Standhaft und mutig bis über das Todesurteil hinaus
Milada Horáková gilt als Symbol für das Unrecht in der kommunistischen Tschechoslowakei. Vor 70 Jahren wurde die Juristin und Politikerin hingerichtet.
Sie ist eine engagierte Frauenrechtlerin. In der sogenannten Ersten Tschechoslowakischen Republik geht sie gerade auch deswegen in die Politik.
„Von Frauen wird häufig behauptet, sie hätten keinen solchen Sinn für Solidarität wie Männer. Diese Ansicht halte ich nicht für richtig – wie alles, was grob verallgemeinernd ist. Denn gerade bei Frauen lässt sich häufig eine Selbstaufgabe bis zum Äußersten beobachten“, so Milada Horáková bei einer Rede im Jahr 1932.
Weltanschaulich bekennt sich die gebürtige Pragerin zum ersten tschechoslowakischen Staatspräsidenten Tomáš Garrigue Masaryk und seiner Staatsidee. Schon als Gymnasiastin ist sie politisiert, wie der Historiker Oldřich Tůma schildert:
„Es sagt viel über ihren Charakter aus, dass Horáková bereits mit 17 oder 18 Jahren an öffentlichen Aktionen teilnahm, deren Ziel die Entstehung einer eigenständigen Tschechoslowakei war.“
1918, also zu Ende des Ersten Weltkriegs, fliegt sie deswegen sogar vom Gymnasium in Prag. Horáková, die damals noch Králová heißt, hat an einer Demonstration gegen den Krieg teilgenommen. Ihr Abitur kann sie später an einer anderen Schule nachholen.
Widerstand und nationalsozialistische Haft
Eigentlich will die junge Rebellin danach Medizin studieren. Nach Anraten ihres Vaters entschließt sie sich letztlich aber für Jura. 1926 promoviert sie. Wenig später heiratet sie den Radioredakteur Bohuslav Horák, der zu Ende der Ersten Republik dann Programmdirektor des Tschechoslowakischen Rundfunks ist.
Milada Horáková wiederum steigt im Nationalrat der Frauen bis in die Führungsspitze auf. Außerdem tritt sie 1929 den Volkssozialisten bei, der Partei des späteren Staatspräsidenten Edvard Beneš. Als Mitte März 1939 die Nationalsozialisten die sogenannte Rest-Tschechoslowakei besetzen, geht Horáková in den Widerstand.
„Sie engagierte sich vor allem im Umkreis des Petitionsausschusses ‚Wir bleiben treu‘, dem linksgerichtete Intellektuelle angehörten“, sagt der Geschichtswissenschaftler Tůma.
Anfang August 1940 dringt die Gestapo in die Wohnung von Milada Horáková und ihrem Mann ein. Beide werden festgenommen. Die sechsjährige Tochter Jana bleibt zurück und kommt zu einer Tante.
Horáková ist zunächst im Prager Gefängnis Pankrác inhaftiert, später in der Kleinen Festung in Terezín / Theresienstadt und zum Schluss dann in Deutschland. Im Oktober 1944 muss sie sich wegen ihrer Widerstandstätigkeit vor einem Gericht in Dresden verantworten. Die Staatsanwaltschaft schlägt die Todesstrafe vor. Die tschechische Juristin verteidigt sich selbst auf Deutsch und erhält letztlich acht Jahre Gefängnis. Befreit wird Horáková dann zu Kriegsende im Frauengefängnis von Aichach.
Auch Milada Horákovás Mann überlebt den Nazi-Terror. Beide treffen sich nach dem Krieg in Prag wieder. Und sie selbst stürzt sich sofort wieder in die Politik. Horáková wird Abgeordnete von Staatspräsident Benešs Volkssozialisten in der vorläufigen Nationalversammlung. Zudem steigt sie in der Führung der Partei auf, und sie wird Vorsitzende des ebenfalls erneuerten Nationalen Frauenrats. Als ob das nicht schon genug ist, wählt man Horáková auch noch zur stellvertretenden Leiterin des Verbandes der befreiten politischen Häftlinge. Sie setzt sich also ein für den Aufbau einer neuen Tschechoslowakei, was sie auch in ihren Reden betont:
„Wir verkünden die Mobilisierung aller Kräfte, damit möglichst tatkräftig an unserem Staat, unserem gemeinsamen Haus, gearbeitet wird. Dieses Haus muss so schnell, rechtschaffen und gerecht wie möglich fertiggebaut werden“, sagt sie zum Beispiel.
Doch schon bald ergreifen die Kommunisten die Macht im Land. Milada Horáková ist dagegen, dass die Volkssozialisten mit ihnen gemeinsame Sache machen. Am 26. Februar 1948, also einen Tag nach der kommunistischen Machtübernahme, wird Horáková all ihrer politischen Ämter enthoben. Nun nimmt sie eine Stelle im Prager Magistrat an. Zudem hält sie Kontakte aufrecht zu emigrierten volkssozialistischen Politikern. Damit begibt sie sich in höchste Gefahr. Anstatt aber aus der Tschechoslowakei zu fliehen, bleibt sie im Land.
Kommunisten wollen Exempel statuieren
Ende September 1949 kommt es, wie es kommen muss: Die standhafte Politikerin wird von der Staatssicherheit verhaftet. Was sie da noch nicht weiß: dass sie die zentrale Figur wird in dem wohl größten Schauprozess der ČSSR. Die Kommunisten wollen an ihr ein Exempel statuieren. Der Historiker Jan Adamec beschäftigt sich vor allem mit den ostmitteleuropäischen Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg:
„Das Prinzip beruhte darauf, einen Feind ausfindig zu machen und ihm Fehler anzuhängen. Das Bauernopfer sollte als Abschreckung dienen für die jeweilige Zielgruppe, die brutalen Urteile aber auch allgemein die Bevölkerung einschüchtern. Dazu diente ebenfalls das ganze Theater, bei dem die Inhaftierten ihre Geständnisse so lange üben mussten, bis sie diese auswendig aufsagen konnten. Denn es gab keine anderen Beweise für die Schuld als die Geständnisse.“
Als Vorbild dienen die Schauprozesse, die Stalin ab den 1930er Jahren in der Sowjetunion inszenieren ließ. Im Fall von Horáková zielt die tschechoslowakische Nomenklatura gegen die Volkssozialisten. Dabei werden zunächst die Mitglieder der Partei verhaftet, und erst danach entwerfen die sowjetischen Berater die Anklageschriften. Dazu der Historiker Petr Blažek vom Institut für das Studium totalitärer Regime in Prag:
„Die Strategie der Ermittler war relativ einfach. Jeder Verhaftete musste seinen Lebenslauf niederschreiben, und sie unterhielten sich dann mit ihm über sein bisheriges Leben. Dabei ging es vor allem um die politischen Aktivitäten sowie um die Kontakte ins Ausland.“
Damit erstellen die Ermittler ein Geflecht an Beziehungen. Laut Blažek spielt dabei aber keine Rolle, ob sich die Beschuldigten auch wirklich getroffen haben oder einfach nur voneinander wissen. Wie Figuren werden dann weitere angebliche Beteiligte in das Geflecht eingefügt. So soll die Illusion entstehen, dass die tschechoslowakische Justiz gerade eine riesige Verschwörung gegen den Staat aufdeckt.
Die Geständnisse werden dabei auch mit Folter erpresst. Das sind stundenlange Verhöre im Stehen, aber die sogenannten Ermittler lassen die Angeklagten auch etwa an einem Bein aufhängen. Selbst eine so tapfere Frau wie Milada Horáková wird damit irgendwann gebrochen. Der Schauprozess, oder wie es in Tschechien heißt: Der Monsterprozess beginnt in der ersten Juniwoche 1950.
„Hiermit eröffne ich das öffentliche Hauptverfahren vor dem Staatsgericht gegen die Angeklagte Dr. Milada Horáková und ihre Mitstreiter wegen des Verbrechens der Erpressung und des Hochverrats gemäß dem Gesetz zum Schutz der Volksrepublik“, so startet damals der Vorsitzende des Senats im Prager Kreisgericht, Karel Trudák, die Verhandlungen.
Der Tschechoslowakische Rundfunk berichtet täglich über den Prozess. Unter anderem werden den Hörern die Anklagepunkte erläutert:
„Es war gerade die Gruppe der 13 Angeklagten, die aus dem Westen den Auftrag erhalten hatten, die Aktionen der reaktionären Unterwelt bei uns in solcher Weise zu koordinieren, dass im Falle eines kriegerischen Konflikts eine fünfte Kolonne von Schädlingen und Saboteuren gegen unser Volk bereitgestanden wäre.“
Urteile standen schon vorher fest
Am ersten Verhandlungstag wird vor allem die Haupt-Beschuldigte verhört, also Milada Horáková. Die Anklage konzentriert sich dabei besonders auf ihre Kontakte mit dem früheren volkssozialistischen Parteivorsitzenden Petr Zenkl. Dieser ist im August 1948 in den Westen emigriert und hat die Führung des politischen Exils übernommen. Vor Gericht sagt Horáková:
„Dr. Zenkl habe ich nach dem Februar 1948 häufig in seiner Wohnung besucht, da wir lange Jahre zusammengearbeitet haben und befreundet waren.“
Milada Horáková ist auch nach dessen Emigration mit Zenkl in Kontakt geblieben. Laut dem Historiker Blažek liegt genau darin der Grund, warum sie zur Hauptangeklagten gemacht wird:
„Häufig wird behauptet, dass die Kommunisten mit dem Prozess schockieren wollten. Insgesamt stimme ich dem zu. Auf der anderen Seite ging es auch darum, mit dem Finger auf das Exil zu zeigen. Es sollte dastehen als Wurzel des Übels, das zusammen mit den westlichen Imperialisten einen neuen Weltkrieg plant. Und Milada Horáková passte da gut ins Konzept.“
Am 8. Juni 1950 wird das Urteil gesprochen. Vier der Angeklagten erhalten die Höchststrafe. Das alles sei im Voraus so geplant gewesen, weiß Petr Blažek.
„Der gesamte Prozess war ein Konstrukt. Auch die höchsten Vertreter der KPTsch hatten dem zugestimmt. Sie waren es zudem, die schon im Vorfeld das Strafmaß festlegt hatten. Bei Milada Horáková und drei Mitangeklagten hieß das, dass die Todesstrafe vollstreckt wird. Bei den Restlichen wurde die Höchststrafe in Lebenslänglich umgewandelt“, so der Historiker.
Horáková selbst hat ebenfalls keine Illusionen über ihr Schicksal. Entsprechend sagt sie in ihrem Schlussplädoyer:
„Mir wäre sehr viel leichter, berühmtes Staatsgericht, wenn ich in diesen schweren Stunden, in die ich jetzt entlassen werde, wenigstens mit der eigenen Überzeugung des Heldentums und seiner Gloriolen gehen könnte. Aber ich denke, das einzig Mutige, was ich jetzt noch tun kann¸ ist ganz nackt, wahrheitsgemäß und ungeschminkt allen zu sagen: ‚Macht nicht das, was ich gemacht habe – außer ihr seid verrückt, strebt nach falschem Märtyrertum oder wollt um jeden Preis sterben‘.“
Das Todesurteil gegen Milada Horáková wird am frühen Morgen des 27. Juni vollstreckt. Die Politikerin stirbt mit 48 Jahren am Galgen im Prager Gefängnis Pankrác.