Das Loch im Zaun erweitern - bi nationaler Alltag am Gymnasium in Pirna
Pirna am Rande des Elbsandsteingebirges in der Sächsischen Schweiz liegt in unmittelbarer Nähe zur tschechischen Grenze. Die Verbindungen und Kontakte nach Tschechien sind vielfältig. Am Friedrich-Schiller-Gymnasium wurde 1998 ein ganz besonderes Projekt verwirklicht, das ein gutes Beispiel für eine erfolgreiche grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist: Der gemeinsame Schulbesuch tschechischer und deutscher Schüler.
Seit über 8 Jahren drücken am Friedrich-Schiller Gymnasium in Pirna deutsche Schüler und ihre tschechischen Altersgenossen gemeinsam die Schulbank und bereiten sich zusammen auf das Abitur vor. 1998 wurde das bi nationale Internat als ein Sonderzweig des Gymnasiums gegründet. Schulleiter Bernd Wenzel stellt uns seine Schule vor:
"1998 kamen die ersten tschechischen Kinder dazu. Damals war das Internat noch nicht fertig, die ersten tschechischen Kinder wohnten noch ein Jahr bei Gastfamilien. Seit 1999/2000 haben wir ein perfektes Internat. In dem Internat leben 90 tschechische und einige deutsche Schülerinnen und Schüler."
Für die Aufnahme in den bi-lingualen Zweig des Gymnasiums müssen die deutschen Schüler Prüfungen in Pirna und die tschechischen Schüler in Decin / Tetschen machen, bevor sie dann ab der 7. Klasse gemeinsam die Schule besuchen können.
"In der 5. und 6. Klasse müssen unsere deutschen Schüler erst einmal richtig Tschechisch lernen. Die tschechischen Kinder kommen dann mit Fremdsprachenkenntnissen hier an und sie bilden gemeinsam eine Klasse. Sie haben nicht alles zusammen, manches wird noch in der Muttersprache unterrichtet. Aber manche Fächer haben sie eben entweder auf Tschechisch oder auf Deutsch gemeinsam. Später machen sie dann das sächsische Abitur, das aber so modifiziert ist, dass es gleichzeitig auch als tschechische Matura anerkannt wird und damit in beiden Ländern als Hochschulzugang, "
erläutert Bernd Wenzel. Von der 7. bis zur 10. Klasse haben die Schüler nur einzelne Fächer gemeinsam. Naturwissenschaften und Mathematik werden weiter in der Muttersprache unterrichtet: "Damit das auch wirklich funktioniert, haben wir nicht nur sächsische sondern auch 20 tschechische Lehrkräfte, " so Wenzel.
In der Oberstufe besuchen dann aber alle Schüler die Kurse gemeinsam. Wie sieht der Schulalltag an dieser Schule aus und vor allen Dingen, in welcher Sprache unterhalten sich deutsche und tschechische Schüler?"Eigentlich sprechen wir mehr Deutsch, weil die Tschechen schon noch besser Deutsch sprechen als wir Tschechisch," gibt der deutsche Schüler Andreas Rau zu. Die Berufsaussichten der Schüler dürften sich durch diese besondere Ausbildung am Friedrich-Schiller-Gymnasium deutlich verbessern, meint Schulleiter Bernd Wenzel:
"Wir denken, dass das für die Kinder eine sehr gute Perspektive bietet, aber ich möchte das nicht nur aufs Pragmatische reduzieren. Es gibt ja noch historische Befindlichkeiten. Ich habe da so ein Bild im Kopf: Wenn sich die Erwachsenen noch distanziert über den Zaun unterhalten, haben die Kinder schon das Loch zum Spielen entdeckt. Dieses Loch zum gemeinsamen Spielen zu erweitern, da sehe ich unsere Aufgabe und das funktioniert auch. Kinder sind viel unbefangener und dieses Pfund, was sie dort in der Schule erwerben, das können sie auch auf teuersten Managerseminaren nicht mehr nachholen."