Trauriges Jubiläum: Erster Transport tschechischer Juden vor 70 Jahren

Am Sonntag jährte sich ein trauriges Jubiläum. Vor 70 Jahren wurden die ersten Juden aus dem Protektorat Böhmen und Mähren deportiert. Dieser erste organisierte Transport ging aber nicht nach Theresienstadt, sondern nach Polen, in das Ghetto Lodz.

Theresienstadt
Am 16. Oktober 1941 begannen die deutschen Besatzer mit der organisierten Deportation der Juden: Bis zu den ersten Transporten in das nordböhmische Theresienstadt gingen fünf Transporte mit jeweils 1000 Menschen in das Ghetto im polnischen Lodz. Michal Frankl, Historiker und stellvertretender Direktor des Jüdischen Museums in Prag, sieht den Beginn der organisierten Deportationen im Kontext:

„Die Deportationen der tschechischen Juden fanden im Rahmen eines größeren Plans von Deportation der europäischen Juden statt. Zur selben Zeit beginnen auch Deportationen der deutschen und österreichischen Juden nach Lodz und anschließend in weitere Ghettos und Konzentrationslager.“

Michal Frankl | Foto: Radio Prague International
Die deutsche Besatzung Tschechiens begann bereits im Frühjahr 1939. Die Juden waren da bereits über ein Jahr den deutschen Schikanen ausgesetzt, und es gab auch schon vor dem Transport im Oktober Versuche, die Menschen zu deportieren. Michal Frankl:

„Der erste Versuch, tschechische Juden zu deportieren, war die so genannte Aktion Nisko oder der Nisko-Plan. Das war ein Versuch im Oktober 1939, österreichische und tschechische Juden in die Region um Lublin zu deportieren und dort eine Art `jüdisches Reservat´ zu schaffen. Es war ein Experiment von Adolf Eichmann, die Aktion selbst wurde später gestoppt, und ein Teil der tschechischen Juden durfte zurückkommen.“

Reinhard Heydrich
Zwei Wochen nach Reinhard Heydrichs Ernennung zum stellvertretenden Reichsprotektor begannen die organisierten Transporte. Sie kamen für die Menschen überraschend und folgten zunächst keinem Schema:

„Die Auswahl der Deportierten für die ersten Transporte war vor allem chaotisch. Der Befehl an die jüdische Gemeinde Prags, die Transporte zu organisieren, war eine große Überraschung. Alles geschah in einer sehr kurzen Zeitspanne. Die Transporte waren sehr heterogen, was die soziale oder auch andere Zusammensetzung der Deportierten angeht.“

Eine Besonderheit wiesen diese ersten Transporte nach Lodz jedoch auf. Historiker Frankl zum Forschungsstand:

„Wir wissen, dass eine relativ große Anzahl von Flüchtlingen in diesen Transporten waren, vor allem Flüchtlinge aus dem Sudetenland. Wir können aber nur spekulieren, dass diese Menschen schon auf Auswanderungslisten beziehungsweise auf Listen der sozialen Fürsorge der jüdischen Gemeinde standen.“



Im November begann dann die systematische Deportation nach Theresienstadt. Heydrich ließ die alte österreichische Festung umbauen zu einem „Sammel- und Durchgangslager“. Bis heute ist nicht ganz klar, ob es sich bei Theresienstadt um ein Ghetto oder ein Konzentrationslager gehandelt hat. Zum Schicksal vieler europäischer Juden wurde es trotzdem.

Anlässlich der Deportationen veranstaltet das Jüdische Museum eine Reihe von Diskussionen und Zeitzeugengesprächen vom 16. bis zum 27. November, in deren Rahmen der schrecklichen Ereignisse gedacht wird.