Steigerung der Konkurrenzfähigkeit nur über bessere Bildung und Fortbildung erreichbar

„Neue Besen kehren gut“ oder „Wir müssen jetzt jede Krone zweimal umdrehen, bevor wir sie ausgeben“. Diese und ähnliche Schlagwort-Sätze haben jetzt gerade Hochkonjunktur in Tschechien, wo sich eine neue Mitte-Rechts-Regierung anschickt, der fortwährenden Staatsverschuldung energisch zu Leibe zu rücken. Die Botschaft „Wir wollen keine griechischen Verhältnisse“ ist durchaus angekommen in der tschechischen Bevölkerung, nur über das „Wie“ und „Wehe“ der bisherigen Schritte in der Sparpolitik des Kabinetts Nečas wird mehr und mehr gestritten. Eine Thematik, die einmal mehr auch die tschechische Tagespresse in ihren Kommentarspalten aufgreift.

In der Tageszeitung Mladá fronta Dnes hinterfragt der Soziologe Ivan Fišera zunächst, ob alle von der Regierung bereits verkündeten Sparmaßnahmen auch immer an der richtigen Stelle und in einem vernünftigen Tempo angegangen werden. Es sei natürlich, dass man alles Überflüssige entfernen oder zumindest beiseite legen könne. Und Überflüssiges gäbe es noch mehr als genug, schreibt Fišera, um sofort einzuschränken:

„Aber was die existenziellen Grundlagen für ein gutes Funktionieren des Staates sind, also vor allem die innere und äußere Sicherheit, die für die Wirtschaft unabdingbare Infrastruktur oder die Kapazitäten für eine qualifizierte strategische Entscheidungsfindung des Staates, das muss nicht nur gewahrt, sondern auch schnell und intelligent konsolidiert werden.“

Feuerwehrleute wollen gegen die Lohnkürzung demonstrieren
Mit anderen Worten, die „Rasenmäher-Methode“ des Kabinetts Nečas, mit der man den Eindruck der sozialen Gerechtigkeit bei der Schulterung der Entschuldung erwecken will, kann ohne Zweifel nach hinten losgehen, wenn sich Nečas und seine Minister den Ast selbst absägen, auf dem sie sitzen. Die Polizisten und Feuerwehrleute waren nicht von ungefähr die ersten, die angekündigt haben, dass sie gegen die ihnen von der Regierung offerierten Lohnkürzungen demonstrieren werden. Das materielle und intellektuelle Kapital des Landes dürfe nicht gefährdet werden, sondern müsse so erhalten und gefördert werden, dass die Tschechische Republik immer genügend Quellen haben müsse, um ihre internationale Konkurrenzfähigkeit zu stärken, so Fišera.

...und auch Polizisten
In seinen weiteren Ausführungen verweist er darauf, dass die Regierung mit ausschließlich unsensiblen Sparmaßnahmen in der Gesellschaft ein Klima schaffe, dass für die schweren Prüfungen, die auf das Land jetzt warten, unerträglich sei. Wegen der notwendigen Optimierung der staatlichen Verwaltung sowie der dauerhaften Stagnierung der Auftragslage bei den Firmen werde sich auch Tschechien schon bald mit einer wachsenden Langzeitarbeitslosigkeit auseinandersetzen müssen. Und dann sollte es hierzulande nicht zu den oft eigenwilligen und teilweise auch chaotischen Entscheidungen kommen, wie sie eine Reihe von europäischen Regierungen bereits gezeigt hätten. Fišera rät zu einer „Steigerung der Konkurrenzfähigkeit unserer eigenen Bürger“, die nur über bessere und dauerhafte Bildung und Fortbildung zu erreichen sei. Sehr kritisch merkt er dazu an:

„Die Geldverschwendung für den Traum einer gebildeten Gesellschaft und einer tschechischen Genialität muss aufhören. Unser Bildungssystem muss vielmehr grundlegend entstaubt und durchlüftet werden. Auch Erwachsene müssen ständig geschult oder neu qualifiziert werden, und diese Prozesse müssen streng koordiniert und an die Erfordernisse der Unternehmersphäre angepasst werden.“

Das müsse den Politikern bewusst sein, denn es sei bereits kurz vor Zwölf, schließt Fišera seinen Kommentar in der Mladá fronta Dnes.

Verhandlung der Roma-Minderheit mit Schulminister Josef Dobeš und dem Minister für Arbeit und Soziales Jaromír Drábek in Ústí nad Labem  (Foto: ČTK)
Die Tageszeitung Lidové noviny befasst sich mit diesem Thema zwar nur am Rande, dafür aber zu einer sehr spezifischen Problematik: der Bildung der Roma-Minderheit. Gemeinsam mit Schulminister Josef Dobeš und dem Minister für Arbeit und Soziales Jaromír Drábek war der scheidende Menschenrechtsbeauftragte der Regierung, Michael Kocáb, am Montag in mehreren Orten des Kreises Ústí nad Labem / Aussig unterwegs. Dort haben sie ein neues staatliches Programm zur Sozialförderung vorgestellt, und zwar in Orten, in denen eine große Anzahl von Angehörigen der Roma-Minderheit leben. Eine der Kernaussagen des Programms ist: Familien, deren Kinder nicht in die Schule gehen, wird man einen Teil der sozialen Zuwendungen kürzen. Daniel Kaiser lobt diese Herangehensweise in seinem Kommentar ausdrücklich und zitiert dazu auch Minister Drábek mit den Worten:

Michael Kocáb  (Foto: ČTK)
„Wenn der Staat euch etwas gibt, dann will er dafür von euch auch etwas haben.“

Kaiser bemerkt, dass diese Aktion eine der ganz wenigen gelungenen sei, die Kocáb in seiner Amtszeit als Menschenrechtsbeauftragter vorzuweisen habe. Gleichzeitig wirft der Autor die Frage auf, weshalb eine solch simple Maßnahme eigentlich keinem anderen Verantwortlichen schon viel früher in den rund 20 Jahren nach der Wende eingefallen sei. Dann hätte man sicher schon jetzt eine stärkere Mittelschicht unter den jungen Roma. Und diese Schicht hätte bereits eine Vorbildfunktion innerhalb der Roma-Minderheit einnehmen können, so Kaiser.