Ökumenisches Frauentreffen in Ceske Budejovice/Budweis
35 Frauen aus Deutschland, Österreich, der Slowakei und Tschechien, die verschiedene Kirchen vertraten, trafen am vergangenen Wochenende im südböhmischen Ceske Budejovice/Budweis zusammen, um über aktuelle Probleme vor allem des Zusammenlebens der Nachbarvölker zu diskutieren. Das Treffen wurde im Rahmen des Projektes "EUNIKA" von der Frauenkommission des Ökumenischen Kirchenrates der Tschechischen Republik organisiert - unter dem Motto "Lasst uns als versöhnte Nachbarn in Mitteleuropa leben!".
Frau Coudenhove-Kalergi, Sie haben gesagt - wir haben eine gemeinsame Geschichte, aber die Geschichte wurde verschieden erlebt. Dies betrifft nicht nur die Ereignisse des 20. Jahrhunderts, sondern auch z. B. das Mittelalter. Wie haben Sie es gemeint?
"Ich glaube, dass Deutsche und Tschechen, Deutsche und Österreicher, Tschechen und Sudetendeutsche viel gemeinsam erlebt haben, aber sie haben es ganz verschieden aufgenommen. Die Wahrnehmung war ganz anders von der einen und von der anderen Seite. Ein Beispiel, das ich erwähnt habe, sind die Hussiten - etwas, worauf die Tschechen stolz sind - ein großes, wichtiges Kapitel der Geschichte, eine Quelle der demokratischen Tradition des tschechischen Volkes. Auf der anderen Seite bei uns in Österreich ist der Hussitensturm immer noch in Erinnerung als etwas Schreckliches. Es wurden noch im 19. Jahrhundert die Glocken geläutet in Erinnerung daran - also die Geschichte - auch die weit zurückliegende Geschichte - hat sich tief eingeprägt im Bewusstsein der Menschen. Das ist in den Familien von Generation zur Generation weiter gegeben worden, und die Geschichte ist eigentlich die Summe der Geschichten, die wir erzählen, die wir einander erzählen, die wir unseren Kindern, unseren Nachkommen erzählen. Genauso natürlich die Zeit der Gegenreformation - furchtbar für die Tschechen, eine Blütezeit für die Österreicher, auch für die Bayern; der Zusammenbruch der Monarchie - ein Unglückstag für die Österreicher, ein Glückstag für die Tschechen usw. usw. Vieles, was auf der einen Seite als eine glückliche Zeit empfunden worden ist, ist auf der anderen Seite als eine unglückliche Zeit empfunden worden. Ich glaube, wir werden uns da schwer auf einen Nenner einigen, aber es hilft schon, wenn wir die Geschichten der anderen Seite hören und verstehen können."Um die Geschichte der anderen zu verstehen, muss man vielleicht auch bestimmte Tatsachen kennen - die Geschichte kennen. Sie haben u.a. die gemeinsame Historikerkommission erwähnt, die hat sich wunderbar auf bestimmte Tatsachen geeinigt. In wie weit sind die Kenntnisse der Geschichte notwendig, um die Wahrnehmung der anderen zu verstehen?
"Ich glaube, man kann von gewöhnlichen Bürgern nicht erwarten, dass sie historische Studien anstellen über die gegenseitigen Beziehungen. Es gibt einfach Ereignisse, die so tief gewirkt haben, dass sie auch jeder weiß - jeder Mensch, der überhaupt nicht gebildet ist und sich nicht besonders für Geschichte interessiert. Jeder Tscheche weiß, was das Münchner Abkommen war, jeder Deutsche weiß, was die Vertreibung der Sudetendeutschen war. Also es hilft schon, historische Fakten zu wissen, es muss sich aber erst langsam so zu sagen in das allgemeine Bewusstsein von der Ebene der Historiker zu den normalen Menschen herumsprechen."
Meinen Sie, dass das bestimmte Defizit in der Aufarbeitung, bzw. Verständnis für die Wahrnehmung der Geschichte teilweise von der nächsten Generation beseitigt wird?"Ich glaube, dass sich die jungen Menschen nicht besonders für die Geschichte und die Vergangenheit interessieren, dass sie aber kein Problem haben und sehr unbefangen miteinander umgehen. Das hat auch mit der Europäischen Union zu tun. Es ist für junge Leute eigentlich ziemlich einfach, mit Leuten aus anderen Ländern, aus anderen Kulturen sich zu verstehen. Sie hören dieselbe Musik, sie tragen dieselben Kleidungsstücke, man kann sie eigentlich voneinander kaum unterscheiden, wenn sie im Sommer mit ihren Rucksäcken durch die Welt reisen. Also ich glaube, die nächste Generation wird diese Vorurteile und Wunden, die wir mit uns herumtragen, eigentlich nicht mehr haben."
Ich habe an vielen ähnlichen Treffen wie hier teilgenommen, die entweder von der Christlichen Akademie, der Ackermann-Gemeinde, bzw. von verschiedenen Stiftungen organisiert wurden. Man hat oft den Eindruck, dass an diesen Treffen immer derselbe Kreis von Menschen teilnimmt und dass die wenig Publizität haben. Meinen Sie, dass es daran liegt, dass die Leute allzu ungeschickt sind, um ein solches Forum zu propagieren oder spielt da auch der manchmal kirchliche Anhauch die Rolle, der von einem Teil der Medien abgelehnt wird?
"Ich glaube, es kann jeder in seinem Umfeld tun nur was er kann und das kirchliche Umfeld ist halt in beiden Ländern ein ziemlich kleines. Aber man darf nicht unterschätzen, dass es auch außerhalb viel gibt - auf einer ganz profanen Ebene - natürlich in der Wirtschaft - es gibt viele deutsche, österreichische Firmen, die in Tschechien sehr aktiv sind. Die meisten Leute, die da arbeiten, lernen Tschechisch. Es gibt auch viele Tschechen, die in Deutschland, in Österreich, lernen, studieren, arbeiten. Das wird noch mehr so sein innerhalb der Europäischen Union, also ich glaube, dass einfach die Wirklichkeit, das praktische Leben auch etwas beiträgt zu mehr Verständnis, was solche hochgestochenen Treffen vielleicht nicht zusammenbringen."
Zum Abschluss des ökumenischen Treffens fragte ich zwei Teilnehmerinnen aus Deutschland danach, was sie während der Diskussionen für besonders anregend hielten. Anni Patzelt meinte:
"Am interessantesten fand ich heute den Vortrag von Frau Coudenhove-Kalergi, und zwar aus dem Grund, weil sie die geschichtlichen Hintergründe sehr verdeutlicht hat und immer dazu gesagt hat, wie hat das die eine Seite empfunden und wie die andere. Denn das gleiche historische Faktum wurde ja offensichtlich ganz unterschiedlich gesehen und empfunden. Und das fördert das Verständnis, wenn man weiß, warum sie so denken oder warum sich das so entwickelte."Sie sagte es selber, dass das Erleben der Geschichte unterschiedlich ist, und man muss es einsehen und verstehen...
"Das ist ja richtig. Ich war ja von der Geschichte nicht ganz unbelegt, da mein Mann auch aus dem Sudetenland stammt und zu Hause auch über verschiedene Dinge diskutiert worden ist und er als Lehrer geschichtliches Bewusstsein gehabt hat. Aber manche Hintergründe, die weiter zurückliegen, waren mir nicht bewusst - die Hussitenzeit und was sich da alles abgespielt hat und wie sich das auch in der Monarchie unterschiedlich entwickelt hat und wie das gesehen worden ist - das habe ich nicht gewusst."
Walburga Wieland betonte einen anderen Aspekt, der auch während der Diskussionen erwähnt wurde:"Ich finde es sehr wichtig, das wirklich aktuelle Themen angesprochen werden, die auch Europa betreffen, denn das ist ja unsere Zukunft."
Wie zum Beispiel?
"Zum Beispiel ob Gott in der Verfassung vorkommen soll oder nicht..."
Soll er da vorkommen Ihrer Meinung nach?
"Meiner Meinung nach ja. Wir leben in einer Dimension, und diese Dimension ist Gott für uns, und wir können ohne diese Dimension nicht leben."Es gab hier aber auch ganz unterschiedliche Meinungen dazu, es war interessant zu hören, womit sie begründet wurden...
"Gut, das ist die Meinung der anderen, aber meine Meinung - ich gehe nicht ab davon und ich werde sie auch verteidigen bis zum letzten - meine Meinung ist, dass Gott im christlichen Gedankengut nicht ausgelöscht werden darf."
Mit dieser kleinen musikalischen Kostprobe ist der Bericht über das ökumenische Frauentreffen, das am vergangenen Wochenende in Ceske Budejovice stattfand, beendet.