Textilkunst aus der ganzen Welt in Südmähren
„Textile Art of Today“, auf Deutsch „Textilkunst von heute“ – so heißt ein internationales Projekt, das vor 15 Jahren in der Slowakei aus der Taufe gehoben wurde. Nachfolgend eingestiegen sind auch Tschechien, Polen und Ungarn. Die jeweiligen Kulturministerien haben die Schirmherrschaft übernommen. Alle drei Jahre wird dabei eine Wanderausstellung gezeigt, derzeit macht die neue Schau Station im südmährischen Uherské Hradiště / Ungarisch Hradisch.
Marie Markytánová ist Kustodin der diesjährigen Ausstellung in Uherské Hradiště. Sie hat nur die besten Erinnerungen an Božena Augustínová:
Triennale boomt
„Textilkunst von heute“ hat in jüngster Zeit einen großen Boom an Künstlern verzeichnet. Es habe sich gezeigt, dass gute Ideen auch in der Welt der Kunst schnell auf Resonanz stoßen, findet Marie Martykánová. Dabei ist Textilkunst eine spezifische Disziplin, die nur selten bei einer internationalen Ausstellung größeren Ausmaßes präsentiert wird. Ab 2012 begann sich der Ruf der Triennale über die mitteleuropäischen beziehungsweise europäischen Grenzen auszubreiten. Für die Hauptorganisatoren in der Slowakei bedeutete dies viel zusätzliche Arbeit.„Auf Ausschreibung der jüngsten, 5. Triennale meldeten sich 400 Textilkünstler aus 49 Ländern der ganzen Welt mit insgesamt 1000 Artefakten. Doch in solchem Umfang kann keine der teilnehmenden Galerien in der Slowakei, in Tschechien, Ungarn oder Polen ausstellen. Das Organisationskomitee und die internationalen Kommissare wählten daher die 120 besten Kunstwerke aus. Ausschlaggebend waren Innovation und künstlerische Qualität. Aber auch die Kustoden, die die Ausstellung im jeweiligen Land betreuen, kamen zu Wort. Bei den eingereichten Werken beurteilen wir die Veranschaulichung der Themen und Hauptgedanken, das Material sowie die Kombination verschiedener Materialien. Natürlich gibt es dabei auch unterschiedliche Meinungen, aber keinen Streit. Am Ende sind wir immer zu einem Konsens gekommen. Wir alle wollen ja, dass eine einmalige Kollektion entsteht“, so Marie Markytánová.
Die Ausstellungsbetreuer trafen eine Vorauswahl, „letzte Instanz“ war dann die Hauptjury. Die ausgewählten Kunstwerke sollen einen Einblick vermitteln in die heutige Szene der Textilkunst. Das Ergebnis ist dann in vier Ländern an fünf Standorten zu sehen. Neben Bratislava und Poprad in der Slowakei, dem ungarischen Budapest und dem polnischen Bielsko-Biała gehört dazu eben auch die Galerie des „Mährisch-slowakischen Museums“ („Slovácké muzeum“) in Uherské Hradiště. Dazu die Kustodin:„Wir sind stolz darauf, dass unser Museum als einziger Partner der Triennale die Tschechische Republik vertritt. Das hängt bestimmt mit Božena Augustínová zusammen. Wir alle, die sie gekannt haben und mit ihr befreundet waren, waren tief betrübt über ihren Tod im Alter von 66 Jahren. Unsere Freundschaft lebt aber weiter durch die Zusammenarbeit mit ihren Söhnen. Durch ihre Mutter, die hierzulande als tschechoslowakische Künstlerin wahrgenommen wird, haben auch sie im Grunde mährische Wurzeln.“
Die Textilkunst-Schau in der Regie der vier Visegrád-Länder ist noch nicht so bekannt wie etwa die international renommierte Tapisserie-Triennale, die Anfang Oktober 2019 ihre Tore bereits zum 16. Mal im polnischen Łódź eröffnet. Trotzdem lässt sich wegen der schnell wachsenden Resonanz von einem erfolgreichen Projekt sprechen.
Hauptpreis geht nach Holland
Die Triennale „Textile Art of Today“ ist als Wettbewerb ausgeschrieben. Zugelassen sind nicht nur professionelle Künstler und Künstlerinnen. Anmelden können sich auch Studierende der bildenden Kunst. Über die Preisverleihung entscheidet die Hauptjury. Der Grand Prix von Božena Augustínová wurde diesmal der niederländischen Künstlerin Marian Bijlenga verliehen. Außerdem gibt es den „Excellence Award“, den ein oder mehrere Künstler erhalten können. Darüber hinaus vergeben auch die Institutionen der vier teilnehmenden Länder jeweils ihre Preise. Marie Markytánová lobt die holländische Grand-Prix-Siegerin und ihre Arbeit:„Ihr Kunstwerk heißt ‚Musterpunkte groß‘. Das Attribut ‚groß‘ ist gar nicht fehl am Platz. Denn die Komposition von Marian Bijlenga besteht aus kleinen Punkten, die zu Hunderten auf einer weißen Fläche mit dem Maß von vier mal neun Meter befestigt sind. Marian Bijlenga hat dazu Pferdehaar, Garn und unterschiedliche Textilien verwendet, also Material, das weich, leicht und elastisch ist. Das gebe ihr die Freiheit, neue Formen zu entdecken. Es ist ein faszinierendes Werk mit Hunderten farbigen Punkten. Vor dem weißen Hintergrund entsteht, so sehe ich das, eine Art Weltall. Die Installation ist aber in unserer Galerie nicht zu sehen. Sie würde hier so viel Raum einnehmen, dass man einer Reihe weiteren Künstlern absagen müsste.“
Das Werk der Holländerin wurde in Uherské Hradiště durch eine Fotoaufnahme ersetzt. Diese vermittelt aber eine Vorstellung von der realen Größe des Werks, denn die Künstlerin ist bei der Installation auf einer vier Meter hohen Leiter abgebildet.Außer einer ganzen Reihe von abstrakten Darstellungen finden sich auch solche, die eine Aussage vermitteln wollen. Das gilt unter anderem für Johanna Pöykkö aus Finland. Sie stellt mittels ihrer Komposition aus handgestricktem und mit Epoxidharz farbbeschichtetem Edelstahldraht folgende Fragen, Zitat:
„Was geschieht, wenn sich das Gestrickte nicht mehr bewegen kann? Was geschieht, wenn sich alle Pflanzen unter Eis befinden? Regungsloses Leben – Stillleben. Alles ist still.“
Ein anderes Beispiel nennt sich „Carpe(t) diem“. Krista Leesi aus Estland knüpft daran zwei Bedeutungen. Ihre Assemblage aus Kunststoffklemmen mit Mindesthaltbarkeitsdaten erinnert an einen kleinen Zottel-Teppich – auf Englisch „carpet“. Die lateinische Redewendung „Carpe diem“ besagt: „Genieße den Tag“. Die Künstlerin spielt auf den Umgang der heutigen Menschen mit Umwelt und Naturressourcen an. Sie fragt, Zitat:
„Gibt es auch ein maximales Haltbarkeitsdatum für das Leben auf unserem Planeten?“