In Städten findet man eher christliche Gemeinschaft als auf dem Lande
Tschechien wird im Vergleich mit anderen ehemaligen Ostblockländern oft für ein Land gehalten, in dem die Religiosität sehr niedrig ist. Bei der Volkszählung im Jahre 2001 hat sich aber immerhin mehr als ein Drittel der tschechischen Bevölkerung als gläubig bezeichnet. Wie sieht es mit dem Glauben bzw. dem mangelnden Glauben in Tschechien aus? Mehr erfahren im folgenden Beitrag von Martina Schneibergova.
Während der kommunistischen Zeit wurde im Bereich der Religion viel zerstört, denn das kommunistische Regime hat die kirchlichen Gemeinschaften systematisch unterdrückt. Auf die Bürger wurde Druck ausgeübt: Als Christ konnte man mit keiner Berufskarriere rechnen, Kindern aus christlichen Familien wurde die Möglichkeit, zu studieren, oft verweigert. Hinzu kam noch die allgegenwärtige ideologische Gehirnwäsche.
Professor Albert-Peter Rethmann, der an der katholischen theologischen Fakultät der Prager Karlsuniversität wirkt, ist der Meinung, dass die heutige Situation im Hinblick auf die Religiosität starke Unterschiede zwischen dem Land und den Städten aufweist.
"Es ist sicher nicht richtig, von einem atheistischen Land zu sprechen. Bald werden beispielsweise dreißig junge Leute in der Studentengemeinde hier in Prag getauft. Sie haben sich zwei Jahre auf die Taufe vorbereitet. Darunter sind Studenten, darunter sind ein Fernsehregisseur sowie weitere Menschen aus Kultur und Wissenschaft. Es ist also ein sehr buntes Bild in der Stadt. Es gibt immer wieder Menschen, die sich interessieren, die auch in den Städten Gemeinschaft finden, wo sie ihren Glauben leben können. Das ist in manchen Gebieten - vor allem in den Grenzgebieten - im Böhmerwald beispielsweise -sehr schwierig geworden. Dort sind die Gemeinden sehr klein, und junge Leute, die sich auf die Suche nach dem christlichen Leben machen, finden dort häufig keine Menschen, mit denen sie diesen Glauben leben können. Deswegen meinen manche, dass das Christentum in Tschechien mehr und mehr eine Religion der Städte wird, weil gerade in den Städten es noch möglich ist, andere zu finden, mit denen ich christliche Gemeinschaft und gemeinsam christlich engagiert leben kann."
Da während der kommunistischen Zeit oft jedwede religiöse Themen im Unterricht konsequent gemieden wurden, mangelt es heutzutage vielen Menschen an ganz allgemeinen Kenntnissen über die Bibel bzw. die Kirche. Professor Rethmann dazu:"Mein Eindruck in der Öffentlichkeit ist der, dass man in der Regel Kirche nicht kennt und natürlich auch Bibel in dem Sinne nicht kennt. Dies führt häufig dazu, dass man davon, was man nicht kennt, irgendeine diffuse Vorstellung hat - eine Vorstellung, die manchmal auch Ängste erzeugt, weil man meint, der andere könnte auch gefährlich sein. Von daher begegnet mir auch in der akademischen Öffentlichkeit häufig ein Vorbehalt gegenüber Christen und Kirche, weil man Angst hat vor einer Größe, die man nicht kennt. Das wendet sich dann häufig schnell, wenn ein persönlicher Kontakt zustande kommt, aber man muss manches Mal eine gewisse Grenze überwinden, damit es zu diesem persönlichen Kontakt kommen kann."
Professor Rethmann zufolge herrscht manchmal eine Vorstellung über die Kirche, die der Wirklichkeit nicht entspricht. Nach seiner Meinung sollten die Christen selbst durch ihr Engagement z. B. für die Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen, zur Überwindung der Barrieren beitragen.