Zeichen der Entspannung – unaufgeregte Berichterstattung über Sudetendeutschen Tag
Seit vielen Jahrzehnten treffen sich die aus der Tschechoslowakei nach 1945 vertriebenen Sudetendeutschen zu Pfingsten in Bayern beim Sudetendeutschen Tag. Die Themen der dort gehaltenen politischen Reden sind seit vielen Jahren ähnlich: Es wird die Aufhebung der so genannten Beneš-Dekrete gefordert und tschechische Politiker werden aufgefordert, in einen direkten Kontakt mit Vertretern der Sudetendeutschen Landsmannschaft zu treten. Wie wird nun dieses Jahr mit dem sudetendeutschen Pfingsttreffen in Tschechien umgegangen? Ist es überhaupt ein Thema? Dazu das Politgespräch mit dem Politologen Robert Schuster.
„Das ist heute nicht mehr der Fall. Vor allem nach dem EU-Beitritt Tschechiens im Jahr 2004 ist eine wirklich für alle zu spürende Entspannung im Verhältnis zu den Sudetendeutschen eingetreten. Auch wie diese Veranstaltung in den tschechischen Medien dokumentiert wird, lässt sich nicht mit den frühen 1990er Jahren vergleichen. Ab und zu kommt es natürlich immer wieder zu Situationen, in denen zum Beispiel Politiker, die beim Pfingsttreffen auftreten, irgendwelche markigen Sprüche klopfen. Die werden dann aufgegriffen. Aber es scheint mir, dass die nur dann aufgegriffen werden, wenn es keine anderen Themen gibt. Ich würde sagen, dass dieses Thema, also der Sudetendeutsche Tag, das Pfingsttreffen usw. in Tschechien schon fast abgehakt ist. Es gab Ausnahmefälle, vor allem im Jahr 2002. Vor dem Wahlkampf in Tschechien wurde die Stimmung auf dem Pfingsttreffen sehr angeheizt, das konnte man sehr stark noch in den letzten Wahlkampfwochen in Tschechien spüren. Oder 2005, als zufälligerweise am gleichen Tag, an dem das Pfingsttreffen stattfand, eine Edvard-Beneš-Statue vor dem Prager Außenministerium enthüllt wurde. Das waren noch Themen, die es in sich hatte. Aber sonst wird das Thema eigentlich unter `ferner liefen` abgehandelt.“
In der Montagsausgabe der Mladá Fronta Dnes gab es einen kleinen Artikel auf Seite zwei über den Sudetendeutschen Tag. Wie war das allgemeine Echo in den tschechischen Medien auf das Treffen?„Meiner Meinung nach ist der Artikel in der Mladá Fronta symptomatisch. Es gab noch Zeiten, wo das öffentlich-rechtliche Tschechische Fernsehen seinen Deutschland-Korrespondenten, nach München, Augsburg oder Nürnberg beordert hat, und der hat dort über das ganze Wochenende Reportagen gesendet. Da hatte man wirklich das Gefühl, dass dieses Thema wichtig ist oder als wichtig wahrgenommen wird. Mittlerweile taucht dieses Thema, wenn überhaupt, in Zeitungen oder Medien auf, die eine spezifische Leserschaft haben. Zum Beispiel die Tageszeitung Právo, die frühere Parteizeitung Rudé právo. Sie ist eine Zeitung, die heute zwar linksliberal ist, bei der aber immer noch ein sehr wichtiger Leserstamm Menschen sind, die zur so genannten Erlebnisgeneration gehören. Das sind Menschen, die an den Zweiten Weltkrieg und was damit zusammenhängt noch eine direkte persönliche Erinnerung oder Erfahrung haben und die reagieren natürlich auch auf diese Themen sensibler. Deshalb bringen die Zeitung Právo und auch der Internetdienst novinky.cz dieses Thema noch an relativ prominenter Stelle. Aber die anderen Medien sind bereits sehr zurückhaltend.“
Wie schon in den vergangenen Jahren, haeb sich auch diesmal die meisten Redner beim Pfingstreffen der Sudetendeutschen Landsmannschaft an Tschechiens Präsident Václav Klaus gerieben. Dabei geht es meisten um dessen angeblich unnachgiebige Haltung gegenüber den Vertriebenen. Zu Recht?„Václav Klaus ist in seinen Haltungen konsequent. Das ist etwas, was man in der Politik heutzutage nicht mehr sehr oft sieht. Klaus hat sich zum Thema ´Vertriebene´ oder zum Verhältnis der offiziellen tschechischen Politik gegenüber den Vertriebenenverbänden immer sehr klar geäußert. Er hat immer eine sehr klare Trennlinie gezogen: Wir sind die offiziellen Vertreter der Tschechischen Republik, das sind Vertreter einer Interessensgemeinschaft. Daher könne niemand erwarten, dass man mit jenen einen direkten Kontakt, direkte Gespräche aufnehme. Natürlich ist das nicht unbedingt hundertprozentig konsequent, denn der Staat spricht natürlich auch mit anderen Interessensvertretern. Klaus aber hat diese Haltung zuletzt auch zum Beispiel bei der Ratifizierung des Lissabon-Vertrags geäußert. Dort hat er eine Art Sicherungsklausel durchgesetzt. Sie soll garantieren, dass die so genannte Grundrechtecharta der Europäischen Union nicht zur Verschiebung oder zur Aufhebung der bestehenden Eigentumsverhältnisse in Tschechien, also in Bezug auf die so genannten Beneš-Dekrete und mögliche Forderungen, führt. Das ist etwas, wo Václav Klaus wirklich konsequent ist. Auf der anderen Seite muss man fairerweise sagen, dass Klaus zu jenen Politikern gehört, die in der Vergangenheit bei verschiedenen Anlässen auch ihr Bedauern geäußert haben, über die Ereignisse nach 1945, als es zu den so genannten wilden Vertreibungen gekommen ist, bei denen nachweislich unschuldige Menschen ums Leben gekommen sind. Václav Klaus ist sicherlich konsequent, aber ihn als einen herzlosen Pragmatiker darzustellen wäre wahrscheinlich zu eng
gefasst.“Wir können also feststellen, dass es zu einer allgemeinen Entspannung kommt. Könnten da die Besuche Seehofers in Tschechien eine Rolle gespielt haben?
„Auf jeden Fall. Das war ein wichtiger Tabubruch. Ich erinnere nur an die Pfingsttreffen der Sudetendeutschen, bei denen noch Edmund Stoiber als bayrischer Ministerpräsident Hauptredner war. Er hat mehrmals erklärt, solange die so genannten Beneš-Dekrete aufrechterhalten werden, solange werde er nicht nach Prag kommen. Und Seehofer war in den vergangenen Jahren mindestens zweimal in Prag, wenn ich mich nicht täusche. Und die Beneš-Dekrete gelten immer noch, also pro forma oder de jure. Das zeigt auch, dass es eben in den Beziehungen auch auf dieser politischen Linie zwischen München und Prag zur sehr positiven Entwicklung gekommen ist, und das dieses Thema mittlerweile nicht mehr so relevant wie früher ist.“