Der Salesianer-Orden in Kobylisy: erst vertrieben, dann wiedergekehrt

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Die Ordensgemeinschaften wurden in der ehemaligen Tschechoslowakei zwei Jahre nach dem kommunistischen Putsch aufgelöst und verboten. Erst nach der Wende durften die Kirchenorden ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. In ihr Prager Institut, aus dem sie 1950 vertrieben wurden, kehrte nach 40 Jahren auch die Ordensgemeinschaft der Salesianer Don Boscos zurück. Auch wenn das Salesianerzentrum vor allem Kindern und Jugendlichen dient, wimmelte es dort vor kurzem von Frauen und Männern, die eher zur Generation der Großeltern gehörten. Im Schulalter haben aber haben diese Damen und Herren einst das Salesianerinstitut in Kobylisy besucht, noch bevor es geschlossen wurde.

In den 1930er Jahren war hier die Prager Peripherie. Heutzutage sind es aus dem Stadtzentrum knapp zehn Minuten mit der Metro bis zum Kobylisy-Platz. Von der Metro-Haltestelle Kobylisy kommt man direkt zum Salesianerzentrum und der nebenan stehenden Kirche. Die Kirche der heiligen Therese aus Lisieux ist einer der jüngsten Sakralbauten in Prag. Sie entstand durch die Erweiterung und einen gründlichen Umbau der gleichnamigen Kapelle, die 1937 erbaut wurde. Ursprünglich sollte sie nur dem neuen Salesianerinstitut dienen. Denn es wurde geplant, für den Stadtteil Kobylisy eine größere Pfarrkirche zu bauen. Dazu ist es jedoch nie gekommen. Aus der Theresienkapelle, die ursprünglich als eine Notlösung gedacht wurde, ist die Pfarrkirche geworden, die heutzutage nicht nur den Bewohnern von Kobylisy, sondern auch denen aus den Plattenbausiedlungen in Prosek und in Bohnice dient.

Josef Pešata stammt aus Kobylisy. Er war dabei, als die Ordensgemeinschaft der Salesianer hier zu wirken begann. Er habe bei ihnen eine schöne Jugend verbracht, erzählt der Mann, der das Treffen der ehemaligen Besucher des Salesianerhauses initiierte.

Ladislav Heryán  (Foto: Martina Schneibergová)
„Den Salersianern begegnete ich zum ersten Mal 1936. Damals besuchte der spätere Kardinal Štěpán Trochta das hiesige Theater und erzählte dort davon, er beabsichtige ein Salesianerheim für Jugendliche zu bauen, die keine Familie haben. Ein Jahr später habe ich schon mit meinem Bruder das Salesianerzentrum besucht. Damals leitete ein gewisser Pater Januš das Zentrum. Er war ein hervorragender Musiker, schrieb Lieder und Operetten und unterrichtete Klavier. Nach der Schule sind wir immer gern hierher gerannt. Denn es gab hier einen Fußball- und einen Volleyballplatz, im Saal konnte man Tischtennis spielen.“

Jiří Kopic kam erst einige Jahre später als Herr Pešata in das Salesianerhaus:

„Ich war sechs Jahre alt, als ich begann, das Salesianerzentrum zu besuchen. Das war im Februar 1940. Ich wusste zuerst nicht, was ich hier machen soll, denn alle haben gespielt und ich kannte niemanden. Aber dann kam ein Assistent, hat mir alles erklärt und ich fühlte mich hier wie zu Hause. Es wurde hier viel Theater gespielt, und mit 7 Jahren durfte ich schon die Hauptrolle in einem Stück spielen. Ich besuchte das Zentrum in den Jahren 1940 bis 1950 fast jeden Tag. Im April 1950 haben die Kommunisten das Salesianerhaus geschlossen.“

Das Areal wurde damals vom Staat beschlagnahmt. Miroslav Šittner war als Halbwaise im Salesianerheim untergebracht. Er schlief dort auch in der Nacht, die in Tschechien manchmal die „tschechoslowakische Bartholomäus-Nacht“ genannt wird. In der Nacht überfiel die Geheimpolizei die Klöster und Ordenshäuser in der ganzen Republik, verhaftete Ordensmitglieder und schickte sie in Gefängnisse oder Arbeitslager. Šittner erinnert sich:

„Ich habe hier in der Nacht vom 13. auf den 14. April übernachtet. Das Erlebnis können wir Zeitzeugen nicht vergessen. Die Situation war damals schon sehr gespannt. Es war um Mitternacht, plötzlich haben wir Lärm gehört und im Schlafzimmer sind drei SNB-Angehörige mit Maschinengewehren in der Hand aufgetaucht.“

Šittners Freund, der Priester werden wollte, wurde verhaftet und abgeführt. 47 Salesianer wurden in den politischen Prozessen in den Jahren 1948 bis 1950 zu insgesamt 244 Jahren Gefängnis verurteilt.

Erst nach der Wende von 1989 wurde ein Teil des Areals in Kobylisy allmählich wieder an die Ordensgemeinschaft übertragen. Ladislav Heryán wurde kurz vor der Wende geheim zum Priester geweiht. Heute leitet er das Salesianerzentrum in Kobylisy:

„Unsere Arbeit im Zentrum würde ich in zwei Bereiche teilen. Erstens sorgen wir für die Pfarrei, die die am meisten besuchte Pfarrei in Prag ist. Zweitens gibt es hier ein Jugendzentrum. Kurz gesagt, es kommen hierher einerseits Kinder aus funktionierenden Familien. Andererseits besuchen uns auch an die 350 Kinder, die keine solche funktionierende Familie haben. Für diese Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren ist hier ein Klub eingerichtet.“

Foto: Martina Schneibergová
Zum Salesianerzentrum gehört auch ein modern ausgestattetes Theater. Die Salesianer stellen die Bühne vor allem professionellen Theaterensembles sowie Schulen zur Verfügung. In Prag sind zurzeit insgesamt 23 Mitglieder der Ordensgemeinschaft tätig. Mit den Kindern und Jugendlichen im Zentrum arbeiten hauptsächlich Freiwillige zusammen.

Die Salesianer gründeten vor Jahren auch einen Verlag, der inzwischen einen sehr guten Ruf hat. Der Verlag hat auch in Kobylisy seinen Sitz. Ladislav Heryán:

„Der Verlag entwickelte sich aus dem Samizdat-Magazin ´Lektüre im Rucksack´. In der Gesellschaft herrschte nach der Wende von 1989 eine große Nachfrage nach pädagogischer Literatur, und so entschieden wir, uns auf die psychologische und pädagogische Literatur zu konzentrieren. Es ist notwendig, mindestens zwei Bücher pro Woche herauszugeben, damit sich der Verlag lohnt. Heutzutage gehört dieser Verlag ´Portál´ zu den zehn größten Verlagshäusern bei uns. Jährlich erscheinen hier etwa 100 Bücher, viele davon werden vor allem von Hochschulstudenten sehr geschätzt.“

Damit sind wir fast am Ende des heutigen Spaziergangs durch das Salesianerzentrum angelangt, das in den 1930er Jahren von Štěpán Trochta errichtet wurde. Trochta wurde 1947 zum Bischof ernannt, in den Jahren 1949 bis 1968 durfte er jedoch seine Pastoraltätigkeit nicht ausüben. 1969 ernannte ihn Paul VI. zum Kardinal. Falls Sie wissen, welche Diözese in Böhmen Trochta als Bischof leitete, können Sie es uns schreiben. Denn so lautet unsere Quizfrage, für deren richtige Beantwortung Sie ein Buch über Prag gewinnen können. Ihre Zuschriften richten Sie an Radio Prag, Vinohradská 12, PLZ 120 99 Prag 2, Tschechien.

In der Sendung im Juli fragten wir Sie nach dem deutschen Namen des Stadtteils Karlín – Die richtige Antwort ist Karolinenthal. Ein Buch geht diesmal an Tilo Wiesbach aus Rheinfelden.