Nobelpreisträgerin Jelinek beim Prager Theaterfestival

Elfriede Jelinek (Foto: CTK)

Elfriede Jelinek wurde als erfolgreichste zeitgenössische Autorin in deutscher Sprache betitelt. Letzten Donnerstag ist sie mit dem Literaturnobelpreis für ihr Lebenswerk ausgezeichnet worden. Und auch beim Prager Theaterfestival deutscher Sprache, das Ende Oktober beginnt, wird ein Stück von Elfriede Jelinek aufgeführt. Anita Müller hat sich mit Jitka Jílková, der Direktorin des Theaterfestivals, über die Relevanz der Schriftstellerin und ihrer Aussagen unterhalten.

Elfriede Jelinek  (Foto: CTK)
Gemischte Stimmen waren zu hören, als feststand: der Literaturnobelpreis 2004 geht an Elfriede Jelinek. Schwedische Zeitungen kritisierten zum Beispiel "patentierte Standpunkte" in Ihrer Literatur. Tatsächlich: Elfriede Jelinek kämpft und greift an, greift Tagesgeschehen auf und zerlegt es sorgfältig. Sie geht keine Kompromisse ein. Die Österreicherin tschechischer Herkunft war jahrelang Mitglied der Kommunistischen Partei Österreichs. Elfriede Jelinek kritisiert ihr Heimatland vor allem dafür, dass es seine Geschichte nie aufgearbeitet hat. Dass die Verbrechen des Zweiten Weltkrieges einfach vergessen wurden. Denn, das schreibt Jelinek sarkastisch, uns verzeiht man einfach alles! Die Schriftstellerin selbst sagte nach ihrem Nobelpreis:

"Natürlich freue ich mich auch, da hat es keinen Sinn zu heucheln, aber ich verspüre eigentlich mehr Verzweiflung als Freude. Ich eigne mich nicht dafür, als Person an die Öffentlichkeit gezerrt zu werden."

Auch 1998 war Elfriede Jelinek auf dem Prager Theaterfestival deutscher Sprache schon mal vertreten. Das Stück Jelineks, das beim diesjährigen Festival aufgeführt wird, heißt schlicht "Das Werk". "Das Werk", das ist das große Wasserwerk, der Staudamm in der österreichischen Stadt Kaprun. Der ist genauso voll und aufgestaut wie die österreichische Geschichte. In Kaprun ereignete sich auch im Jahr 2000 das schwere Seilbahnunglück. Damit steht die Stadt als Symbol für Jelineks Kritik an der Tourismusindustrie. Sie hinterfragt die Naturzerstörung. Wieso gerade "Das Werk" gespielt wird erzählt die Direktorin Jitka Jilkova:

"Einfach aus dem Grunde, dass wir die Aufführung für sehr gut halten und auch aus dem Grunde, dass die Jelinek, wie gerade bestätigt wurde, wirklich zu den wichtigsten zeitgenössischen Autoren überhaupt gehört. Sie hat halt dieses ganz starke Bedürfnis, sich zu den aktuellen Fragen unserer Umwelt zu äußern und sie macht das sehr ironisch und gnadenlos. Ich glaube, dass wir heutzutage kaum einen anderen Schriftsteller finden, der unserem Alltag gegenüber so unerbittlich kritisch wäre, wie die Jelinek."

Für das Prager Theaterfestival sei es aber nicht nur wichtig, die Kulturen einander näher zu bringen und Gemeinsamkeiten zu finden. Jitka Jilkova erklärt, vielmehr wolle man gegenseitig den Stand der Dinge betrachten. Deshalb ist es für sie kein Hindernis, dass Jelinek ganz speziell den österreichischen Alltag oder die österreichische Geschichte angreift:

"In diesem Sinne kann Österreich für die ganze Welt stehen und daher auch für Tschechien und ich glaube, sie nimmt uns alle beim Wort. Natürlich kennt sie, weil sie ja vor allem in Österreich lebt, die Mängel des österreichischen Alltags, der österreichischen Gesellschaft am besten. Aber es ist der kritische Blick, den sie vorführt, den sie uns zeigt, oder durch den sie uns uns selber zeigt. Den kann man natürlich auch auf andere Länder, auf den Alltag, auf die gesellschaftliche Lage in anderen Ländern beziehen oder applizieren."

Gerade in der Wohlstandsgesellschaft, das meint auch Jitka Jilkova, ist ein so kritischer Blick gesund und notwendig um nicht den Boden zu verlieren.