Die verschwundene Mädchenburg von Děvín

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag

Mehrere Orte in Tschechien heißen „Děvín“: darunter ein Berg in Südmähren oder eine Burgruine in Nordböhmen. Děvín heißt auch ein Hügel, der sich im Naturschutzgebiet am linken Moldaufer über dem Prager Stadtteil Hlubočepy erhebt. Er ist ein beliebtes Ziel der Prager, denn von dort oben bietet sich ein schöner Blick auf Prag.

Vom Děvín bietet sich ein herrlicher Blick auf das rechte Moldauufer  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
Wenn man mit der Straßenbahn von Zlíchov Richtung Smíchov fährt, ist der Hügel auf der linken Seite nicht zu übersehen – auch wenn Děvín nur 302 Meter hoch ist. Unter dem Hügel befindet sich die Bahnhaltestelle Prag-Žvahov. Von dort ist es nach oben nicht weit, auch wenn es ein wenig steil hinaufgeht. Dank archäologischer Forschungen wisse man, dass der Ort schon vor vielen Jahrhunderten besiedelt war, sagt Jaroslava Nováková. Sie arbeitet bei der Prager Tourismuszentrale.

„Es gab hier eine prähistorische Besiedlung, wie die Ausgrabungen belegen. Aber auch in der frühslawischen Zeit war der Ort bewohnt. Das bedeutet jedoch nicht, dass hier sichtbare Spuren dieser Besiedlung erhalten geblieben wären. Auch aus der späteren Zeit, als hier eine mittelalterliche Burg stand, gibt es keine Baufragmente mehr. Štěpán aus Tetín ließ in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts die Burg bauen. Er war ein hochgestellter königlicher Schreiber und Notar am Hof von Johann von Luxemburg.“

Burg Děvín
Die Burg hatte einen kleinen Innenhof und eine Mauer mit Türmen. Sie war bis 1375 im Besitz der Herren von Tetín, dann wurde sie auf ein Kloster in Smíchov übertragen.1420 ging die Burg auf die damals selbständige Gemeinde Zlíchov über. Jaroslava Nováková:

„Sigismund von Luxemburg bezeichnete die Burg aber als unerwünscht. Sie sei ein Zentrum der Raubritter, meinte er.“

Sigismund ließ die Burg vor dem Jahr 1437 abreißen. Er war zu dieser Zeit böhmischer König. Ihm gefiel angeblich nicht, dass eine kleine Gemeinde einen solch großen Besitz hat. Was später mit dem Děvín-Hügel alles geschah, ist unklar.

Mädchenkrieg
„Ungefähr seit der Mitte des 15. Jahrhunderts gibt es keine Informationen mehr über die Burg. Wir wissen nur, dass die Bewohner aus der Umgebung die Steine von der Burgruine als Baumaterial nutzten. Der Rest der Burgruine verschwand mit der Zeit unter Gras und Sträuchern. Die Natur ist mächtig, die Fragmente der mittelalterlichen Siedlung waren irgendwann überwuchert.“

Im 16. Jahrhundert soll die Burgruine auf dem Hügel bei Militärübungen als Ziel für die Prager Artilleristen gedient haben. Auf einem Bild von 1689 sind noch Burgmauerreste zu sehen. Der Name „Děvín“ ist vom tschechischen Wort „dívka“, also Mädchen, abgeleitet. Der Legende zufolge gab es am linken Moldauufer eine Burg der Frauen – also Děvín. Die Frauen sollen die Burg nach dem Tod der böhmischen Fürstin Libuše (Libussa) errichtet haben, Libuše gilt als mythische Stammmutter der Přemysliden-Dynastie. Von ihrer Burg aus führten die Frauen angeblich Krieg gegen alle Männer. Diese hatten ihre Burg Namens Chrasten am rechten Moldauufer, wo der Vyšehrad steht. Den Kern der Legende bildet die Geschichte von Šárka und Ctirad, von der sich mehrere Komponisten und Maler inspirieren ließen. Dieser Mädchenkrieg soll mit dem Tod vieler Kämpferinnen und der Niederbrennung der Burg Děvín geendet haben. Die Legende wurde während der Jahrhunderte weiterentwickelt. In der Cosmas-Chronik wird sie anders erzählt als in den Chroniken aus der Zeit Karls IV. Der Schriftsteller Alois Jirásek nutzte die Legende in seinem Buch „Böhmens alte Sagen“.

Prokop-Tal mit sog. Prager Semmering  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
Der Hügel Děvín gehört zum Naturpark „Prokopské a Dalejské údolí“ (Prokop- und Daleje-Tal). An der nördlichen Seite des Hügels befindet sich ein Naturgebilde Namens „Ctirad“. Die Bezeichnung erinnert an einen der Haupthelden der Sage über den Mädchenkrieg. Am Děvín vorbei führt die Bahnstrecke zwischen Prag und Hostivice. Der Abschnitt von Prag-Smíchov nach Prag-Jinonice verläuft über Viadukte und wird daher auch als „Prager Semmering“ bezeichnet. Ein Teil des Hügels nennt sich Dívčí hrady, dort wurde in den 1970er Jahren ein Wasserwerk erbaut, das den Südwesten Prags mit Wasser versorgt. Der moderne Wasserturm bildet die Dominante des Hügels. Jaroslava Nováková:

Wasserturm von Karel Hubáček  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
„Der Wasserturm wurde nach dem Entwurf von Architekt Karel Hubáček erbaut, der auch den Fernsehturm auf dem Ještěd bei Liberec entworfen hat. Der Turm besteht aus drei 50 Meter hohen und 3,5 Meter breiten Stahlzylindern, die die Plattform mit der Sendetechnik stützen. Das technische Bauwerk gilt als ein Beispiel für hervorragende Architektur. Ein paar Schritte weiter bietet sich vom Děvín ein herrlicher Blick auf Prag. Gleich gegenüber am rechten Moldauufer steht der Vyšehrad. Zu sehen ist sogar das Nationalmuseum. In der Ferne ist auch Plečniks Herz-Jesu-Kirche im Stadtteil Vinohrady zu erkennen.“



Prokop-Tal  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
Auch wenn von der Burg auf dem Děvín nichts mehr erhalten ist, lohnt es sich, den Hügel zu besuchen: wegen dem herrlichen Blick auf das rechte Moldauufer und dem einzigartigen Genius loci. Am besten verbindet man den Spaziergang auf den Děvín mit einer Wanderung durch das Prokopské údolí (Prokop-Tal). Außer mit der Bahn ist der Děvín auch mit dem Bus gut zu erreichen. Der Bus Nr. 231 fährt von der Haltestelle Na Knížecí bis zur Haltestelle Dívčí hrady. Eine andere Möglichkeit ist, von der Metro-Station Radlická durch die Výmolova-Straße am Friedhof vorbei Richtung Wasserturm auf den Děvín zu spazieren.