgerufen. Zu den größten Unruhen kam es in Pilsen, wo die Arbeiter der Skoda-Werke am 1. Juni einen Streik ausgerufen hatten. Rund 20.000 Demonstranten besetzten das Rathaus und den städtischen Rundfunk, kommunistische Symbole wurden zerstört. Zudem versuchte man, politische Gefangene zu befreien. Gegen die aufgebrachten Pilsner gingen schließlich Prager Polizeiabteilungen vor. Hunderte wurden verhaftet. In einigen ostslowakischen Bezirken kam es ebenfalls zu Unruhen, die in manchen Fällen sogar fast Bürgerkriegs ähnliche Ausmaße angenommen haben.

In der Presse erschien kein Wort über die Ausschreitungen. Jegliche Protestaktionen wurden unterdrückt. Einige Tage später kehrte wieder Ruhe ins Land ein. Die Währungsreform sollte helfen, die Wirtschaft zu beleben. Die Staatsschulden wurden auf Kosten der Bevölkerung getilgt. Doch alle Probleme konnten nicht gelöst werden. Insbesondere bei der Stromproduktion hinkte man hinterher. Und so kam es immer wieder zu langen Stromausfällen. Petroleumlampen gehörten zur allgemeinen Wohnungsausstattung. In der Ostslowakei wurde der Strom oftmals nicht nur tage- sondern wochenlang abgeschaltet.

Ebenfalls im Juni 1953 kamen aus Moskau neue Töne. Die Regierungen der Satellitenstaaten sollten mehr Wert auf das Lebensniveau legen, ihre Einstellung zur Kollektivierung der Landwirtschaft liberalisieren und auch die Verbrauchsgüterproduktion anregen. In der DDR führte dieser neue Kurs von Stalins Nachfolgern zum Aufstand am 17. Juni. In der Tschechoslowakei dagegen versuchten die Machthaber die neuen Direktiven aus dem Kreml zu vertuschen. Nur halbherzig machte man sich daran, den neuen Kurs aus Moskau zu erfüllen. Die Atmosphäre lockerte sich dennoch etwas - in der damaligen Presse fanden sich nun auch kritische Artikel. Die Gewerkschaftszeitung Prace schnitt ein alle betreffendes Thema an: die staatlich verordnete Schließung vieler Kneipen:

"Unsere Bürger sind daran gewöhnt, zum Mittag- oder Abendessen Bier zu kaufen. Man sagte immer, dass man zum Bierkaufen nur über die Strasse in die nächste Kneipe gehen muss - und nicht über 10 Strassen."

Und damit sind wir am Ende unseres Ausflugs in das Jahr 1953.