Tschechische Pressestimmen zur Europäischen Verfassung - Vergabe der tschechischen Journalistenpreise für das Jahr 2004
Wie zum Ausklang jeder Woche werfen nun Bara Prochazkova und Robert Schuster für Sie wieder einen Blick auf die tschechische Medienwelt.
So meinte etwa Martin Komarek in der auflagenstärksten unter den seriösen tschechischen Zeitungen, der "Mlada fronta Dnes":
"Wir sollten eine Pause einlegen. Falls der nächste EU-Gipfel entscheidet, dass der Ratifikationsprozess fortgeführt wird, sollten auch wir an ihm festhalten. Sollte die Gegenmeinung die Oberhand gewinnen, ist es unnötig, in Tschechien ein Referendum zu organisieren. Das Problem mit der Verfassung ist kein tschechisches, sondern ein europäisches Problem. Es ist also Sache der Union hier eine Lösung herbei zu führen, nicht aber die Aufgabe der Herren Paroubek oder Klaus. Aber der wichtigste Grund, warum wir Stellung zur Europäischen Verfassung beziehen sollten, ist folgender: Wir sind doch um nichts weniger Bürger der Union als die Franzosen, auch wenn die meisten von ihnen uns wohl nicht so gerne in der Gemeinschaft sehen."
Die Namen jener Politiker, die maßgeblich die Europa-Debatte in Tschechien in den letzten Tagen bestimmten, fielen bereits im vorherigen Auszug aus der "Mlada fronta Dnes". Es waren der sozialdemokratische Premier Jiri Paroubek - ein deklarierter Befürworter der Verfassung - und Tschechiens Präsident Vaclav Klaus, der in den letzten Wochen deren Hauptkritiker war.So verwundert es nicht, dass sich beide Spitzenpolitiker des Landes einen verbalen Schlagabtausch lieferten, der in der Drohung des Premiers gipfelte, die Regierung könnte dem Präsidenten, also Vaclav Klaus, die Mittel für Auslandsreisen sperren, sollte er mit seiner Kritik am EU-Vertrag weiterhin die offizielle Position des Landes untergraben. So wie oft in der heimischen Innenpolitik entpuppte sich auch dieser Konflikt eher als ein Sturm im Wasserglas, der sich schnell wieder legte.
Dennoch war die Botschaft Paroubeks an seine Wähler klar, wie der Publizist Ondrej Neff in der Internetzeitung "Neviditelny pes" schrieb:
"Jiri Paroubek hat den Herrn Professor dadurch gereizt, indem er ihm androhte, dessen Auslandsreisen zu stoppen. Im Kontext der tschechischen Innenpolitik ist nicht entscheidend, ob diese Drohung überhaupt real ist. Kann der Regierungschef dem Staatsoberhaupt gegenüber überhaupt eine Art Hausarrest verhängen? Nein, das ist nicht wichtig, denn entscheidend ist letztlich, dass Paroubek seine Muskeln zeigte und somit demonstrierte, dass er den bösen Professor nicht fürchtet."
Nun aber wollen wir uns, liebe Hörerinnen und Hörer, in unserer heutigen Sendung noch einem etwas anderen Thema widmen, weil auch dieses mit den Medien zusammenhängt. Vorvergangene Woche wurden nämlich von der Stiftung Tschechischer Literaturfonds die wohl wichtigsten tschechischen Journalistenpreise vergeben, unter anderem der Karel-Havlicek-Borovsky-Preis, der an den Gründer der modernen tschechischen Journalistik erinnert. Zu den Preisträgern, die diesmal geehrt wurden, gehörte zum Beispiel die Journalistin Sabina Slonkova von der Wirtschaftszeitung "Hospodarske noviny", die zu den wohl bekanntesten Enthüllungsjournalisten des Landes gehört und die für ihr Engagement den Hautpreis erhielt.
Über diesen Journalistenpreis sowie die Entwicklung des tschechischen Medienwesens in den vergangenen zehn Jahren unterhielten wir uns im Folgenden mit dem Direktor der Stiftung Tschechischer Literaturfonds, Herrn Michal Novotny. Wir fragten ihn zunächst, wie lange denn schon die Stiftung Tschechischer Literaturfonds hervorragende Leistungen im Bereich des Journalismus auszeichnet:
"Was die Journalistenpreise angeht, so wurden diese erstmals im Jahr 1991 vergeben. Nach einer gewissen Zeit haben wir allerdings die Kriterien etwas eingeschränkt. Seit 1997 vergeben wir zwei Preise an Nachwuchsjournalisten, die jünger als 33 Jahre sein müssen, sowie einen Hauptpreis, nämlich den Karel-Havlicek-Borovsky-Preis, der auch mit einem höheren Preisgeld verbunden ist, und zwar mit 50 000 Kronen."
Welche Kriterien werden bei der Preisvergabe an die einzelnen Journalisten angewandt? Es ist zum Beispiel auffallend, dass in den letzten Jahren fast ausschließlich Persönlichkeiten geehrt wurden, die sich als Enthüllungsjournalisten einen Namen gemacht haben. Dazu meint Michal Novotny:
"Ich muss sagen, dass sich das ein wenig verändert hat. Während in den vergangenen Jahren die Tendenz bestand, die Arbeit der Journalisten nach dem qualitativen Kriterium zu beurteilen, ist in der letzten Zeit ein etwas anderer Zugang ersichtlich, und zwar, dass Redakteure gewürdigt werden, die während ihrer Arbeit ein hohes Maß an Mut bewiesen haben. Das hat schon vor vier Jahren begonnen, als die langjährige Russland-Korrespondentin vieler tschechischer Medien, Petra Prochazkova, den Preis erhielt, denn sie hat vor allem bei ihrer Tschetschenien-Berichterstattung oft viel riskiert. In diesem Jahr wurde mit Frau Slonkova eine Journalistin gewürdigt, die wiederum unerschrocken über die Verbindung einiger Politiker mit mafiaartigen Strukturen berichtete. Es ist aber nicht so, dass unsere Stiftung nur ausschließlich Enthüllungsjournalisten auszeichnen würde."
Hat sich eigentlich die tschechische Medienlandschaft in den vergangenen zehn Jahren zum Besseren entwickelt, vor allem was die Qualität der Berichterstattung angeht? Oft wird nämlich bemängelt, dass einige tschechische Medien ein sehr niedriges Niveau aufweisen, was in einen direkten Zusammenhang mit der geringen Erfahrung der betreffenden Journalisten gebracht wird. Teilt auch Direktor Michal Novotny diese Ansicht? Gibt es bei Presse, Funk und Fernsehen überhaupt genügend Nachwuchshoffnungen?
"Es gibt immer noch ausreichend potentielle Preisträger. Bei jungen Journalisten würdigen wir deren Talent und Engagement. Aber nichtsdestotrotz habe ich nicht das Gefühl, dass sich die Qualität der tschechischen Medien in den vergangenen Jahren irgendwie dramatisch verbessert hätte. Vielleicht sind aber solche Erwartungen auch ein wenig unrealistisch, wenn man bedenkt, dass es auch in der Zeit der Ersten Republik nur einige wenige Namen von Journalisten gab, die qualitativ wirklich hervorragend waren, wie zum Beispiel Ferdinand Peroutka, Karel Capek oder Eduard Bass. Das war also eine sehr kleine Gruppe, die man an den Fingern einer Hand abzählen konnte, während der Großteil der damaligen Journalisten eher mittelmäßig war. In dieser Hinsicht ist es heute sehr ähnlich und ich denke, dass sich dieses Land gerade in dieser Branche nach wie vor nicht besonders rühmen kann."