Tschechische politische Parteien bereiten sich für Europawahlen vor

Europäische Parlament in Strassburg (Foto: Europäische Komission)

Im Programm von Radio Prag geht es nun weiter mit einer neuen Ausgabe des Eurodominos. Wir werfen einen ersten Blick auf das einmalige Ereignis, das Tschechien in diesem Jahr neben dem EU-Beitritt bevorsteht: Die Wahlen der tschechischen Abgeordneten zum Europäischen Parlament. Die Sendung hat Dagmar Keberlova für Sie vorbereitet.

Europäische Parlament in Strassburg  (Foto: Europäische Komission)
Gleich zwei große Ereignisse warten im kommenden Frühjahr auf die Tschechen. Zuerst wird ihr Land am 1. Mai der Europäischen Union beitreten und gleich einige Wochen darauf werden sie ihre Vertreter in das Europäische Parlament wählen. Noch ist es schwer abzuschätzen, wie sie es erleben werden. Bis dahin sind immerhin noch über vier Monate Zeit. Die Umfragen, die im Januar dazu durchgeführt wurden, verweisen auf die sinkende Lust der Tschechen, sich an den Europawahlen zu beteiligen. Während vor zwei Jahren noch ganze 65% der Wahlberechtigten ihr Stimmrecht wahrgenommen hätten, sind es heute nur noch 57%. Dafür steigt die Zahl derjenigen, die nicht zur Wahl gehen wollen. Heute ist es schon ein Drittel der Befragten. Ein Meinungsforschungsinstitut schätzt ein, dass derzeit etwa nur 35% aller Wahlberechtigten zu den Wahlurnen schreiten würden. Wie diese Zahlen zu bewerten sind, dazu befragte ich den Politologen Ivo Slosarcik vom Institut für europäische Politik in Prag:

"Die Meinungsumfragen, die derzeit geführt werden, sind zwar nicht unbedeutend, sie kommen aber noch zu früh. Die Wahlkampagne hat noch nicht begonnen. Die Wahlbeteiligung bei den Europawahlen ist in den meisten Ländern niedriger als bei Wahlen zu den nationalen Parlamenten. Zudem ist die Zahl der sich in Tschechien an den Parlamentswahlen beteiligenden Bürger in den vergangenen Jahren gesunken. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass das Interesse der Tschechen sofort rapide ansteigen könnte, wenn eine Partei eine intensive Wahlkampagne starten oder wenn das Thema Europawahlen ins Zentrum der politischen Debatte rücken sollte. Von den Wahlen trennen uns immerhin noch einige Monate."

Und wie verhält es sich mit der Tatsache, dass es wirklich ein einmaliges Ereignis ist, indem in Tschechien zum ersten Mal für das Europaparlament gewählt wird?

"Die Tatsache, dass diese Wahlen zum ersten Mal überhaupt stattfinden, kann die Beteiligung sowohl im negativen als auch im positiven Sinne beeinflussen. Im Positiven dahingehend, dass es sich um etwas Neues handelt und Neuigkeiten die Aufmerksamkeit bekanntlich immer mehr auf sich ziehen als Wahlen, die zum siebten oder zehnten Male stattfinden. Auf der anderen Seite kann derselbe Grund zu einer Vernachlässigung der Wahlen seitens der Wähler führen und diese werden sich dann erst in den kommenden fünf Jahren bewusst, um welch eine wichtige Institution es sich dabei handelt."

Wie ist der Grad der Informiertheit der tschechischen Bevölkerung über die Wahlen für das Europäische Parlament einschätzen?

"Meiner Meinung nach ist dem Großteil der Bevölkerung noch nicht so richtig klar, was für ein Organ sie eigentlich wählen. Die Wahlen, die im Juni stattfinden werden, werden vom tschechischen Bürger vielleicht nicht so wichtig genommen wie die Wahlen für das tschechische Parlament. Der Tscheche wird aber zum ersten Mal ein europäisches Organ wählen können, das in der europäischen Struktur immer stärker in den Vordergrund rückt. In den diesbezüglichen Debatten in Tschechien überwiegen derzeit allerdings Themen wie das Entgelt für die europäischen Abgeordneten sowie deren zusätzlichen Vorteile, oder aber es wird über die Verteilung der Posten als eine Art von Geschenk für die jeweiligen Abgeordneten gesprochen. Dies ist meiner Meinung nach keine ganz glückliche Fügung."

Auch die tschechischen politischen Parteien machen sich langsam startbereit. Alle Parlamentsparteien haben sich bereits auf ihre Spitzenkandidaten festgelegt, mit denen sie in das Rennen um die 24 Sitze im Europäischen Parlament gehen wollen. Daran werden sich auch zwei nicht im Parlament vertretene Parteien beteiligen, die sich Chancen auf Erfolg ausrechnen. Hierzulande muss der Abgeordnete 21 Jahre alt sein und Tschechien als solches wird nur einen Wahlbezirk darstellen. Die Bürger werden zwei Namen auf der Kandidatenliste ankreuzen können. Wenn ein Kandidat mehr als 5% der Stimmen erhält, hat er das Vorrecht, als Europarlamentarier nach Brüssel zu gehen. Dies allerdings nur dann, wenn auch seine Partei mehr als 5% aller Stimmen erhält. Wann der Wahlkampf aber nun beginnen und wie er aussehen wird, auch dies fragte ich den Politologen Ivo Slosarcik:

"Schon die Namen der Politiker, die die jeweiligen Parteien für die Wahlen nominieren, sind ein Teil der Wahlkampagne. So haben beispielsweise die Bürgerdemokraten als Spitzenkandidaten einen Politiker mit einer klaren europäischen Profilierung nominiert, der über eine große Erfahrung in punkto europäische Integration verfügt. Die klassische Kampagne wird zunächst zum Teil mit den Feierlichkeiten und Debatten anlässlich des EU-Beitritts verbunden sein. In den Wochen, die dann den Beitritt noch von den Wahlen trennen werden, wird es zur Intensivierung der Kampagne mit Plakaten und ähnlichem kommen."

Vieles wird auch vom Geld abhängen, meint Ivo Slosarcik. Es wird darauf ankommen, wie viel Geld die Parteien für die Wahlen in ein relativ entferntes Organ wie das Europäische Parlament investieren wollen, und wie viel sie lieber für Senats-, Kommunal- oder Abgeordnetenhauswahlen sparen möchten.





Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union:



www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union

www.euroskop.cz

www.evropska-unie.cz/eng/

www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online

www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt