Kunderas letzter Roman endlich auf Tschechisch

Foto: ČTK / Ondřej Deml

Es ist eine Sensation auf dem Buchmarkt in Tschechien. Der Roman des tschechisch-französischen Schriftstellers Milan Kundera, „Das Fest der Bedeutungslosigkeit“ ist auf Tschechisch erschienen. Warum ist das so außergewöhnlich? Und ist wie die Übersetzung zustande gekommen?

Quelle: S. Fischer Verlag

Das bisher letzte Romanwerk, das auf Tschechisch vorlag, ist „Die Unsterblichkeit“ aus dem Jahr 1990. Milan Kundera lebt in Frankreich und schreibt seit den 1990er Jahren ausschließlich auf Französisch. Seine späteren Romane blieben daher für die Leser in Tschechien oft unbekannt. Kundera war nämlich lange überzeugt, dass er einmal selbst für ihre Übertragung in seine Muttersprache sorgt, und zeigte sich nicht bereit, seine Werke von jemand anderem übersetzen zu lassen. Nun hat der 91-jährige Autor aber die Übersetzerin Anna Kareninová beauftragt, „Das Fest der Bedeutungslosigkeit“ aus dem Jahr 2013 zu übersetzen:

„Ich verstehe seine Position und war zuerst sehr traurig über seine Entscheidung, weil sie mit seinem Alter und seinen schwindenden Kräften zusammenhängt. Er musste resignieren und sich damit abfinden, dass er keine Energie oder keine Zeit mehr hat, seine vier auf Französisch verfassten Bücher ins Tschechische zu übersetzen. Da ihm die Übersetzungen sehr am Herzen liegen, zog er es vor, sie zu kontrollieren und beeinflussen zu können, wie seine französischen Bücher in der tschechischen Sprache ausfallen werden.“

Anna Kareninová  (Foto: Jakub Krásný,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)

Soweit Anna Kareninová in einem Interview für die französische Redaktion von Radio Prag International. Ihre Methode bei der Arbeit am Text sei ganz anders gewesen als bei normalen Übersetzungen:

„Ja, es ist eine völlig andere Arbeit. Es ist keine übliche Übersetzung, sondern die Rekonstruktion der Sprache eines großen Schriftstellers. Ich habe versucht, sein Tschechisch wieder aufzubauen. Und es war schwer, wirklich schwer.“

Sie hat zwar die französischen Sätze von Kundera gelesen, sich dabei aber gefragt, wie er selbst sie auf Tschechisch verfasst hätte:

„Ich habe in den früheren Romanen, die er auf Tschechisch geschrieben hatte, nach seiner Syntax und seinem Wortschatz gesucht. Das Vokabular in dem Buch ist also ein Vokabular von Milan Kundera.“

Foto: ČTK / Monika Hlaváčová

Während der Arbeit stand sie mit Milan Kundera und seiner Frau in einem regen Kontakt. Insgesamt zehn Versionen des Romans hat sie dem Autor vorgelegt:

„Als er mich bat, ‚Das Fest der Bedeutungslosigkeit‘ zu übersetzen, sagte ich, ich würde einen Teil des Romans übersetzen und diesen ihm zur Zustimmung vorlegen. Als ich fertig war, schickte ich die Übersetzung nach Paris, an Herrn Kundera und seine Frau. Wir arbeiteten mehrere Monate lang an der Übersetzung, um Kunderas persönliche Sprache zurückzubekommen.“

Beim Studium der Ausdrucksmittel Kunderas hat eine Überraschung auf Kareninová gewartet. Sie habe keine Spuren seiner Muttersprache in seinem Französischen entdeckt:

Quelle: S. Fischer Verlag

„Nein, überhaupt nicht, sondern umgekehrt. Als ich nach seinen stilistischen Mitteln in seinen alten tschechischen Büchern gesucht habe, stellte ich fest, dass er französische Gepflogenheiten benutzt hatte. Es hat einen Einfluss der französischen Sprache auf sein Schreiben in Tschechisch gegeben, noch bevor er nach Frankreich ging. Es war sehr erstaunlich für mich! Aber er war ja auch ein Übersetzer ins Tschechische und übersetzte etwa Guillaume Apollinaire sehr gut. Ich denke, das das Französische seiner Denk- und Schreibweise entspricht.“

„Das Fest der Bedeutungslosigkeit“ wurde im tschechischen Atlantis-Verlag herausgegeben. Und es soll bei diesem einen Roman nicht bleiben:

„Ich hoffe! Ich übersetze bereits ‚Die Ignoranz‘ und wir planen schon, die beiden übrigen Bücher zu übersetzen: ‚Die Identität‘ und ‚Die Langsamkeit‘.“