Schwertkämpfer - von Beruf

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Es ist wieder Frühling. In wenigen Tagen, am ersten April, öffnen in Tschechien die Schlösser und Burgen wieder ihre Tore für die Besucher. Wenn Sie Glück haben - und das kann in Tschechien recht oft passieren - dann begegnen Ihnen Menschen in bunten mittelalterlichen Kostümen, die plötzlich ihr Schwert zücken und mit martialischer Energie aufeinander losgehen. Christian Rühmkorf hat sich mit Zweien von ihnen getroffen.

"Mich hat das eigentlich schon fasziniert, als ich noch ganz klein war. Damals gab es im Fernsehen historische Filme wie "Pan Wolodyjowski" und "Die drei Musketiere" und ich habe meiner Mama sofort Kleiderbügel geklaut und mir daraus Säbel gebaut. Meine Mutter musste mir dauernd irgendwelche Kostüme nähen. Ich wollte immer schon ein Musketier oder ein Ritter sein. Das ist dann wohl innen drin so geblieben."

Petr Endl ist Sermir - Schwertkämpfer. Und zwar von Beruf. Irgendwann hatte er die Säbel aus Kleiderbügeln ausgetauscht gegen einen richtigen Degen. Da war er gerade einmal 15 Jahre alt und Mitglied in der Fechtgruppe des Prager Sportclubs Bohemians. 1987 ist er dann der historischen Schwertkämpfergruppe "Merlet" beigetreten, weil ihm im Sportclub ein wenig die Romantik fehlte. Aber heute weiß er: Schwertkampf ist mehr als Säbelrasseln und Ritterromantik:

"Vor allem ist das schrecklich viel Arbeit. Man muss seinen Körper beherrschen, seine Bewegungen. Man verbringt enorm viel Zeit mit dem Training und häuft viel Wissen an. Der Schwertkampf hat genauso Regeln wie jede andere Kampfkunst, mit ähnlichen Prinzipien. Man sucht nach den historischen Wurzeln des Schwertkampfes. Es bedeutet also alles in allem Suche, Training, Proben - einfach Arbeit."

Petr Endl ist seit ungefähr zehn Jahren professioneller Schwertkämpfer. Das heißt, er macht Schaukämpfe, erteilt Training, entwickelt Choreografien und spielt kleinere Rollen und Stunts in Film und Fernsehen. Man muss genügsam sein, wenn man davon leben will, sagt er. Mit Familie sei das nicht leicht, deshalb hätten die meisten Schwertkämpfer keine Familie oder seien geschieden, erklärt er lachend, denn er selbst ist nicht allein. Seine Lebensgefährtin, Judita Dvorakova, ist gelernte Grafikerin. Aber auch sie befasst sich seit einigen Jahren beruflich mit der mittelalterlichen Kampfkunst. Eine Frau mit Schwert in der Hand ist in Tschechien noch eine Seltenheit:

"Na, ich würde fast sagen, dass ich in Tschechien im wahrsten Sinne des Wortes eine Vorkämpferin bin. Das weibliche Element beim Schwertkampf ist erst in den letzten fünf Jahren ein bisschen stärker hervorgetreten. Ich glaube das ist die ganz natürliche Entwicklung der gesamten Gesellschaft. Männer und Frauen kommen immer mehr ins Gleichgewicht und so ist das wohl auch beim Schwertkampf. Aber es ist klar, dass ich erst über meinen Freund zum Schwertkampf gekommen bin. Mir macht das Spaß und ich habe eine ähnliche Haltung dazu wie die Mehrzahl der Männer. Dennoch: Die Zeit ist noch nicht gekommen, dass Männer die Frauen im Schwertkampf als gleichwertige Partner betrachten. Vielleicht auch deshalb, weil sie zu galant sind und sich blöd vorkommen, Frauen mit dem Schwert eins über den Kopf zu ziehen,auch wenn es nicht ernst gemeint ist. Meistens ist es so, dass Frauen bei Vorstellungen Jünglinge darstellen, ausgelassene Edelknaben oder Söldnerbräute, die ihre Ehre verteidigen. Beim weiblichen Schwertkampf gibt es also in Zukunft noch einiges zu entdecken."

Vor allem im Sommer sieht man auf den tschechischen Burgen immer wieder Vorführungen von Schwertkämpfern in historischen Kostümen, gerade so, als wären sie irgendeinem Historienfilm entstiegen. Es gibt in Tschechien heute zahlreiche Vereine, Klubs, Organisationen und Verbände von Schwertkämpfern. Die Liebhaber des Mittelalters und der Mantel-und-Degen-Kultur sind organisiert. Die Tradition in Böhmen ist schon alt. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts gründeten tschechische Schwertkämpfer ihren ersten Verein, den CSK Riegel. Zur kommunistischen Zeit hat sich das Pänomen Schwertkampf sogar ausgeweitet. Mitte der 80er Jahre gab es ungefähr schon 100 Gruppen - heute an die 2000, wie Petr Endl erzält. Der Schwertkampf scheint in Tschechien beliebter zu sein als in Deutschland. Judita Dvorakova erklärt sich das so:

"Ich glaube, das liegt daran, dass die Kultur des Schwertkampfes schon lange vor der Samtenen Revolution begann. Das war hier etwas Besonderes. Die Menschen haben dem mehr Wert beigemessen vor allem was den sozialen Zusammenhalt und Freundschaften in diesen Gruppen betrifft. Das hat eine große Rolle gespielt und die Leute zusammengeschweißt - gerade auch als Gegengewicht zu den offiziellen kommunistischen Vereinigungen. Ein bisschen ist der Unterschied, was die Beliebtheit des Schwertkampfes in Tschechien und Deutschland betrifft, wohl auch eine Mentalitätsfrage. In Deutschland gibt es viele Schwertkämpfer, aber für sie ist es meist nur Teil einer ganzen Lebensweise, Living History könnte man sagen. Sie besuchen Burgen, nähen Kostüme und veranstalten mittelalterliche Märkte. Bei uns in Tschechien steht der Schwertkampf an sich im Zentrum, weil er die Menschen damals zusammengehalten hat."

Ohne Schwert allerdings kein Schwertkampf. Woher bekommen die Kampfkünstler ihre Waffen? Petr Endl:

"Die Schwerter bekommen wir von Waffenschmieden, von denen es zum Glück in der heutigen Zeit wieder genügend gibt. Aber nicht alle verstehen ihr Handwerk. Jedes Schwert, jeder Degen hat seine Spezifika, die dem historischen Original möglichst nahe kommen sollten. Ich betreue - das ist meine andere Arbeit - auch Ausstellungen für das Militärhistorische Museum. Ich bekomme Waffen von den verschiedensten Königen und Kaisern in die Hand und weiß daher auch, wie Schwerter, die wirklich für den Kampf bestimmt waren, in der Hand liegen. Manche Waffen versuchen wir selber herzustellen, auch weil ein einigermaßen vernünftiges Schwert eine ziemlich große Investition ist. Es kostet um die 4000 bis 5000 Kronen und das muss man ja auch erst mal verdienen."

Und das ist, wenn man als professioneller Schwertkämpfer sein Brot verdient, nicht leicht, wie Judita erzählt:

"Die ganze Ausstattung bis hin zur Rüstung - das alles kostet bis zu 60.000 Kronen, wenn man es nicht selber herstellen kann. Man verdient also nicht nur relativ wenig und vor allem unregelmäßig, sondern hat auch noch riesige Ausgaben. Wenn man zu Hause zwei, drei Schwertkämpfer in der Familie hat; dann hat man Ausgaben wie der Präsident", lächelt Judita und zeigt auf ihren dreijährigen Sohn Tadeaz.

Leichter haben es da die Amateure, die sich in einem besser bezahlten Job das Geld für ihr außergewöhnliches Hobby verdienen können, meint Petr Endl:

"Paradoxerweise kann man schon anhand der Waffen meistens unterscheiden, ob einer Profi oder Amateur ist. Ein Profi hat meistens eine viel schlechtere Ausstattung und eine viel schlechtere Waffe, obwohl er natürlich mehr kann. Ein Amateur verdient in seinem eigentlichen Job in der Regel mehr als wir und kann sich dann auch besonders schöne Stücke für 30.000 Kronen leisten. Daran sind oft auf den ersten Blick der Profi und der Amateur zu erkennen."

Auch wenn es kein Zuckerschlecken ist seinen Lebensunterhalt als Schwertkämpfer zu verdienen, Petr Endl würde seinen Beruf nie gegen einen anderen eintauschen, wie er sagt und fügt noch etwas sehr Persönliches hinzu:

"Es hat mir viel gegeben. Zum Beispiel habe ich auch gelernt aufrechter zu gehen und mich dabei so zu geben, als sei ich wer. Der Schwertkampf hat mir auch ein gewisses Maß an Selbstachtung und Selbstbewusstsein gegeben."