60 Jahre Potsdamer Protokoll
Heute vor 60 Jahren endete das erste Gipfeltreffen nach dem Zweiten Weltkrieg, das unter dem Namen Potsdamer Konferenz in die Geschichte einging und der weiteren Entwicklung in Europa sowie der ganzen Welt Weichen stellte. Seit 60 Jahren scheiden sich immer noch die Geister bei der Interpretierung der Beschlüsse der Konferenz. Jitka Mladkova sprach darüber mit Dr. Jochen Laufer vom Zentrum für Zeithistorische Forschung mit Sitz in Potsdam:
"Ich glaube, dass dem so ist. Wenn man die Diskussion, die in den 60 Jahren über die Potsdamer Konferenz geführt wird, verfolgt, kann man sehen, dass es zunächst sehr weit auseinander ging bei den Interpretationen in der Sowjetunion und in all den Ländern, die zum sowjetischen Block gehörten, also auch in der ehemaligen DDR und der Tschechoslowakei, auf der einen Seite. Eine völlig entgegen gesetzte Interpretation gab es im Westen, darunter auch in Westdeutschland. Diskutiert wurde insbesondere darüber, ob es nur ein Protokoll, ein Konferenzkommunique oder aber ob es ein Abkommen war. In der DDR und im Osten überhaupt wurde immer erklärt, es sei ein festes Abkommen mit bindenden Beschlüssen gewesen, das in Potsdam unterzeichnet wurde."
Wie sind die Positionen jetzt - 60 Jahre später?
"Ich glaube, dass jetzt schon klar ist, dass man nicht umhin kommt zu sagen, dass es kein Abkommen im eigentlichen Sinne war. Es wird auch kein vernünftiger Historiker und wahrscheinlich auch kein vernünftiger Journalist bestreiten, dass es eben dieses Protokoll mit der Unterschrift der Regierungschefs gibt. Es ist klar, wenn man die einzelnen Beschlüsse wertet und ihnen ein Gewicht beimisst - es geht ja um strittige Fragen wie Grenzfragen und Bevölkerungstransfer - so gibt es nach wie vor unterschiedliche Auffassungen betreffs der Interpretation. Das wird sicherlich noch eine Weile weiter gehen."
Die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz betrafen u. a. auch eine neue Grenzziehung östlich der Elbe und die Aussiedlung der deutschen Bevölkerung aus den ehemals deutschbewohnten Gebieten, darunter auch die Aussiedlung der so genannten sudetendeutschen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei. Der "Hauptverdienst" um das letztere wird bekanntlich dem tschechoslowakischen Präsidenten Edvard Benes zugeschrieben. Welche Rolle spielte dieser Politiker Ihrer Meinung nach?
"Das muss man von verschiedenen Seiten aus betrachten. Er war ja nicht auf der Konferenz vertreten und hatte von daher nur eine sehr kleine Randrolle. Die tschechoslowakische Seite hat im Vorfeld der Konferenz verschiedene Initiativen ergriffen, damit die Aussiedlungsfrage in Potsdam verhandelt wird. Sie selbst war aber nicht vertreten und spielte insofern eine marginale Rolle auf dieser Konferenz. Aber für den Prozess der zwangsweisen Aussiedlung der deutschen Bevölkerung spielte Benes eine wichtige Rolle, aber nicht die einzige und auch nicht die Hauptrolle im internationalen Geschehen, das mit der Aussiedlung zusammenhängt. Beteiligt waren auch andere Akteure. Es begann auch nicht erst mit dem Zweiten Weltkrieg. Die Frage des Bevölkerungstransfers stellte man sich bereits nach dem Ersten Weltkrieg. Man glaubte, durch den Transfer von Minderheiten eine stabilere politische Situation in den jeweiligen Staaten schaffen zu können. Es gab schon so einen Konsens in der europäischen Politik vor dem Zweiten Weltkrieg und daran knüpften eben Benes und die tschechoslowakische Exilregierung im Zweiten Weltkrieg an."
Soweit Dr. Jochen Laufer vom Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam.