Ausländische Filmteams in Tschechien und die Probleme mit Corona
Abstandsregeln, Tests und Reisebeschränkungen – auch die Filmindustrie leidet unter der Corona-Pandemie. Das zeigt sich unter anderem bei den ausländischen Produktionen, die in Tschechien gedreht werden.
„Amadeus“ natürlich, „The Bourne Identity“ oder der James-Bond-Film „Casino Royale“ – sie und viele mehr wurden in Tschechien beziehungsweise in der früheren Tschechoslowakei gedreht. Ab 2004 gab es einen Einbruch, die ausländischen Filmstäbe kamen nicht mehr so zahlreich. Das Land war bereits zu teuer geworden. Doch seit 2010 bietet die tschechische Regierung Anreize für die Drehteams aus anderen Ländern. Und seitdem ging es wieder bergauf. Die Corona-Pandemie hat allerdings Unsicherheiten in das Geschäft gebracht. Im Frühjahr ging Tschechien erstmals in den Lockdown, und mittlerweile ist das öffentliche Leben hierzulande zum zweiten Mal zumindest teilweise heruntergefahren. Helena Bezděk Fraňková leitet den Staatlichen Fonds für Kinematographie:
„Alle fragen, ob die Maßnahmen der tschechischen Regierung auch weiter erlauben, hierzulande zu drehen. Deswegen haben wir dazu Informationen veröffentlicht auf der Facebook-Seite des Staatlichen Fonds für Kinematographie. Dort steht, dass Filmdrehs weder eine Freizeitbeschäftigung sind noch eine kulturelle Veranstaltung und schon gar keine Versammlung, sondern ein industrielles Gewerbe. Das heißt, so lange die Fabriken weiterarbeiten, kann auch weitergedreht werden. Aktuell laufen in den Filmstudios Barrandov Aufnahmen zur Fernsehserie ‚Wheel of Time‘, dann kommt ‚Oslo‘, und es wird die dritte Staffel von ‚Das Boot‘ vorbereitet.“
Viele Auflagen beim Dreh
Als es im Frühjahr zum ersten Lockdown in Tschechien kam, ergriffen viele Filmteams die Flucht. So auch die Produzenten von Sony und Amazon, die an der Fantasy-Serie „Wheel of Time“ arbeiten. Aber ebenso die Leute von den Marvel Studios, die „The Falcon and The Winter Soldier“ produzieren. Sie sind mittlerweile jedoch zurückgekehrt, schließlich können sich die Teams bis zu 20 Prozent der Kosten erstatten lassen. Das sind die Anreize der tschechischen Regierung, um ausländischen Produktionsfirmen den Dreh hierzulande schmackhaft zu machen.
Das betrifft auch die dritte Staffel von „Das Boot“. Erst am Dienstag verkündete der Sender Sky offiziell, dass die Serie fortgesetzt werden soll. Für das Team von Regisseur Andreas Prochaska aus Österreich bedeutet dies aber eine ganze Reihe Auflagen. Helena Bezděk Fraňková:
„Neben dem klassischen Mund-Nasen-Schutz und der Desinfektion der Hände sind die einzelnen Bereiche des Drehs mit unterschiedlichen Farben gekennzeichnet. Das heißt zum Beispiel: Die Gruppe mit roter Farbe darf sich nicht mit der grünen treffen, und jene wiederum nicht mit der blauen. Dazu wurde ein System für regelmäßige Corona-Tests entwickelt. Die einen lassen nach zwei Tagen testen, die anderen nach vier.“
Diesen Sommer hat ein Filmstab aus Deutschland eine Krimiserie in Tschechien gedreht, die in den 1990er Jahren spielt. Filip Hering betreut das Team aus dem Nachbarland…
„Die Maßnahmen, die von den Filmcrews im Frühjahr eingeführt wurden, haben sich ziemlich bewährt. Ich kann da natürlich nur für die von mir betreute Produktion sprechen. Wir haben fast den gesamten Sommer über gedreht. Und da gab es nur einen Fall, dass ein Komparse erhöhte Temperatur hatte. Dank der Maßnahmen haben wir ihn aber noch vor dem Drehort abgefangen und konnten alle seine Kontaktpersonen aussondern. Das hat uns dann nicht im Geringsten behindert“, sagt Hering.
Im Sommer gab es hierzulande noch vergleichsweise wenige Corona-Fälle, nachdem man im Frühjahr ziemlich schnell in den Lockdown gegangen war. Mittlerweile hat die deutsche Bundesregierung aber ganz Tschechien zum Risikogebiet erklärt, denn die Zahl der Corona-Neuinfektionen steigt immer weiter an. Deswegen saß Filmproduzent Hering zuletzt ständig am Telefon und versuchte, die deutsche Seite von einer Fortführung der Dreharbeiten zu überzeugen. Doch vergebens, wie er am Freitag vergangener Woche eingestehen musste:
„Die Produzenten, die hierzulande gerade aufnehmen, werden auch weitermachen. Denn sie kennen die Lage hier vor Ort mittlerweile genau. Allerdings war ich am gestrigen Donnerstag in Leipzig. Das Team sollte eigentlich im Dezember die Dreharbeiten fortsetzen. Ich habe aber erfahren, dass die deutsche Seite davon Abstand nimmt. Der Regisseur und der Kameramann sagten, sie seien keine Kriegsberichterstatter und würden nicht in eine Krisenregion fahren wollen.“
Wie Kriegsberichterstatter
Das sehen einige Filmteams zum Beispiel aus Großbritannien deutlich lockerer. Václav Mottl ist von tschechischer Seite der Produzent, der sie hierzulande betreut. Seinen Informationen nach sollen im Januar die Dreharbeiten zu einer Fernsehserie weiterlaufen. Allerdings wohl in kleinerem Rahmen als ursprünglich geplant, wie Mottl ausführt:
„Daraus lässt sich ersehen, dass die Filmteams das Land nicht verlassen, Tschechien also nicht verwerfen. Zugleich sehen sie die derzeitige Lage so, dass unter den gegebenen Umständen keine großen Serien hierzulande produziert werden können. Was wir gerade in Vorbereitung haben, nennt sich ‚Dangerous Liaisons‘ oder ‚Gefährliche Liebschaften‘. Es ist die Geschichte von Valmont, ein barocker Perückenfilm mit großen Massenszenen, Aufnahmen im Theater, Kutschen und Tieren – und das geht dieses Jahr einfach nicht.“
Und Václav Mottl weiß auch von seinen Kollegen, dass es im Moment schwer ist für Filmproduktionen in Tschechien. Da gehe mehr Zeit drauf für die Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen als für die tatsächlichen Arbeiten…
„Das kostet die Filmcrews natürlich einiges. Wir sprechen da von Summen in der Höhe von mehreren Millionen oder mehreren Dutzend Millionen Kronen. Dazu kommen alle weiteren Maßnahmen, wie etwa mehr Platz in den Büros, damit die Sicherheitsabstände eingehalten werden können. Man braucht mehr Leute, es gibt ein drei- bis vierköpfiges Extra-Team, das sich mit dem Hygienekonzept beschäftigt, einen Koordinator für die Corona-Tests. Ein ganzer Apparat beschäftigt sich ausschließlich mit diesen Dingen“, so Mottl.
Wie der Produzent ergänzt, sind die Corona-Maßnahmen der ausländischen Filmteams viel strenger als das, was die tschechische Regierung eigentlich verlangt.
Im vergangenen Jahr haben Produzenten aus dem Ausland im Übrigen hierzulande eine Rekordsumme ausgegeben. Fast 80 Filme und Serien wurden gedreht, dabei flossen laut Helena Bezděk Fraňková rund 8,9 Milliarden Kronen (330 Millionen Euro) nach Tschechien. Das war fast die doppelte Summe von 2018. Den größten Teil bildeten Serien für Online-Plattformen wie Netflix oder Amazon.
Allerdings befürchtet die Chefin des Filmfonds, dass Tschechien im Vergleich zu anderen europäischen Staaten ins Hintertreffen geraten könnte. Die erstatten nämlich bis zu 40 Prozent der Kosten. Deswegen fordert Bezděk Fraňková schon seit geraumer Zeit von den Entscheidungsträgern in Prag, hier nachzulegen und die Subventionen zu erhöhen.