Umstrittene Ausbaupläne an der Elbe
Wasserstraßen gelten seit eh und je als fester Bestandteil des Verkehrssystems vieler Länder, ihr Ausbau allerdings ist manchmal mit Eingriffen in einzigartige Biotope verbunden, die für die Umwelt irreparable Folgen haben. So sehen das oft Umweltschützer, seltener jedoch Politiker. Die unterschiedlichen Blickwinkel begleiten in Tschechien seit einiger Zeit die Suche nach Lösungen in gleich mehreren Streitfragen. Über diese erfahren Sie mehr in der nun folgenden neuen Ausgabe der Sendereihe Begegnungen von und mit Jitka Mladkova:
Was ist unter dem Wort Ausbau zu verstehen?
"Unter dem Wort Ausbau ist zu verstehen, dass Staustufen gebaut werden sollten, dass die Elbe, die Oder und die Donau weiter ausgebaut werden solle für größere Schiffe. Wir sind nicht gegen die Schifffahrt auf diesen Flüssen, aber unserer Meinung nach sollten die Schiffe den Flüssen angepasst und nicht umgekehrt."
Sollte diese Regel konsequent gelten, dann wären manche Flüsse gar nicht schiffbar, oder?
"Ja, man fährt schon jetzt auf diesen Flüssen und man muss einfach akzeptieren, dass es da natürliche Gegebenheiten gibt. Die Elbe z.B.: im Sommer gibt es regelmäßig Trockenperioden und da kann man nicht mit Schiffen fahren. Eben das muss man akzeptieren, diese Trockenperiode werden in Zukunft sogar zunehmen. Wenn man ausbauen würde, würde dies massive Eingriffe in die Natur bedeuten. Nach unserer Meinung, also nach Meinung von Verbänden aus Deutschland, Tschechien, Polen und anderen Ländern, dass dieser natürliche wert der Flüsse, also die Umgebung, die Landschaft, dass das der Wert, das Kapital der Region ist. Wir sehen eine Entwicklung in der Region viel mehr in den Bereichen sanfter, ökologischer Tourismus, in der Landwirtschaft, und nicht so sehr im Ausbau dieser Flüsse für die Schiffe."
Wie könnte sich also der eventuelle Ausbau an diesen Flüssen negativ auf die Natur auswirken?
"Diese Gebiete sind dann bedroht, wenn ausgebaut wird. Das Flussbett muß ausgebaggert werden, der Grundwasserpegel kann senken, deswegen können Auenwälder austrocknen. Es gibt viele Gefahren."
Wenn man sich die beiden Flüsse ansieht, die sich teilweise auf tschechischem Gebiet befinden - die Oder und die Elbe. Von der Oder haben wir hier nur einen Teil ihres Oberlaufes, der schiffbare Abschnitt der Elbe ist relativ kurz. Welches Gewicht kommt der Teilnahme der tschechischen Umweltorganisationen in diesem gesamten Bestreben zu, den Ausbau dieser Flüsse zu stoppen?
"Was uns sehr beunruhigt ist, dass es Pläne gibt, die sogar von Seiten der tschechischen Regierung voran getrieben werden. Es geht um einen Donau-Oder-Elbe-Kanal. Das wäre ein unsinniges Projekt. Das ist also, was uns am meisten beunruhigt, und da spielen die tschechischen Umweltverbände eine große Rolle. Tschechien ist gewissermaßen das Dach Europas und hier so einen Kanal zu bauen würde u.a. bedeuten, einen 600-Meter-Höhenunterscheid zu überwinden, und dies mit gigantischen technischen Maßnahmen. Es würde eine Zerstörung der Landschaft bedeuten, oder Investitionen in Höhe von 20 Milliarden Euro. Wir lehnen also diesen Plan ganz eindeutig ab."
Noch einmal zurück zu der erwähnten Konferenz. Ich habe gelesen, dass die etwa 120 Teilnehmer eine Deklaration unterschrieben haben. Was beinhaltet diese Deklaration und an wen wird sie gerichtet?
"Die Deklaration wird an zwei EU-Kommissare gerichtet, an die Umweltkommissarin Frau Wallström, und Frau de Palacio, sie ist zuständig für Transport und Energie. Wir rufen darin die EU auf, keine Mittel für Ausbaupläne an Flüssen in Mitteleuropa zur Verfügung zu stellen. Z.B. entlang der Donau, wo das sog. transeuropäische Netzwerk ausgebaut werden sollte. Die Donau sollte auf eine Tiefe von 2,50 Meter ausgebaggert werden. Dies würde unglaublich viel kosten und auch viele zerstören. Wir setzen uns viel mehr für Investitionen im Schienenverkehr in Mitteleuropa. Entlang den Flüssen gibt es überall Schienen, die in einem relativ guten Zustand sind und auf denen man auch Güter transportieren kann. Das steht also in der Deklaration. Außerdem haben wir unsere Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass die EU-Kommission gut darauf achtet, dass die EU-Umweltrichtlinien eingehalten werden. Es gibt z.B. eine Wasserrahmenrichtlinie, dann gibt es eine Vorstellung, dass die Fließgewässer in ganz Europa bis 2015 eine gute ökologische Qualität erreicht haben müssen. Das gilt auch für die Donau und die Oder."
Das ist also die Position der Umweltschützer, formuliert von Jeron Kuiper vom Deutschen Umweltverband. Verkehr auf Wasserstraßen galt jahrelang als ökologisch und billig, die Vorbehalte vieler Naturfreunde werden jedoch immer häufiger. Vlastimil Karlik von der tschechischen Umweltorganisation "Arnika" sieht es so:
"Der Verkehr auf Wasserwegen ist dort ökologisch, wo er nicht tiefe Eingriffe in die Natur erforderlich macht. Dort, wo es große Flüsse gibt, bestehen natürliche Voraussetzungen für den Verkehr. In Ländern, wo es Wasser in Überfluss gibt, wie z.B. in Holland, kann auch der Aufbau von Kanälen die Wasserverhältnisse in der Landschaft nicht wesentlich gefährden. Ein Problem besteht jedoch darin, dass die Binnenschifffahrt ihren Umfang ständig vergrößern muss, um mit dem Verkehr auf Schiene und Straße konkurrieren zu können. Um ökonomisch zu sein, müssen die Schiffe größer werden, und dies erfordert wiederum immer größere Eingriffe in die Flüsse. Letztendlich geht es so weit, dass eine Änderung des natürlichen Wasserstroms in einen künstlichen Flussweg angestrebt wird".
Soweit Vlastimil Karlik von der Umweltorganisation Arnika. Diese engagiert sich derzeit an mehreren Orten der Tschechischen Republik, darunter auch in Prostredni Zleb und Male Brezno an der Elbe. An beiden Orten setzt sich das Verkehrsministerium seit 2001 für den Bau von Wehren und das damit verbundene Ausbaggern des Flussbettes ein, um die Elbe auch bei Trockenperioden schiffbar zu machen. Dieses Vorhaben stieß aber von Anfang an auf den Widerwillen des Umweltministeriums, das vor etwa einer Woche diese Baupläne offiziell abgelehnt hat. Das letzte Wort wurde jedoch noch nicht gesprochen. Das Abgeordnetenhaus soll noch in diesem Jahr über eine Gesetzesnovelle entscheiden, die der frühere Verkehrsminister Jaromir Schling initiierte, und auf deren Grundlage sich das Naturschutzgesetz nicht auf internationale Wasserwege beziehen müsste. Damit identifiziert sich auch der heutige Chef des Verkehrsressorts. Welches Konzept der beiden derzeit auf Kriegsfuß stehenden Ministerien Oberhand gewinnen wird, bleibt also abzuwarten. Auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass beide derzeit von christdemokratischen Politikern geführt werden.