Es ist das älteste Radon-Heilbad der Welt: Jáchymov, oder auf Deutsch Joachimsthal, auf der böhmischen Seite des Erzgebirges. Karl May zum Beispiel war einer der ersten Gäste, die sich von der Heilkraft des hiesigen Wassers überzeugten. Seit über 150 Jahren läuft der Kurbetrieb.
In der Regel kommt man von Süden her nach Jáchymov. Und das Erste, was auffällt, ist der sogenannte Radium Palace. Das neoklassizistische Gebäude ist das größte Kurhotel des Ortes. Zu Beginn der diesjährigen Saison erläuterte die damalige Marketingmanagerin des Kurbades, Zuzana Křápková:
„Der Radium Palace thront über dem Kurpark. Er wurde Anfang des 20. Jahrhunderts erbaut. Auf der anderen Seite ist die Jugendstilfront des Hotels Astoria zu sehen. Darüber liegt das Hotel Běhounek, und darunter versteckt sich der Curie-Komplex.“
Insgesamt neun Hotels gehören zum Kurbad Jáchymov. Sie bieten rund 1200 Betten. Damit handelt es sich um einen der größeren Kurorte in Tschechien. Anders als aber zum Beispiel in Karlsbad oder Marienbad sucht man vergeblich nach Kurkolonnaden. Die Stadt war schließlich viele Jahrhunderte lang nicht für Heilquellen bekannt, sondern vor allem für den Bergbau. Dieser verhalf dem damaligen Joachimsthal in der frühen Neuzeit auch zu Reichtum. Erst 1906 wurde hier eher zufällig Heilwasser entdeckt. Es waren Bergarbeiter in der Grube „Einigkeit“ (Důl Svornost), die darauf stießen.
„Dieses Wunderwasser enthält eine hohe Konzentration an Radon. Es hilft vor allem bei der Behandlung von Erkrankungen des Bewegungsapparates. Jáchymov ist auch das einzige Kurbad, das eigene Bergarbeiter beschäftigt. Diese sorgen dafür, dass das Grubenwasser aus dem Stollen ‚Einigkeit‘ in die Behandlungszentren kommt“, so Zuzana Křápková.
Einer der ersten wirklich bekannten Patienten in Jáchymov war Karl May. Den Abenteuerschriftsteller quälte eine Nervenentzündung. Deswegen verbrachte er im Frühjahr 1911 einige Wochen zur Kur in der Stadt. Damals diktierte Karl May folgenden Brief an seine Frau Klara:
„Wir befinden uns hier, im stärksten Radiumbad der Welt, zur Kur. Die Reaktion der Bäder ist so stark, daß ich die Feder nicht halten und auch nicht schreiben kann. (...) Mein hiesiger Arzt, ein Kaiserlicher Rat und Bezirksarzt, wird mich vor Juni kaum freigeben, die Nachkur nicht gerechnet.“
Weitere prominente Kurpatienten waren unter anderem der Komponist Richard Strauss, der spätere tschechoslowakische Staatsgründer Tomáš G. Masaryk und der Maler Max Švabinský.
Erkrankungen des Bewegungsapparats
In Jáchymov werden zahlreiche Krankheiten behandelt. Jindřich Maršík ist Chefarzt des Kurbades und zählt die wichtigsten auf:
„Dies sind Erkrankungen des Bewegungsapparates. Dazu gehören orthopädische Fehlstellungen, Rheumaleiden oder Verletzungen, egal ob man sie sich beim Sport oder etwa bei der Arbeit zugezogen hat. Wir helfen Patienten nach Operationen am Rücken oder dem Ersatz von Gelenken. Außerdem lassen sich in Jáchymov neurologische Beschwerden behandeln. Das betrifft sowohl das zentrale als auch das periphere Nervensystem.“
Der entscheidende Wirkstoff in Jáchymov ist natürlich das radonhaltige Wasser. Es hilft auf zweierlei Weise…
„Dieses Wasser hat einen stark entzündungshemmenden Effekt. Den nutzen wir auch am häufigsten. Die deutlichsten Wirkungen zeigt das Wasser bei rheumatischen Erkrankungen. Ebenso gilt dies bei Arthrose, von der die meisten Menschen ab einem gewissen Alter heimgesucht werden. Sie ist meist von einer chronischen Entzündung begleitet. Auch da ist der Behandlungseffekt sehr stark. Und als Zweites wirkt das radonhaltige Wasser schmerzlindernd. Damit meine ich nicht den indirekten Effekt, wenn die Entzündung gedämpft wird, sondern den direkten, wenn die Schmerzen weggespült werden“, so der Chefarzt.
Und das geschieht bei speziellen Bädern, wie Jindřich Maršík detailliert erläutert:
„Die Bäderkur sieht so aus, dass in eine rostfreie Wanne langsam radonhaltiges Wasser eingelassen wird. Dies geschieht durch eine Öffnung im Boden der Wanne, damit das Wasser nicht aufgewühlt wird und dadurch etwa radonhaltige Gase freigesetzt würden. Der Patient steigt dann in das Wasser, das bei einer Temperatur von 36 Grad Celsius gehalten wird. Solch ein Bad absolviert man sechsmal in der Woche – das heißt täglich außer am Sonntag, der bei uns als Tag für die Erholung reserviert ist.“
Brachytherapie und Natur
Eine besondere Form der Behandlung nennen die Fachleute „Brachytherapie“. Dabei wird der erkrankte Körperbereich unmittelbar bestrahlt. Unter anderem geschieht dies bei unterschiedlichen Arten von Tumoren, aber auch zum Beispiel bei einer Kniegelenk-Arthrose. Maršík:
„Wer die Bedeutung des griechischen Wortes ‚brachy‘ kennt, der dürfte selbst ableiten können, dass es sich um eine Bestrahlung auf kurze Entfernung handelt, beziehungsweise im direkten Kontakt. Wir nutzen dafür Gammastrahlung, die aus Radiumsalz stammt. Das Salz wird in der jeweils indizierten Menge in kleine Röhrchen gepackt. Ein bis drei Röhrchen kommen dann in eine Schachtel aus Plexiglas, die an der betreffenden Stelle befestigt wird. Bei uns handelt es sich um eine ergänzende Therapieform, wenn andere Behandlungsmöglichkeiten keinen Erfolg zeigen. Denn wir wollen niemanden unnötig bestrahlen.“
Der Chefarzt verweist zudem darauf, dass in Jáchymov aber auch Behandlungen aus dem Standardprogramm tschechischer Kurbäder geboten werden. Dazu gehören Wasseranwendungen genauso wie Laser- oder Ultraschall-Bestrahlungen. Und nicht zuletzt lobt Jindřich Maršík das erholsame Klima der Gegend. Dies sei eine wichtige Ergänzung zum Behandlungsprogramm…
„Bei einem Kuraufenthalt geht es nicht nur um das Fachpersonal und seine Methoden, sondern auch darum, aus dem eigenen Umfeld herauszukommen. Dann verlässt man den stressigen Alltag und landet mitten in der ruhigen Natur, wo die Luft sauberer ist als in der Großstadt. Man hat Zeit für sich, kann spazieren gehen oder auch Sport treiben, falls dies der gesundheitliche Zustand zulässt. Und dies ist ein untrennbarer Teil unserer Behandlungen“, so der Facharzt.
Jáchymov liegt unterhalb des Keilbergs, mit 1244 Metern die höchste Erhebung im Erzgebirge. Und wer nicht hinaufwandern will, kann sich am Stadtrand auch in einen Sessellift setzen, der einen zum Gipfel bringt.