Corona-Notstand zu Ende – Lockerungen umstritten
Am Sonntag um Mitternacht ging der Corona-Notstand in Tschechien zu Ende. Die Lockerungen, die damit einhergehen, sind aber zum Teil umstritten.
Der Notstand gab der Regierung mehr Vollmachten und erlaubte es, Grundrechte auszusetzen. Seit Montag können die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus nur noch auf der Grundlage des Pandemie-Gesetzes verhängt werden. Aufgehoben wurden unter anderem die Bewegungsbeschränkungen zwischen den Regionen, und die Menschen dürfen wieder ausnahmslos ihren Wohnbezirk verlassen. Auch die nächtliche Ausgangssperre gilt nicht mehr.
Die Schüler der unteren Grundschulklassen kehren wieder zum Präsenzunterricht zurück, ebenso die Kinder der Vorschulklassen in ihre Kindergärten. Allerdings müssen sie sich dazu zweimal pro Woche einem Antigen-Test unterziehen. Geöffnet werden ab Montag zudem einige Geschäfte, und zwar für Kinderbekleidung und -schuhe, für Papierwaren und für Fahrzeug-Ersatzteile, außerdem chemische Reinigungen, Wäschereien und Schlüsseldienste. Des Weiteren dürfen Bauernmärkte, Bibliotheken, Zoos und Botanische Gärten unter Auflagen wieder betrieben werden. Laut dem Vorsitzenden des Verbandes für Handel und Fremdenverkehr, Tomáš Prouza, sind die Geschäfte auf die Öffnung vorbereitet:
„Sie haben das Wochenende genutzt, um ihre Räume zu desinfizieren und sich mit Waren einzudecken. Wir rechnen mit einem großen Interesse der Kunden in den ersten Tagen. Und alle sind bereit, die geltenden Anordnungen einzuhalten.“
Die unabhängige Gruppe von Epidemie-Experten, die die Regierung berät, kritisiert diese Lockerung. Sie hat ausschließlich die Öffnung von Schulen empfohlen. Die Virologin Ruth Tachezy sagte in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks am Montag:
„Wir wiederholen es immer wieder: Die Öffnung von Geschäften ist die eine Sache, andererseits aber wird sie von einer extremen Zunahme der Mobilität der Bürger begleitet, die ein Risiko darstellt. Momentan befinden wir uns in einer Lage, in der viele Staaten die Geschäfte wieder schließen. Die Infektionszahlen hierzulande gehen nur sehr langsam zurück. Unter anderem weil sich die Regierung nicht daran gehalten hat, was wir früher empfohlen haben, nämlich Industriebetriebe zu schließen beziehungsweise dort häufiger zu testen. Die Lockerungen sind sehr risikohaft und wurden nicht mit uns besprochen.“
Chaos herrscht momentan bei der Regelung über die Kontaktbeschränkungen. Anfang vergangener Woche wurde vom Gesundheitsministerium verkündet, Treffen von zehn Personen in geschlossenen Räumen und von zwanzig Personen im Freien womöglich zuzulassen. Nach einer Kritik seitens des Expertenrates hob Gesundheitsminister Petr Arenberger (parteilos) diese Lockerung allerdings Ende der vergangenen Woche wieder auf:
„Wir wünschen uns, dass die 400.000 Kinder, die jetzt wieder in den Schulen und Kindergärten sind, ihre Präsenz dort nicht mehr unterbrechen müssen. Wir wollen den Fehler aus der Vergangenheit nicht wiederholen, als man die Maßnahmen unnötig leichtsinnig gelockert hatte.“
So begründete der Minister seine Kehrtwende. Weiterhin gilt also, dass man nur eine Person, die nicht dem eigenen Haushalt angehört, treffen darf. Rechtsexperten verweisen aber darauf, dass für eine solche Regelung die Verlängerung des Notstands erforderlich sei. Der Verfassungsexperte Jan Wintr sagte gegenüber dem Tschechischen Rundfunk:
„Diese gewichtige Beschränkung der Bewegungsfreiheit und des Privatrechts ist nicht möglich. Auf Grundlage des Pandemie-Gesetzes können nur öffentliche oder private Veranstaltungen verboten werden, bei denen es zu einer Ansammlung von Menschen kommt. Es ist möglich, die Organisation von Veranstaltungen zu verbieten, bei denen sich mehr als 20 beziehungsweise 10 Personen treffen. Meiner Meinung nach ist es aber nicht erlaubt, flächendeckend zu bestimmen, wie viele Menschen sich außerhalb organisierter Veranstaltungen treffen dürfen.“
Die Regierung will sich am Montagnachmittag mit den Kontaktbeschränkungen beschäftigen. Erwogen wird unter anderem, eine etwas lockerere Regelung für den organisierten Kindersport einzuführen.