200 Jahre Museumswesen auf dem Boden Tschechiens
Die drei größten Museen der Tschechischen Republik – das Schlesische Landesmuseum in Opava / Troppau, das Mährische Landesmuseum in Brno / Brünn und das Nationalmuseum in Prag – haben sich für ein gemeinsames Projekt zusammengetan. Es ist eine umfangreiche Veranstaltungsreihe, die daran erinnern soll, dass das Museumswesen hierzulande mittlerweile 200 Jahre alt ist. Denn alle drei Institutionen begehen innerhalb der kommenden fünf Jahre ihren jeweils eigenen runden Geburtstag. Doch mit den Veranstaltungen soll nicht nur in die Geschichte zurückgeblickt, sondern auch auf die Bedeutung der Museen für die moderne Gesellschaft hingewiesen werden.
„Das Schlesische Landesmuseum feiert in diesem Jahr und damit als erstes sein Gründungsjubiläum. Das Motto für 2014 ist daher ‚Entstehende Museen‘. Wir widmen uns dabei der Gründung und Entstehung von Museen in den Böhmischen Ländern. Das zweite Jahr unter dem Motto „Ausbildende Museen“ gilt den Museen als Bildungsinstitutionen, wobei es nicht nur um Kinder und Jugendliche geht, sondern auch um die Erwachsenenbildung. Das dritte Thema lautet ‚Helfende Museen‘. Wir bereiten spezielle Programme für Besucher mit spezifischen Bedürfnissen vor – also nicht nur für Menschen mit Behinderung, sondern auch für Senioren, ausländische Besucher und Weitere. Im Jahr 2017 ist dann das Mährische Landesmuseum mit seinem Gründungsjubiläum an der Reihe. Unter dem Motto ‚Entdeckende Museen‘ wird es sich vor allem dem Thema Wissenschaft und Forschung im Rahmen der Museumsarbeit widmen. Und das Jahr 2018 trägt den Untertitel ‚Triumphierende Museen‘. Wir werden 200 Jahre des Nationalmuseums in Prag und 100 Jahre seit der Gründung der Tschechoslowakischen Republik feiern. Wir hoffen, dass das Nationalmuseum dann in vier Jahren mit neuen auch wieder das renovierte historische Gebäude beziehen kann. Wir wollen dann eine moderne Dauerausstellung für das 21. Jahrhundert zeigen.“
Das Schlesische Landesmuseum in Opava eröffnet in diesem Jahr die Feierlichkeiten. Sein Gründungsdatum war der 1. Mai 1814. Museumsdirektor Antonín Šimčík erzählt von den Anfängen des Museums:„Das Museum entstand in einem Gebäude des staatlichen Gymnasiums von Troppau. Im Jahr 1814 entschlossen sich der Gymnasialprofessor Faustin Ens, der damalige Bürgermeister Johann Schössler und der pensionierte Hauptmann Franz Mükusch von Buchberg, ihre Natur-, Bücher- und Schriftstückesammlungen für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Sachen stammten insbesondere aus dem westlichen Teil Schlesiens, ursprünglich sollten sie in einem Museum des Altvatergebirges gezeigt werden. In Troppau wollte man mit der Sammlung den Unterricht am Gymnasium verbessern. Nach einem Jahr entstand daraus aber das Landesmuseum für das österreichische Schlesien. Dieser Kurswechsel spiegelte das Selbstvertrauen wider, das die Gründer inzwischen erlangt hatten. Das Museum setzte seine Tätigkeit dann als Landesmuseum fort.“
Das erste öffentliche Museum in den Böhmischen Ländern ging also aus den Privatsammlungen seiner Gründer hervor.„Vor allem Franz Mükusch von Buchberg war ein begeisterter Naturforscher. Wir verwalten im Schlesischen Landesmuseum bis heute seine Herbarien. Seine Natursammlung umfasste die meisten der damals bekannten Pflanzen und Mineralien. Das Museum besaß sogar schon im ersten Jahr seiner Existenz eine fast komplette Sammlung der westschlesischen Vogelarten, das waren mehr als 150 Stück. Interessant ist aber, dass die Gründer bald auch mit Schülern aus ganz Schlesien sowie zahlreichen Förderern aus dem Adel, dem Bürgertum und der Landbevölkerung zusammenarbeiteten. Das Museum war von Anfang an sehr demokratisch geführt. Es war ein sehr lebensfähiges und vom Humanismus getragenes Projekt.“
200 Jahre später besteht das Schlesische Landesmuseum aus insgesamt sechs einzelnen Museumsgebäuden und Ausstellungen in Opava und Umgebung. Anlässlich der Geburtstagsfeier am 1. Mai wird eine umfangreiche Ausstellung zur Geschichte des Museumswesens in Schlesien eröffnet. Außerdem steht ein reiches Begleitprogramm bevor.
Als zweiter Jubilar schließt sich im Jahr 2017 das Mährische Landesmuseum in Brünn den Feierlichkeiten an. Sein Direktor Martin Reissner verweist jedoch darauf, dass der offiziellen Gründung im Jahr 1817 mehrjährige Planungsarbeiten vorangegangen waren.„Als offizieller Start gilt das Jahr 1817. Denn Kaiser Franz gab damals seine Zustimmung zu dem Projekt. Wir haben aber Dokumente gefunden, dass bereits im Jahr 1808 das sogenannte Hauptinventar des Museums bestand. Das heißt, schon zwölf Jahre vor der offiziellen Gründung war die Institution in Betrieb.“
Das laufende gemeinsame Projekt will auf die Bedeutung von Museen hinweisen, ihre Aufgabe beruhe nicht nur in der Sammelarbeit. Martin Reissner:„Das Museum ist heute vor allem eine Marke. Zu dieser Marke gehören auch die wissenschaftliche Arbeit und die Bildung. Das Museum in Brünn arbeitet zum Beispiel sehr intensiv mit den Universitäten zusammen. Und außerdem muss man sagen, dass die Museen Institutionen sind, in denen Artefakte gesammelt und präsentiert werden, die sowohl alt, aber auch sehr jung sind.“
Im Rahmen der Feierlichkeiten planen die Museen zahlreiche eigene Veranstaltungen, aber auch einige gemeinsame. Im Sommer dieses Jahres soll bei einer gemeinsamen Ausstellung je ein Exponat aus jedem der Museen vorgestellt werden. Diese Exponate werden die Landesteile Böhmen, Mähren und Schlesien repräsentieren und auch weltweit von außerordentlicher Bedeutung sein.
Aus dem Mährischen Landesmuseum wird die berühmte Venusfigur aus Keramik gezeigt, sicher das in Tschechien populärste archäologische Denkmal überhaupt. Martin Reissner:„Für uns war es leicht, ein repräsentatives Exponat zu finden. Es ist die Venus von Věstonice. Wenn wir zeigen wollen, was aus Mähren wirklich interessant ist, dann sind dies Mendel und seine wissenschaftlichen Forschungen, Leoš Janáček, unser berühmtester Komponist des 20. Jahrhunderts, und eben die Venus. Diese kleine Statue ist ein Stück Kultur aus dem mährischen Raum, das wirklich alt ist.“
Das Alter der Venus wird auf 25.000 bis 29.000 Jahre geschätzt. Die elf Zentimeter hohe Figur wurde 1925 während archäologischer Ausgrabungen in Dolní Věstonice / Unterwisternitz in Südmähren gefunden. Aus dem dritten Jahrhundert vor Christus stammt das Stück, das das Nationalmuseum in Prag für die Ausstellung bereitstellt. Michal Lukeš:„Eines der bedeutendsten und auch bekanntesten Exponate des Nationalmuseums ist der ‚Steinkopf aus Mšecké Žehrovice‘. Das ist ein weltweit einzigartiger archäologischer Fund, der 1943 nicht weit von Prag gemacht wurde. Es handelt sich um die einzige figurale Darstellung eines Kelten weltweit. Der Kopf der Figur zählt zu den Ikonen des Nationalmuseums.“
Das Exponat des Schlesischen Landesmuseums wird indes kein von Menschen geschaffenes Erzeugnis sein, sondern ein Meteorit. Trotzdem sei es auch kulturgeschichtlich von Bedeutung, betont Antonín Šimčík:
„Theoretisch ist es zwar ein einziges Exponat, in Wirklichkeit besteht es aber aus etwa neun Stücken. Es handelt sich um den so genannten Meteoriten von Kylešovice. Das Naturexponat hat deswegen auch im kulturhistorischen Kontext eine große Bedeutung, weil die Stücke bei der Erforschung einer altsteinzeitlichen Siedlung aus der Zeit von 18.000 Jahren vor Christus in einem Stadtteil von Opava gefunden wurden. Die Stücke des Meteoriten können sich nicht zufällig an einem gemeinsamen Ort befunden haben. Damalige Bewohner der Gegend müssen diese Stücke des Himmelskörpers gefunden, eingesammelt und in ihr Lager gebracht haben.“Die Ausstellung wird zwischen Juli und September von Troppau, über Brünn nach Prag wandern. Nähere Informationen zu allen Veranstaltungen des Projekts lassen sich auf der Webseite www.200letmuzejnictvi.cz finden.