Aus dem Holocaust lernen - Europarat sucht Strategien gegen Rassismus
Wie lässt sich der Holocaust am besten der jüngeren Generation vermitteln, damit er für sie zum abschreckenden Beispiel wird und sie gegen neonazistische Tendenzen immun macht? Das war eine der Kernfragen auf einem internationalen Bildungsminister-Seminar des Europarats in Prag und Theresienstadt am Montag und Dienstag. Silja Schultheis hat sich die Veranstaltung angesehen und ist jetzt hier bei uns im Studio.
Kannst Du uns zunächst etwas über den Hintergrund des Seminars sagen, es fand ja nicht zum ersten Mal statt?
Das Seminar "Wie lässt sich historisches Gedächtnis lehren" - veranstaltet vom Europarat - fand zum 3. Mal statt. Der erste Jahrgang war 2002 in Straßburg der zweite im vergangenen Jahr in Krakau. Das Ziel ist, wie bereits erwähnt wurde, dem Risiko von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vorzubeugen - insbesondere vor dem Hintergrund sich häufender rassistischer Übergriffe und zunehmender Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen. Nur wenn man in der Lage ist, sich gemeinsam der Vergangenheit zu stellen, lassen sich ähnliche Gefahren in Zukunft verhindern, so die Überzeugung der Teilnehmer. Unter ihnen waren 50 Bildungsminister bzw. ihre Stellvertreter aus Europa, Israel, Kanada, Mexiko, Japan und den USA.
Zu welchen Ergebnissen sind die europäischen Bildungspolitiker auf dem Seminar gekommen?
Ein wichtiges Ergebnis: Die Pädagogen sind beim Umgang mit dem Thema Holocaust häufig überfordert. Es fehlt an geeigneten Unterrichtsmaterialien, an Fortbildungen und in manchen Ländern ist der Holocaust gar nicht im Lehrplan verankert, so dass die Lehrer ihn in Eigenregie durchnehmen müssen. Zwar bemüht sich der Europarat, den Lehrern Materialien, Leitfäden und Fortbildungen anzubieten, in richtig effektivem Maße kann das aus finanziellen Gründen aber nicht geschehen.
Ein weiteres Ergebnis: die Gefahr eines Wiederauflebens von Faschismus ist kleiner als scheinbar harmloser Hooliganismus, der aber in Wirklichkeit nazistische Wurzeln hat. Der Hauptredner des Seminars, der frühere tschechische Präsident Vaclav Havel, warnte vor Kryptofaschismus, der sich etwa in Intoleranz gegenüber Minderheiten oder überhöhtem Sportkult ausdrücken kann.
Insgesamt entstand der Eindruck, dass es außer vergleichsweise allgemeinen und bereits bekannten Feststellungen wenig konkrete Ergebnisse des Seminars gab.Wie ist die Situation in Tschechien, wie wird der Holocaust hier an den Schule vermittelt und wie stark sind tschechische Jugendliche anfällig für neonazistische Ideologien?
Das Hauptproblem an tschechischen Schulen ist, dass viele Lehrer im Unterricht gar nicht bis zur Zeit des Zweiten Weltkriegs kommen und diese Epoche häufig einfach ausgespart bleibt. Wer den Holocaust wie unterrichtet, ist sehr individuell - umso mehr seit die neuen Lehrpläne in Kraft getreten sind, die Geschichtsunterricht als eigenständiges Fach gar nicht mehr vorsehen, die überhaupt keine eigenständigen Fächer mehr vorsehen, sondern nur noch Fächerkombinationen. Ich habe die tschechische Bildungsministerin Petra Buzkova am Rande der Veranstaltung gefragt, ob der Holocaust nicht verpflichtend im Lehrplan verankert sein müsste und sie hat geantwortet, man könne die Lehrer zwar verpflichten, ob sie sich daran halten, lasse sich aber nicht richtig kontrollieren. Die Lehrer müssten von sich aus und aus Überzeugung das Thema durchnehmen, erst dann könne ihr Unterricht dazu gut sein.
Zur Gefahr neonazistischer Tendenzen: Frau Buzkova bezeichnete diese als gesamteuropäisches Problem, das man in keinem Fall unterschätzen dürfe. Die Jugend brauche klare Wertvorgaben - Toleranz, Menschenrechte etc. - und vor allem ausreichend Informationen über den Holocaust. Das Gewaltpotential tschechischer Schüler sei noch nicht so groß wie etwa an deutschen Schulen, da die hiesige Gesellschaft bei weitem nicht so multikulturell sei und die dadurch entstehenden Probleme nicht kenne. Aber wenn man nicht aufpasse, drohe auch an tschechischen Schulen zunehmende Gewalt.