„Im Reich des Hodensack-Bimbams von Prag“ – Jan Faktor für Deutschen Buchpreis nominiert

Jan Faktor

Jan Faktor kommt aus Tschechien, aus Prag. Seine Muttersprache ist Tschechisch. Der Schriftsteller lebt jedoch seit über 30 Jahren in Deutschland und er schreibt auf Deutsch. Und das tut er so gut, dass sein neuester Roman für den Deutschen Buchpreis 2010 nominiert wurde. Im Oktober wird der Preis auf der Frankfurter Buchmesse verliehen. Im Gespräch für Radio Prag erzählt er von seinem neusten Buch und seiner literarischen Vergangenheit.

Jan Faktor
Herr Faktor, Ihr neuester Roman wurde für den Deutschen Buchpreis nominiert, zusammen mit 19 weiteren deutschsprachigen Neuerscheinungen. Ihr Buch trägt den sehr langen Titel „Georgs Sorgen um die Vergangenheit oder im Reich des heiligen Hodensack-Bimbams von Prag“. Diese Hauptperson Georg, wer ist das und was erlebt er in Ihrem Buch?

„Die Figur an sich ist sehr alt. Ich habe schon Anfang der 80er Jahre die ersten Texte über Georg geschrieben und hatte irgendwann keine Lust mehr, immer neue Namen zu verwenden. Dann habe ich mich für Georg entschieden, und seitdem taucht er immer wieder in meinen Texten auf. Einerseits steckt sehr viel von mir persönlich in dieser Figur, andererseits auch nicht. Ich kann mich sehr gut hinter ihr verstecken. Das ganze Buch zu erzählen wäre ein bisschen zu viel. Es geht um Kindheit, Jugend und um Prag in den 50er, 60er und 70er Jahren – um Cliquen, Familien und auch viel um Politik.“

Bei der Veröffentlichung des Buches im Mai haben Sie gesagt, „Georgs Sorgen um die Vergangenheit“ sei ein sehr tschechisches Buch, es sei eben nur auf Deutsch geschrieben. Warum glauben Sie, hat so ein „sehr tschechisches Buch“ solch einen Erfolg in Deutschland?

„Vielleicht, weil es sehr humoristisch ist. Mehr als hier vielleicht üblich. Außerdem hat es einfach Substanz und eine enge Beziehung zu Prag. Der Titel macht auch neugierig. Mein Vorteil war, dass ich bereits für den Literaturpreis der Leipziger Buchmesse nominiert worden bin, deswegen bekam mein Buch diese Aufmerksamkeit. Ich hatte vielleicht auch Glück mit der Jury. Ich weiß es nicht, das sind alles Spekulationen. Es kam auf jeden Fall gut an, und das freut mich.“

Sie stammen aus Tschechien. Tschechisch ist also ihre Muttersprache. Seit 1978 leben Sie in Deutschland. Seit wann und warum schreiben Sie auf Deutsch?

„Da müsste ich jetzt viel zu viel erzählen. Ich habe in den 70er und 80er Jahren die ganze Zeit nichts publiziert, das heißt ich war hier in Deutschland in der inoffiziellen Szene, also im Untergrund tätig. Ich habe damals nur für dieses bestimmte Publikum gelesen und in den Untergrund-Zeitschriften publiziert. Das heißt, ich habe mich eben nur in diesem relativ engen Kreis aufgehalten, der eben deutsch war. In Prag hatte ich einfach kein Publikum. Ich musste mich damit abfinden, dass ich nicht hier und dort präsent sein kann, und ich konnte auch nicht alles doppelt machen, deswegen war die Entscheidung relativ klar. Außerdem spreche ich hier in Deutschland einfach kein Tschechisch.“


Jan Faktors 640 Seiten starker Roman „Georgs Sorgen um die Vergangenheit oder im Reich des heiligen Hodensack-Bimbams von Prag“ ist im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienen und kostet 24,95 Euro.