Protest: Tschechische Wikipedia abgeschaltet
Zum ersten Mal in ihrer fast 17-jährigen Geschichte ist die tschechische Wikipedia für einen ganzen Tag offline. Das Online-Lexikon ist am 21. März aus Protest gegen die in der EU geplante Reform des Urheberrechts abgeschaltet.
Nach langer Diskussion sei ein schlechterer Reformentwurf vorgelegt worden, als man gehofft habe. Das sagte Vojtěch Dostál gegenüber dem Tschechischen Rundfunk. Er ist Vorsitzender des Vereins Wikimedia Tschechische Republik.
„Problematisch sind die Artikel 11 und 13, die das freie Internet einschränken. Darauf macht unser Protest aufmerksam.“Laut Artikel 13 des geplanten Gesetzes müssten selbst kleinste Internetplattformen Urheberrechtsverletzungen ihrer Userinnen und User präventiv unterbinden. In der Praxis könnte dies nur mittels sogenannten Upload-Filtern umgesetzt werden. Den Kritikern zufolge lassen sich solche Filter aber auch missbrauchen. Zudem müssten alle Webseiten jeweils Lizenzen erwerben, wollten sie zum Beispiel kurze Textausschnitte aus Presseerzeugnissen veröffentlichen. Darauf bezieht sich Artikel elf. Dazu Vojtěch Dostál:
„Wir befürchten, dass wir als Autorinnen und Autoren von Wikipedia eine schwierigere Arbeit haben werden, wenn es komplizierter wird, nach Informationsquellen im Internet zu suchen. Und dazu würde der Artikel elf führen. Auch für alle Userinnen und User wird es schwerer sein, im Internet qualitativ hochwertige Informationsquellen zu finden.“
Die tschechische Wikipedia hat sich zum ersten Mal einem derartigen Protest zur Unterstützung eines freien Internet angeschlossen. Dostál zufolge will der Verein damit auf ein Problem aufmerksam machen, das alle Internet-Userinnen und -User beeinflussen könnte.„Es ist wichtig, dass die Menschen von der neuen Richtlinie erfahren und dass sie darüber lesen können, warum wir vom Wikimedia-Verein sie problematisch finden.“
Für die Abschaltung der tschechischen Wikipedia hatte sich eine Mehrheit der Vereinsmitglieder ausgesprochen. Aber nicht alle Mitglieder befürworten den Protest, dazu gehört auch der Philosophieprofessor Jan Sokol:
„Ich fand, dass die Argumente für den Protest ein wenig in der Luft hängen. Benutzt werden Ausdrücke, wie ,es könnte‘ oder ,es scheint‘ und Ähnliches. Und schließlich sagen alle, dass Wikipedia gar nicht betroffen sei. Ich bin nicht kompetent, um mich zu einem Thema zu äußern, das Verleger oder Zeitungsherausgeber betrifft. Natürlich ist das Internet in seiner großzügigen Freiheit gefährdet, aber nicht dadurch.“Dem Protest der deutschen Wikipedia haben sich neben der tschechischen auch die slowakischen und dänischen Online-Lexika angeschlossen. Weitere Versionen von Wikipedia bereiten sich auf einen Protest erst noch vor. Die US-amerikanische Wikimedia Foundation betreut das Lexikon als Ganzes und zahlreiche damit zusammenhängende Projekte. Sie teilte mit, Europa brauche zwar eine Urheberrechtsreform, aber den Text der Richtlinie könne sie wegen der Artikel 11 und 13 nicht unterstützen.