Biomasse, Windkraft, Wasserkraft: Erneuerbare Energien als Zukunft für Tschechien

"Neue europäische Energiepolitik" - so lautet das Gebot der Stunde. In diesem Sinne hat die Europäische Kommission vor kurzem ein Strategiepapier in einem so genannten "Grünbuch Energie" vorgelegt. Eine der darin formulierten Auflagen für alle EU-Staaten gilt der Förderung klima- bzw. umweltfreundlicher Energietechnologien. Der Weg von in einem Papier festgeschriebenen Thesen zu deren Umsetzung kann allerdings lang und steinig sein. Ein kleines Beispiel aus Tschechien hat im nun folgenden Regionaljournal Jitka Mladkova für Sie parat:

Karolina Sulova
Energieproduktion aus erneuerbaren Quellen wird hierzulande einerseits groß geschrieben, andererseits hapert es aber an der Förderung in der Praxis. Im August 2005 ist zwar ein entsprechendes gesetzliches Regelwerk in Kraft getreten, doch seine praktischen Folgen sind bislang wenig spürbar. Von der gesamten erzeugten Energie in Tschechen werden 60 Prozent aus Kohle, 33 Prozent in Kernkraftwerken und fünf Prozent aus Gas gewonnen. Der Rest entfällt auf erneuerbare Energiequellen. Mehr dazu sagte gegenüber Radio Prag die Sprecherin des Umweltministeriums, Karolina Sulova:

"Im Jahre 2010 soll Tschechien acht Prozent seiner gesamten Stromproduktion aus so genannten erneuerbaren Energiequellen bestreiten. Von diesem Anteil sollen schätzungsweise 40 Prozent auf Biomasse, jeweils 21 Prozent auf große und kleine Wasserkraftwerke und die restlichen 18 Prozent auf die Windenergie entfallen."

Die Acht-Prozent-Quote wurde mit der EU ausgehandelt. Inwieweit ist auch die beschriebene Aufteilung in die einzelnen Energiearten für Tschechien verbindlich?

"Gegenüber der EU gilt für uns nur die Gesamtquote von acht Prozent als verbindlich. Zu welchen Anteilen die einzelnen Energieformen darin vertreten sind, ist interne Angelegenheit der Tschechischen Republik. Ihre Verteilung ist von zwei Hauptfaktoren abhängig, nämlich vom Interesse der Investoren und auch davon, welche Energiequellen für unser Land am besten geeignet sind. Das größte Potential wird bei uns der Biomasse beigemessen. Sie soll nämlich den Anbau von Energie spendenden Pflanzen auf derzeit brachliegenden Feldern ermöglichen. Dies wird obendrein auch die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen bedeuten. Der Anteil an Windenergie ist geringer, da die Bedingungen für ihre Herstellung weniger günstig sind im Vergleich zu anderen Ländern wie z.B. in Skandinavien."

Raps  (Foto: Štěpánka Budková)
Alles ist also schön auf dem Papier geplant, doch die Umsetzung verschiedener Pläne muss nicht immer reibungslos vonstatten gehen. Hier gleich ein Beispiel: Tschechien hat sich im Laufe der Beitrittsverhandlungen mit der EU verpflichtet, bis 2010 Flächen deckend Kläranlagen auszubauen. Seit bereits einiger Zeit spricht man darüber, dass diese Frist nicht eingehalten werden kann und daher neue Verhandlungen mit der EU bevorstehen. Die Frage liegt nahe, ob derselbe Zeithorizont für die Erfüllung der Acht-Prozent-Produktionsquote für erneuerbare Energien überhaupt realistisch ist. Karolina Sulova:

"Das Umweltministerium geht davon aus, dass es realistisch ist. Man rechnet mit einem großen Interesse seitens privater Investoren, für die sich damit ein lukrativer Markt erschließt. Zu erwarten ist daher ein wesentlicher Anstieg der Nutzung von erneuerbaren Energiequellen. Auf der anderen Seite sollten uns aber keine Sanktionen bei der eventuellen Nichteinhaltung unserer Verpflichtung drohen. Genauer gesagt, wir sehen da keinen Sanktionen entgegen, wenn das Erreichte etwa ein bis zwei Prozent unter der ausgehandelten Acht-Prozent-Quote liegen würde."

Das Umweltministerium bietet allerdings potentiellen Investoren keinerlei Investitionsanreize. Als Magnet für Investoren, so meint man hier, seien die für einen bestimmten Zeitraum garantierten Energiepreise ausreichend.

Umweltfreundlich und mit Abstand die günstigste Stromproduktionsart. So charakterisieren die Windenergie deren Befürworter. Das Umweltministerium hat kürzlich eine Landkarte herausgegeben, auf der Lokalitäten markiert sind, die aus der Sicht von Experten für den Bau von Windkraftwerken geeignet sind. Auf der Landkarte ist auch die ostböhmische Gemeinde Koclirov mit 700 Einwohnern zu finden. Eine einheimische Firma mit österreichischem Kapital im Rücken wollte hier im vergangenen Jahr acht Windanlagen aufbauen und stieß dabei auf großes Interesse, vor allem beim Gemeinderat, zugleich aber auch auf den hartnäckigen Widerstand der Anwohner. In einem Referendum sprachen sich von den insgesamt 350 Abstimmungsberechtigten 208 dagegen aus. Bürgermeister Jaroslav Drozdek sagte uns dazu:

"Nach Meinung von Experten waren die Argumente der Gegner wenig qualifiziert. In erster Linie akzentuierten sie, dass das Landschaftsbild darunter leiden würde und außerdem befürchtete man, dass die Windanlagen zu laut wären. Dabei sollten sie mindestens 900 Meter von der Gemeinde entfernt sein!"

100 Meter hoch, 40 Meter Propeller-Durchmesser. Dies sollten die Parameter der Windanlagen sein. Für Viele die Verkörperung eines Monsters. Die Firma, die das Projekt umsetzen wollte, kam aus der Sicht der Befürworter mit einem interessanten Angebot. Jedes Jahr wären eine Million Kronen in die Gemeindekasse geflossen. Jaroslav Drozdek ist sich im Klaren darüber, dass man diese Gelder jetzt gut hätte gebrauchen können:

"Aufgrund verschiedener Vorschläge unserer Mitbürger haben wir die Errichtung von vier Fonds geplant, aus denen das Geld in die Bereiche Umweltschutz, Wohnungsbau, Soziales und Interessentätigkeit fließen könnte."

Nun, die Idee, das erworbene Geld für die genannten Zwecke zu verwenden, erwies sich für viele offensichtlich nicht als attraktiv genug. Oder vielleicht war eher zu viel Misstrauen auf der anderen Seite der Barrikade. Das Referendum in Koclirov fand auf Initiative des so genannten Vorbereitungskomitees statt. Wer waren seine Mitglieder? Jaroslav Drozdek:

"Laut Gesetz mussten es Einwohner unserer Gemeinde sein. In dem Vorbereitungskomitee saßen Menschen, die sich aus der Bürgerinitiative 'Pohoda' rekrutierten. Diese gibt in unregelmäßigen Abständen eine Zeitung heraus, in der kontroverse, meiner Meinung nach vor allem aber wenig objektive Argumente veröffentlicht werden. Diese bereiten unseren Bewohnern natürlich Kopfzerbrechen, wer denn eigentlich Recht hat: Die gewählten Vertreter im Gemeinderat oder aber die Gegner der Windanlagen?"

Eine schwierige Situation, die möglicherweise das Dorf in zwei Lager spaltete. Einen Tag vor dem Referendum tauchten in Koclirov Flugblätter der bereits erwähnten Bürgerinitiative auf, die das geplante Projekt noch einmal in Frage stellte. Habe man wirklich mit den richtigen Investorfirmen verhandelt und mit wie vielen überhaupt? Sei der beste Investor ausgewählt worden? Sei das Angebot tatsächlich lukrativ? Die Antworten waren nach Meinung der Bürgerinitiative beantwortet, natürlich negativ. Unter solchen Umständen war es nicht leicht, sich zu entscheiden. Hat sich die Lage etwa auch auf die zwischenmenschlichen Beziehungen negativ ausgewirkt, wie es oft der Fall ist?

"Das Tauziehen hat tatsächlich dramatische Konturen. In den Flugblättern behaupteten nämlich die Projektgegner: Wegen der Lautstärke der sich drehenden Propeller werde man 24 Stunden pro Tag und 365 Tage pro Jahr nicht einmal die Fenster öffnen können, und und und ...Auf der anderen Seite ging es aber zum Glück nicht so weit, dass man sich deswegen in der Dorfkneipe in die Haare gefahren wäre oder aber gar nicht mehr miteinander geredet hätte."

Nun, Koclirov bleibt ohne Windanlagen und ist bei weitem nicht die einzige tschechische Gemeinde, in der man die Energiegewinnung aus Wind abgelehnt hat. Kann sich das ändern? Dazu abschließend de Sprecherin des Umweltministeriums Karolina Sulova:

"Wenn die Errichtung der Windanlagen an ein positives Resultat eines Referendums gebunden ist, dann kann ich mir gar nicht vorstellen, wie man sie anders durchsetzen könnte. Vielleicht nach ein paar Jahren, nachdem man sich überzeugt hat, dass es sich um keine Monster handelt, die Vögel töten und die Umwelt belasten, wird man die Meinung ändern."