"Mazal Tov"-Ausstellung über jüdische Hochzeitszeremonie
Die jüdische Hochzeit in Vergangenheit und Gegenwart ist das Thema von zwei Ausstellungen, die zurzeit vom Prager Jüdischen Museum veranstaltet werden. In der vergangenen Ausgabe des "Spaziergang durch Prag" haben wir Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, über das Projekt der kanadischen Künstlerin Melissa Shiff informiert, die eine postmoderne jüdische Hochzeit in der Spanischen Synagoge präsentiert. In die zweite Ausstellung zum Thema Hochzeitszeremonie, die in der Robert Guttmann-Galerie stattfindet, laden Sie Martina Schneibergova und Sarah Polewsky im folgenden Spaziergang durch Prag ein.
Die Ausstellung, die unter dem Titel "Mazal Tov - Viel Glück" in der Robert Guttmann-Galerie zu sehen ist, wurde im Rahmen einer langfristig geplanten Veranstaltungsreihe initiiert, in der sich die Museumsmitarbeiter auf die wichtigen Ereignisse des jüdischen Lebens und die damit verbundenen Zeremonien konzentrieren wollen. Die Kuratorin der Ausstellung Dana Veselska hält dieses Thema nicht nur für Laien, sondern auch für Forscher für wichtig. Denn die tragischen Ereignisse des Zweiten Weltkriegs haben die Familienbindungen zerrissen und damit auch die Form der verschiedenen Zeremonien in Tschechien beeinflusst. Die jüdische Hochzeit besteht seit den biblischen Zeiten aus zwei Teilen - aus der Verlobung - im Hebräischen kidushin oder erusin - und der der eigentlichen Trauung- nisuin. Diese Gliederung wird auch in der Ausstellung berücksichtigt, sagt die Kuratorin Dana Veselska:
"Die Form der jüdischen Hochzeitszeremonien wurde durch eine Reihe von Tatsachen beeinflusst. In den böhmischen Ländern galten in den Jahren 1726 - 1859 die so genannten ´Familiantengesetze´, die die Heirat nur dem erstgeborenen Sohn ermöglichten. Das Recht des Erstgeborenen wurde in den Familien vererbt, in Ausnahmefällen war es möglich, die Stellung des Erstgeborenen zu kaufen. Im Rahmen der Monarchie bezogen sich diese Gesetze auf Böhmen, Mähren und Schlesien. Die nicht erstgeborenen Söhne verließen das Gebiet dieser Länder und zogen in die Slowakei oder nach Ungarn um."
Die jüdische Trauung wurde durch die gesetzlichen Normen der Mehrheitsbevölkerung geregelt. In den Jahren 1859 bis 1918 enthielt die jüdische Zeremonie die gleichen Fragen wie andere Hochzeitszeremonien: Heiraten Sie freiwillig...usw. ? In den Jahren 1918 - 1939 war es nicht mehr notwendig, bei der jüdischen Trauungszeremonie dieselben Formeln wie bei einer Ziviltrauung zu sagen. Diese religiöse Trauung wurde vom Staat offiziell anerkannt. Anders sah die Situation während des Zweiten Weltkriegs aus: die Nürnberger Gesetze schränkten die Möglichkeit einer gemischten Ehe ein, sagt die Kuratorin:
"In den Jahren 1949 bis 1994 wurde in der Tschechoslowakei beziehungsweise in Tschechien die amtliche Trauung eingeführt. Diese Ziviltrauung fand beim zuständigen Nationalausschuss statt und war obligatorisch, die religiöse Trauungszeremonie war fakultativ und hatte keine rechtliche Gültigkeit. Seit 1994 finden wieder jüdische Hochzeitszeremonien statt, die vollständig rechtsgültig sind und den gleichen Wert wie eine Zivilhochzeit haben."
Eines der ältesten Exponate der Ausstellung ist das Band für die Torarolle, das aus dem Jahr 1750 stammt und gleich am Anfang der Präsentation zu sehen ist. Der Blick der Besucher fällt beim Betreten des Ausstellungsraums gleich auf die Traubaldachine, die hier installiert sind. Der Baldachin steht auf vier Stangen, die von vier ledigen jungen Männern oder auch von Kindern getragen werden. Er wird "Chuppa" genannt, was "Dach über dem Kopf" bedeutet. Eines der ausgestellten Bilder zeigt eine jüdische Hochzeit, die am Abend im Freien stattfindet. Dana Veselska dazu:
"Das ist interessant und charakteristisch. Jüdische Hochzeiten finden oft am Abend unter dem Sternenhimmel statt. Die Sterne bilden in dem Fall den Traubaldachin. Dies hängt mit einem biblischen Vers zusammen."
In der Ausstellung sind nicht nur Gegenstände aus den Sammlungen des Prager Jüdischen Museums. Vom Jüdischen Museum in Wien wurde für die Präsentation beispielsweise eine Schüssel geliehen, die es in den Prager Sammlungen nicht gibt. Diese Schüssel wurde für Spenden benutzt, aus denen die Hochzeitszeremonie oder die Mitgift für arme Bräute finanziert wurde. Um einer armen Braut eine Mitgift geben zu können, hatte die jüdische Gemeinde sogar das Recht, eine Torarolle zu verkaufen. Der Mitgift wurde also eine große Aufmerksamkeit geschenkt.
Die Hochzeitsvorbereitungen waren schon immer auch bei den jüdischen Hochzeiten vielleicht noch komplizierter als die Trauungszeremonie selbst, sagt Dana Veselska:
"In der Vergangenheit wurden die Ehen vermittelt. In der Gemeinde gab es einen Heiratsvermittler - den so genannten ´Schadchen´. Wenn die Zusammensetzung des Hochzeitspaars schon feststand, fand eine Zeremonie statt, bei der die Hochzeitsbedingungen unterzeichnet wurden. In diesem vor der Hochzeit verfassten Dokument wurde konkretisiert, wer was finanziert usw. Einige Beispiele von diesen Dokumenten, die ´najim´ genannt wurden, kann man in der Ausstellung besichtigen. Dieses Dokument darf nicht mit dem Ehevertrag - der Ketuba - verwechselt werden. Nach der Unterzeichnung der Hochzeitsbedingungen wurde ein Teller zerschlagen als Erinnerung an die Tempelzerstörung. Dieses Erinnern an die Tempelzerstörung kommt bei den verschiedenen Zeremonien öfter vor."
Die Hochzeitseinladungen, die in der Ausstellung zu sehen sind, sind eine verhältnismäßig moderne Angelegenheit, ursprünglich war es nämlich die Aufgabe der Mütter, über die geplante Hochzeit zu informieren.
Vor der Hochzeit besucht die Braut das rituelle Tauchbad - Mikveh. Nach der Zeremonie, die ´bedekn´ genannt wird und bei der der Bräutigam den Kopf der Braut mit einer Haube oder einem undurchsichtigen Schleier bedeckt, kehrt der Bräutigam mit unter den Baldachin zurück, der meistens in der Mitte der Synagoge steht. Die Hochzeit kann sich aber auch draußen abspielen. Danach wird die Braut von den beiden Müttern des Brautpaars unter die Chuppa, den Baldachin, geführt. Die Braut geht um den Bräutigam dreimal beziehungsweise siebenmal herum, sagt die Kuratorin:
"Dieses Umhergehen bedeutet die Schließung eines Kreises um den Mann. Es ist ein uraltes Ritual. Die Braut steht rechts vom Bräutigam. In Anwesenheit von zwei männlichen Trauzeugen liest der Zeremonienmeister - es muss sich um keinen Rabbiner handeln - den Segen über die Verlobung und den Segen über den Wein vor. Die Verlobungszeremonie besteht darin, dass der Bräutigam der Braut auf den rechten Zeigefinger einen Zeremonienring ansteckt. Beispiele von diesen Ringen stellen wir hier aus. Damit ist das Paar verlobt."
Die beiden Teile der Hochzeitszeremonie werden durch das Vorlesen des Ehevertrags von einander getrennt. Der Vertrag wird von den Verlobten und den Zeugen unterzeichnet. Die folgende Trauzeremonie wird durch das Vortragen von sieben Segen - den so genannten Schewa Brachot - verwirklicht:
"Diese werden entweder vom Zeremonienmeister oder von ausgewählten namhaften Männern vorgelesen. Dann nimmt der Bräutigam einen zerbrechlichen Gegenstand in die Hand - es kann ein Glas oder ein Teller sein. Den Gegenstand legt er der Braut vor die Füße und zertritt ihn. Die Hochzeitsgäste wünschen wiederum viel Glück - Mazal Tov. Mit dem Zertreten des Glases wird an die Zerstörung des Jerusalemer Tempels erinnert."
Früher wurden diese Gegenstände gegen einen Stein geworfen, der in der Nordwand der Synagoge befestigt war. Die Gäste können die Glasscherben mitnehmen, sie werden für ein Amulett gehalten. Die Neuvermählten bleiben danach eine Weile in einem Raum allein, der ´Cheder Yichud´genannt wird. Dies wird für die Vollendung der Trauung gehalten. Die Hochzeitsgäste begeben sich währenddessen auf den Ort, wo das Hochzeitsfest stattfinden soll.
Die Ausstellung über die jüdischen Hochzeitszeremonien ist in der Robert- Guttmann-Galerie, die zum Prager Jüdischen Museum gehört, noch bis zum 6. Juni geöffnet. Die Galerie befindet sich im hinteren Gebäudeteil einer der Prager Synagogen. Falls Sie wissen, wie diese Synagoge heißt, können Sie es uns schreiben, denn so lautet unsere heutige Frage zur Sendung, für deren richtige Beantwortung Sie ein Buch über Prag gewinnen können. Ihre Zuschriften richten Sie bitte an: Radio Prag, Vinohradska 12, PLZ 120 99 Prag 2.
In der letzten Ausgabe der Sendereihe "Spaziergang durch Prag" im März fragten wir Sie nach dem Stadtteil, in dem sich das Palais Clam-Gallas befindet. Es liegt in der Altstadt - tschechisch Stare Mesto. Eine CD geht an Wolfgang Brodöhl in Köthen.