Musikmuseum im Rhythmus von Walzer und Polka
Das Prager Nationalmuseum veranstaltet seit dem vergangenen Jahr einen Zyklus von Ausstellungen. Ziel dieses Zyklus ist es, die Atmosphäre der Habsburger Monarchie zu vermitteln. Durch einige der Ausstellungen haben wir Sie in unseren Sendungen bereits geführt. Die letzte Ausstellung aus diesem Zyklus wurde nun im Tschechischen Museum für Musik eröffnet.
„Wir haben zunächst überlegt, wie man Tänze in einer Ausstellung präsentieren kann. Der Walzer und die Polka gehören zur Geschichte des ganzen 19. Jahrhunderts. Deshalb konzentrierten wir uns auf die Musik, zu der damals getanzt wurde. Und wir zeigen die typischen Ballsäle, in denen damals getanzt wurde. Wichtig fanden wir auch den gesellschaftlichen Hintergrund. Besondere Aufmerksamkeit widmen wir den ersten tschechischen und slawischen Bällen, die sehr gefragt und populär waren.“
Allgemein werde der Walzer für einen Salontanz und die Polka für einen Volkstanz gehalten. Dies stimme aber nicht, sagt Eva Paulová. Es gab bestimmte Vorgänger der beiden Tänze, die im Volkstum in Mitteleuropa verbreitet waren und durch die Bälle haben sich sowohl Walzer als auch Polka im bürgerlichen Milieu als Gesellschaftstänze etabliert. Die beiden Tänze haben sich der Kuratorin zufolge im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelt und auch gewandelt: Es kamen nämlich immer neue Figuren hinzu. Anfang des 19. Jahrhunderts galt der Walzer als revolutionär. Denn die Haltung beim Tanz war für die damaligen Verhältnisse viel zu eng. Die ältere Generation hat den Walzer damals sogar für unsittlich und schädlich gehalten. Trotz des revolutionären Charakters des Walzers boten die Bälle aber damals nicht viel Raum für eine Rebellion. Die Reihenfolge der Tänze sowie die Auswahl der Tanzpartner waren bei den Bällen meistens vorgegeben.„Jeder Ball hatte einen Ausschuss, der eine Tanzordnung für Damen und für Herren zusammenstellte. Die Damen erhielten ihre Tanzordnung vom Ballausschuss. Diese Tanzordnung wurde meistens am Kleid oder am Fächer befestigt. Die Tänzerinnen hatten einen kleinen Bleistift, mit dem der Tanzpartner für einen bestimmten Tanz im Voraus in die Tanzordnung eingetragen wurde. Dies war eine fast wissenschaftliche Angelegenheit. Es galt zwar als unhöflich, einen Tänzer abzulehnen, aber es gab die Möglichkeit, einen Tanz zu verweigern, wenn der Mann der Dame vorher nicht vorgestellt worden war. Die Herren hatten nur einfache Kärtchen, auf die sie sich notierten, welchen Tanz sie welcher Dame versprochen haben, um ihn nicht zu versäumen.“ Heutzutage gibt es keine Tanzordnungen mehr. Auch die Tanzregeln aus dem 19. Jahrhundert hätten sich inzwischen bedeutend geändert, sagt Eva Paulová:„Der Walzer wird heutzutage bei Standarttanzwettbewerben getanzt. Beim Walzer hat sich die Haltung während der Jahrzehnte stark geändert. Polka wird bei Wettbewerben im Ausland kaum getanzt, auch wenn sie dort verbreitet ist. In Tschechien wird aber sogar eine Polka-Meisterschaft ausgetragen.“
Die Bezeichnung ´Polka´ hänge höchstwahrscheinlich mit der polnischen Revolution von 1830 zusammen, so die Kuratorin. Sie habe ein großes Echo in den tschechischen Kreisen gefunden. 1840 wurde die Polka schon in Paris getanzt und von dort aus habe sie sich nach Großbritannien und in die USA verbreitet.
Die Ausstellung über Walzer und Polka beginnt mit Portraits von Komponisten, die sich mit diesen Tänzen beschäftigt haben. Die Kuratorin:
„Wolfgang Amadeus Mozart schrieb in einem seiner Briefe während seines ersten Prag-Aufenthaltes, dass in Prag auf Melodien aus seinen Opern die sogenannten ´Contredanse´ und Ländler getanzt wurden. Ländler waren Volkstänze, die auf dem Gebiet Südwestböhmens, Bayerns und Österreichs getanzt wurden. Und der Walzer hat sich eben aus den Ländlern entwickelt. Kurz nach Mozart kamen Beethoven, Weber und Schubert, die schon echte Walzer geschrieben haben. Es wird behauptet, dass der überhaupt erste Walzer bereits Ende des 18. Jahrhunderts in Wien in der Oper ´Una cosa rara´ getanzt wurde.“
„Von der damaligen Popularität des Walzers und der Polka zeugt die herrliche graphische Gestaltung der Notenhefte, die verkauft wurden. Sie waren mit Figuren von Tänzerinnen und Tänzern sowie Bildern von Tanzsälen geschmückt. Interessant daran ist, dass die Verleger damals versuchten, höchst aktuell zu sein. Es gab die so genannten Ballproben. Wenn eine Komposition bei den Proben erfolgreich war, bemühten sich die Verleger, sie noch in der Faschingszeit als Schlager der Saison herauszugeben. Im 19. Jahrhundert hat man nämlich vor allem in der Faschingszeit getanzt. Während der Faschingszeit wurden zudem Maskenbälle veranstaltet. Am berühmtesten waren die vom Turnverein Sokol organisierten Maskenbälle – sie wurden ´šibřinky´ genannt.“
Die Besucher können im Museum sowohl einzigartige Musikaufnahmen hören, als auch einige wertvolle Exponate bewundern.„Wir zeigen hier beispielsweise Handschriften von Smetanas Polkas und Dvořáks Walzern. Zu den berühmtesten Polkas gehört jene aus Smetanas Oper ´Die verkaufte Braut´ oder die Polka aus seinem Streichquartett ´Aus meinem Leben´.“
Auch Originalnoten von Jaromír Vejvodas Polka „Rosamunde“ sind im Museum zu sehen. Die erste Fassung der Komposition stammt aus dem Jahr 1927.Die Besucher können im Museum bei einer Videovorführung die Fähigkeiten der Meister der Tschechischen Republik im Polkatanz bewundern und dabei die eigene Begabung testen.
„Die Interessenten können bei uns mit Hilfe von Videoaufnahmen auch tanzen lernen. Und wenn ihnen der Tanzpartner fehlt, zaubert der Computer einen Tänzer herbei, mit dem sie üben können.“
Die Ausstellung „Das Jahrhundert des Walzers und der Polka“ ist im Tschechischen Museum für Musik auf der Prager Kleinseite bis zum März 2014 zu sehen.Fotos: Archiv des Nationalmuseums