Arzt Karel Pacák: Anerkennung gehört allen Tschechen im Ausland
Zum 80. Geburtstag von Radio Prag hat der Tschechische Rundfunk eine Umfrage zum größten „Auslandstschechen des Jahres 2016“ ausgeschrieben. Diese hat der seit 1990 in den USA lebende tschechische Arzt Karel Pacák für sich entschieden. Er arbeitet dort am National Institute of Child Health and Human Development, einer der wichtigsten Behörde für biomedizinische Forschung. Radio Prag hat mit ihm über seine Tätigkeit gesprochen. Aber auch darüber, worin sich die Arbeit eines Arztes in Tschechien und in den USA unterscheidet.
„Ich beschäftige mich Tumoren. Genauer gesagt mit neuroendokrinen Tumoren, vor allem mit dem sogenannten Feochromozythom und dem Paraganglion. Ich arbeite daran schon seit fünfzehn oder sechszehn Jahren.“
Es handelt sich dabei um Tumore der Nebennieren. Wie sieht Ihre Arbeit konkret aus?
„Ich würde mich selbst als Hybrid bezeichnen. Ich arbeite einerseits wissenschaftlich in der Grundlagenforschung und gleichzeitig an konkreten klinischen Studien. Diese beiden Bereiche überschneiden sich oft auch. Wir am Institut lernen nicht nur aus Büchern, sondern vor allem von unseren Patienten. Unsere Erkenntnisse bringen wir ins Labor, wo wir Experimente machen. Manche dauern sehr lange, manche nur kurz. Wenn wir zu interessanten Ergebnissen kommen, bemühen wir uns, diese wieder auf die Patienten zu übertragen. Unsere Aufgabe ist es, den Patienten bei der Diagnose und Behandlung durch unsere Forschungsarbeit zu helfen und ihre Krankheit zu heilen.“
„Wir am Institut lernen nicht nur aus Büchern, sondern vor allem von unseren Patienten.“
Sie haben sich sehr früh dafür entschieden, Arzt zu werden. Wie ist diese Vision in Erfüllung gegangen?
„Sie ist hundertprozentig in Erfüllung gegangen. Wenn man sich etwas wünscht, wird es auch wahr. Manchmal ist der Weg aber lang und leidvoll. Ich wollte mich schon als Kind mit der Onkologie beschäftigen. Schon mit sechs oder sieben Jahren habe ich darüber nachgedacht. Am Gymnasium habe ich Bücher über Onkologie gelesen. Als Student habe ich mich dann an einigen Experimenten beteiligt und beim Zentrum für klinische Onkologie gearbeitet. Nach dem Abschluss kam ich in die 3. Klinik für innere Medizin in Prag, die damals eine der besten war und heute immer noch ist. Dort habe ich mich für endokrine Tumore als mein Wirkungsfeld entschieden.“
Ihr Traum war, Arzt zu werden. In der Zeit, wo es nicht üblich und eigentlich auch nicht erlaubt war, haben Sie in einer Medizin-Zeitschrift über das National Institute of Child Health and Human Development in Bethesda gelesen. Wie ist es Ihnen später gelungen, dort eine Anstellung zu bekommen? Sie müssten einer der ersten Ärzte gewesen sein, die ins Ausland legal gegangen sind…„Ich bin unmittelbar nach der Wende von 1989 in die USA gegangen. Ich wünschte mir immer, ein Praktikum dort zu machen. Geplant habe ich aber nie, dort länger zu bleiben. Ich wollte dort ein Jahr oder zwei Jahre verbringen, um einige wissenschaftliche Methoden zu erlernen und diese dann zurück nach Tschechien zu bringen. Ich stand mit vielen Personen in Kontakt und bemühte mich, irgendwo aufgenommen zu werden – in Washington, New York oder in einer anderen Stadt. Letztlich hatte ich Glück, dass ich eine Einladung vom Institut in Bethesda nahe Washington bekommen habe. Dabei handelt es sich um die größte staatliche Einrichtung in den USA. Die Einladung kam unmittelbar nach der Samtenen Revolution, und Anfang 1990 ging ich dorthin.“
„Die ersten fünf Jahre nach meiner Ankunft in den USA bin ich morgens um 3.30 Uhr aufgestanden.“
Können Sie sich noch an die Anfänge erinnern? War es nicht ein Schock für Sie?
„Es war tatsächlich ein großer Schock. Ich kam mit meinem Reisepass und 20 US-Dollar in die Vereinigten Staaten und musste dort von Null anfangen. Ich muss einräumen, dass mein Englisch damals nicht hervorragend war, obwohl ich vor allem Privatunterricht hatte. Und auch kulturell war es dort ganz anders: Man lebt dort völlig anders als hier. Die Anfänge waren daher selbstverständlich schwer. Auch die Arbeit dort war völlig neu für mich. Als ich durch das Institut geführt wurde, und mein damaliger Chef mir etwas erzählte, habe ich nur jedes fünfte Wort verstanden. Es war schwer, aber wenn man Lust und einen innerlichen Antrieb hat, ist alles möglich. Man muss aber viel Mühe aufwenden. Die ersten fünf Jahre nach meiner Ankunft in den USA bin ich morgens um 3.30 Uhr aufgestanden. Um 4.30 Uhr begann ich die Arbeit und um etwa 20 oder 21 Uhr kam ich von der Arbeit zurück nach Hause. Ein bisschen besser war es an den Wochenenden, da schlief ich bis sechs Uhr. Diese ersten fünf Jahre waren hart, andererseits habe ich aber viel gelernt. Auch ergab sich für mich dadurch die Möglichkeit zur Anerkennung meiner Abschlüsse und somit zur Arbeit mit den Patienten.“
„Der Druck auf die Ärzte während der Approbation ist in den Vereinigten Staaten wesentlich stärker.“
Kann man die Arbeit der Ärzte in den USA und in Tschechien vergleichen? Gibt es da klare Unterschiede?
„Es gibt natürlich Unterschiede. Ich hab sowohl hier als auch in den USA eine Approbation gemacht, in beiden Fällen in der inneren Medizin. Der Druck auf die Ärzte während der Approbation ist in den USA wesentlich stärker. Man muss dort jeden dritten Tag Dienst haben, wir waren manchmal bis zu 36 Stunden in der Klinik. Die Arbeit ist dort sehr anspruchsvoll und sehr kompliziert, weil dort sehr anspruchsvolle Fälle ins Krankenhaus aufgenommen werden. Eine Beobachtung oder ein leichter Eingriff sind dort kein Grund für die Hospitalisierung. Ein Arzt schläft während des Dienstes eine Stunde, ausnahmsweise höchstens zwei. Man muss auch viele Prüfungen ablegen. Eigentlich wird man jede Woche geprüft, und die Ergebnisse werden jeden Monat ausgewertet. Der Begriff innere Medizin ist in den USA breiter als in Tschechien. Hierzulande gehören dazu etwa die Neurologie, Dermatologie und Rheumatologie nicht, aber in den USA macht man alles. Die Attestation in der inneren Medizin dauert dort drei Jahre. Mir gelang es, sie in zwei Jahren zu schaffen. Ich war froh, das nach zwei Jahren hinter mir zu haben, weil es wirklich hart war.“
Und wie verhalten sich die Patienten hier und dort? Unterscheiden sie sich irgendwie?
„Ganz bestimmt. Der tschechische Patient ist ein sehr netter Patient. Die Patienten kommen dem Arzt entgegen, man unterhält sich gerne mit ihnen. Und sie fragen nicht zu viel, das ist ein interessanter Unterschied zu anderen Ländern. Die Beziehung zwischen dem Arzt und dem Patienten ist freundlicher. In den USA kommt der Patient mit vielen Kenntnissen, er sucht sich alles im Internet und interessiert sich dafür. Dort will jeder alles genau und ausführlich wissen. Das Gespräch mit dem Patienten ist komplizierter, anspruchsvoller und muss in die Tiefe gehen. Außerdem sind die Patienten in den USA nicht so freundlich wie hier in Tschechien.“
„Die Beziehung zwischen dem Arzt und dem Patienten ist in Tschechien freundlicher.“
Herr Professor, Sie haben mehrere fachliche Auszeichnungen bekommen. Nun haben Sie die Umfrage zum größten Auslandstschechen mit einem deutlichen Vorsprung für sich entschieden. Wie haben Sie von Ihrem Sieg erfahren, und was ist Ihnen durch den Kopf gegangen?
„Ich habe davon nichts gewusst. Ich wusste nur, dass meine Frau eine Nachricht bekommen hat. Sie hat mir aber gar nichts gesagt. Als die Umfrage begann, und dann die erste Runde zu Ende ging, erwähnte sie etwas. Ich sagte, du spinnst, sag mir doch nicht so etwas. Es gibt so viele hervorragende Tschechen, die im Ausland arbeiten, dass eine Auszeichnung für mich völlig unmöglich ist. Ich kann schwören, ich habe mir die Umfrage nie angeschaut. Später erfuhr ich von meiner Frau, dass meine Chancen gut aussehen. Es war sehr schön, aber ich hoffte immer noch nicht, dass ich ins Finale kommen beziehungsweise gewinnen könnte. Ich wusste gar nicht, wer die Finalisten waren, und wollte es eigentlich gar nicht wissen. Meine Frau hat die Umfrage verfolgt, und letztendlich habe ich gesiegt. Es ist überraschend, toll. Ich verstehe es aber nicht nur als Anerkennung für mich, sondern für uns alle, die im Ausland leben und aus diesem schönen Heimatland stammen. Eine Anerkennung für alle Tschechen, die gut und redlich arbeiten, die unser Land fördern und stolz darauf sind.“