Pilgerweg von Prag nach Hájek – barockes Juwel in Böhmens Natur

Kapelle Nr. XX steht unweit des Klosters Hájek (Foto: Dana Martinová)

Nur ein paar Kilometer westlich von Prag, in Richtung Vysoký Újezd, verbirgt sich in einem Wäldchen das Franziskanerkloster Hájek / Waldl. Dorthin führte einst ein Wallfahrtsweg. Dieser verband die Loreto-Kirche im Prager Burgviertel (Hradčany) mit der Loreto-Kapelle im Kloster Hájek. In diesem Jahr feiert dieser der Weg seinen 300. Geburtstag. Mit seinem Konzept und seiner Länge sucht er seinesgleichen nicht nur in Böhmen und Mähren, sondern auch anderswo in Mitteleuropa, auch wenn er heutzutage nicht mehr auf seiner gesamten ursprünglichen Route beschritten werden kann.

Kapelle Nr. XX steht unweit des Klosters Hájek  (Foto: Dana Martinová)
Kartenausschnitt zeigt den Pilgerweg  (Foto: Dana Martinová)

Die Barockzeit wünschte ausdrücklich den Bau von Sakralbauten. Damals entstanden nicht nur monumentale Kirchen, sondern auch kleine architektonische Juwelen auf dem Land wie Martersäulen, Kapellen oder Kreuze. Weitere Zeugnisse vom reichen religiösen Leben waren Kreuz- und Wallfahrtswege. Wer aber der tatsächliche geistige Vater der Idee zur Errichtung des Pilgerwegs von Prag nach Hájek war, ist nicht bekannt. Mit Sicherheit aber wissen wir, dass der Vorschlag vom erzbischöflichen Konsistorium in Prag im Frühling des Jahres 1720 bewilligt wurde. Der Grundstein für die erste Kapelle wurde im August 1720 gelegt. Die Historikern Kateřina Pařízková vom Verein „Poutní cesta Hájek“ sagt zur Entstehung des Wallfahrtswegs:

„Der Anlass für den Bau von Nischenkapellen auf dem Pilgerweg nach Hájek war der 100. Gründungstag der heute ältesten Loreto-Kapelle in Böhmen. Der Weg wurde auf Veranlassung der Franziskaner angelegt, die zu dieser Zeit Kloster Hájek verwalteten. Die Kapellen wurden entlang des Pilgerpfads am nördlichen Rand mit einer nach Süden ausgerichteten Nische errichtet. Es waren insgesamt 20 einheitliche Barockbauwerke, und die Wallfahrt zu ihnen begann hinter den Stadttoren auf dem Gebiet des heutigen Stadtteils Dlabačov in Prag 6. Der Weg ist nicht ganz 18 Kilometer lang, und die Kapellen wurden in unregelmäßigen Abständen von 700 bis 800 Metern platziert. Historischen Forschungen zufolge scheint jede Kapelle an einer Weggabelung erbaut worden zu sein, so wie heutzutage auf Touristenpfaden Wegweiser angebracht sind. Man wollte die Pilger dahin lenken, wohin ein weiterer Weg führt. In den Archiven ließ sich bisher aber nicht ergründen, wer die Kapellen entworfen hat. Auf jeden Fall ist die Nische jedes dieser Bauten in zwei Teile geteilt. In der oberen Hälfte waren immer Szenen aus dem Leben der Jungfrau Maria dargestellt und in der unteren eine Szene aus dem Leben des heiligen Franziskus. In den Giebel über dem Gesims wurde schließlich das Wappen des Schutzpatrons der Kapelle gemalt. Diese Ausschmückungen hielten sich bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie verschwanden dann, als die Kapellen nicht mehr so sorgfältig gepflegt wurden. Wir kennen die Themen der Bilder nur aus einer schriftlichen Aufzeichnung. Doch wir wissen nicht, wie die einzelnen Figuren dort angeordnet waren, und schon gar nicht, wie das ganze Gemälde aussah. Die Bilder stammen von Jan Ferdinand Schor, einem damals ziemlich bedeutenden Maler. Von seinen Fähigkeiten zeugt auch sein Fresken-Gemälde an den Wänden des Lustschlosses Amerika, dem heutigen Antonín-Dvořák-Museum in Prag.“

Kapellen wirkten wie Leuchttürme auf dem Weg der Pilger

Kapelle Nr. I befindet sich in Prag-Dlabačov  (Foto: Dana Martinová)

Der Pilgerweg nach Hájek entlang dieser uniformen Kapellen ist nicht nur deshalb außergewöhnlich, weil es einer der wenigen derartigen auf tschechischem Boden ist, sondern auch wegen der Größe der Kapellen. Bis zur Spitze des aufgetürmten Kreuzes sind sie beachtliche 8,5 Meter hoch und fast vier Meter breit. Daher sind sie kaum zu übersehen. Damals gab es von Prag aus in diese Richtung weder Bebauung noch einen Wald, deshalb wirkten die Kapellen wie Leuchttürme auf dem Weg der Pilger. Andererseits war das auch ein erheblicher Nachteil für ihren Erhalt. Weil sie so groß und schlechtem Wetter ausgesetzt waren, begannen sie früh zu verfallen. Die ersten Kapellen verschwanden bereits im 19. Jahrhundert, unter anderem weil die Franziskaner nicht genügend Mittel hatten, um sie zu reparieren. Der Verfall mehrerer Kapellen geht jedoch nicht nur auf die mangelnde Instandhaltung im 19. Jahrhundert zurück, sondern später im 20. Jahrhundert ebenso auf den Regimewechsel. Die Kapellen entsprachen nicht dem kommunistischen Weltbild.

Im Christentum nahmen Wallfahrten aber schon früh eine wichtige Stellung ein:

„Schon im 3. Jahrhundert zogen Pilger zu bedeutenden Orten, als erstes zum Grab Gottes. Aus Sicherheitsgründen wurden die Wallfahrten aber immer weiter verkürzt. Insbesondere im Barock wurden Pilgerfahrten zu regionalen Orten populär. Die Hauptwallfahrt in Hájek ist mit der Geburt der Jungfrau Maria verknüpft, sie findet stets um den 8. September herum statt. Laut schriftlichen Aufzeichnungen versammelten sich die Pilger oft zu Zehntausenden in Hájek. Zum 100. Gründungstag des dortigen Klosters, also 1723, gab es hier einen enormen Andrang. Die Prozession nach Hájek wurde auf insgesamt acht Tage ausgedehnt, damit alle Pilger daran teilhaben konnten. Die Quellen sprechen von bis zu 70.000 Menschen.“

Kapelle Nr. IV steht in der Nähe des Anwesens Ladronka  (Foto: Dana Martinová)

Zum Kloster Hájek zielten die Prozessionen aus allen Himmelsrichtungen, doch nur der Weg von Prag aus hatte das Privileg, mit einer Reihe von Kapellen geschmückt zu sein. Die Pilger kamen zunächst aus einer der Prager Kirchen zum Reichstor, das auf dem Platz Pohořelec oberhalb der Burg stand. Bis 1898 war es ein Teil der Prager Befestigungsanlagen. Direkt hinter dem Tor stießen sie dann auf die erste Kapelle im heutigen Stadtteil Dlabačov. Der Weg führte dann empor zur Ebene von Břevnov bis in die Nähe des Anwesens Ladronka. Es war ein uralter Landpfad, der an Stellen vorbeiführte, an denen sich heute ein dichtes Netz von Asphaltstraßen zwischen den Stadtteilen Břevnov und Motol befindet. Die Wallfahrt führte die Pilger dann entlang eines Abhangs weiter nach Westen bis nach Hostivice. Unterwegs machten sie jeweils Station an mehreren Kapellen. Am Ortsausgang von Hostivice gabelte sich der damalige Weg in zwei Richtungen: Der ursprüngliche Landweg führte weiter westlich nach Deutschland, während der Pilgerweg von dort zum Hájek-Kloster abbog.

„Von den ursprünglichen 20 Kapellen sind bis heute zwölf erhalten, doch nicht alle stehen noch an ihrem Platz. Denn der Pilgerpfad hat sich im Laufe der Jahrhunderte geändert, entweder aufgrund des Baus von weiteren Verkehrswegen oder deren Erweiterung. Sechs dieser Kapellen verschwanden im 19. Jahrhundert, drei Kapellen im 20. Jahrhundert. Eine der Kapellen, die Nummer XVIII, die um 1980 einstürzte, ist aber wie ein Phoenix wieder aus der Asche gestiegen. Das wurde möglich durch eine öffentliche Spendensammlung und die großen Anstrengungen der Stadt Hostivice sowie vieler Einzelpersonen. Seit 2017 heißt sie die Pilger wieder willkommen und erzählt von unserer Geschichte.“

Kapellen verschwanden, wurden versetzt oder umzäunt

Kapelle Nr. III ist in einem Privatgarten versteckt  (Foto: Dana Martinová)

Das Schicksal einiger noch erhaltener Kapellen war ziemlich dramatisch. Zum Beispiel verhinderte die Kapelle Nummer VIII zunächst den Ausbau der Karlsbader Straße in Prag. Vor zehn Jahren wurde sie vom 17. Prager Stadtbezirk daher rund 500 Meter weit versetzt. Die Kapelle Nummer III befindet sich heute in einem Privatgarten, wo sie sich nach der Parzellierung des Landes befand. Denn das Benediktinerkloster in Břevnov verkaufte in der Zwischenkriegszeit seine Grundstücke. Der Besitzer des Gartens akzeptierte die Kapelle als historisches Denkmal und ließ sie an ihrem Platz stehen. Um ihre Instandhaltung aber kümmert sich der sechste Prager Stadtbezirk.

„Die Kapelle Nummer XI wurde bereits zweimal umgesetzt. Ihren ursprünglichen Standort kennen wir nicht. Vor kurzem wurde sie wieder in die richtige Richtung gedreht, denn die Nischen der Kapellen sollen nach Süden zeigen. Mittlerweile wartet die Kapelle Nummer XII auf ihre Sanierung. Sie steht direkt an einer Straße, wo sie den Erschütterungen durch vorbeifahrende Autos ebenso ausgesetzt ist wie dem Streudienst mit all seinen Chemikalien. Deshalb wurde gemeinsam mit den Denkmalschützern beschlossen, diese Kapelle an einen Radweg in der Nähe der stark befahrenen Straße zu verlegen. Dort können ihr die tonnenschweren Lastwagen nichts mehr anhaben. Ich sage daher immer, dass die Kapelle zu den Pilgern kommt, wenn der Pilger nicht mehr zu ihr gelangen kann.“

Eine der detaillierten Informationstafeln entlang des Wegs  (Foto: Dana Martinová)
Kapelle Nr. XVIII,  die um 1980 einstürzte,  wurde 2017 wiederhergestellt  (Foto: Dana Martinová)

Seit 2012 steht der gesamte Wallfahrtsweg unter dem Schutz des Vereins „Poutní cesta Hájek“. Der Verein ist auf Initiative von Kateřina Pařízková und ihrer Kollegin Michaela Valentová entstanden. Der Schutz und die Instandhaltung des gesamten Pilgerweges sind jedoch arbeitsaufwendig und teuer. Einerseits ist die Strecke sehr lang, andererseits verläuft sie über mehrere territoriale Kataster. Die Kapellen stehen daher unter der Obhut von unterschiedlichen Stadtteilen. Der Verein macht sehr aktiv Werbung für dieses einzigartige Barockdenkmal. Er hat zum Beispiel eine Karte herausgegeben, auf der sowohl die erhaltenen als auch die verschwundenen Kapellen eingezeichnet sind. Dort wird auch die Geschichte der Bauten beschrieben.

„Auf eine zweite Sache haben wir uns sehr lange vorbereitet: Für mehr Information haben wir neun Informationstafeln entlang des Wegs aufgestellt. Jedes Frühjahr organisieren wir zudem Arbeitseinsätze mit Freiwilligen, die den Weg säubern und den Müll beseitigen. Dabei prüfen wir, ob nicht etwas zerstört wurde. Darüber hinaus organisieren wir Vorträge und Konzerte. Wir haben ebenso eine große öffentliche Spendensammlung für den Bau der Kapelle Nummer XVIII veranstaltet. Diese hat die erfreuliche Summe von 350.000 Kronen (13.000 Euro, Anm. d. Red.) eingebracht. Und es läuft eine weitere öffentliche Sammlung für die Instandsetzung der Kapellen. Sie ist der Tatsache geschuldet, dass die Kapellen aufgrund ihrer Größe und der Witterungseinflüsse sehr oft saniert werden müssen. Damit versuchen wir zugleich, den zuständigen Stadtteilen bei der Wartung und Pflege der Denkmäler zu helfen.“

Abschließend sei noch erwähnt, dass die Karte mit dem Wallfahrtsweg seit 2012 mehrmals herausgegeben wurde, die aktuelle Fassung ist diesen Winter erschienen. Und weil das Kloster Hájek und der Pilgerweg mittlerweile auch von Ausländern besucht werden, gibt es die Karte in diesem Jahr zudem in englischer Sprache.

Kloster Hájek wird nach und nach restauriert  (Foto: Dana Martinová)
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