Mehr Karies: In Corona-Zeiten leidet die Mundhygiene bei Kindern in Tschechien
Wie es um die Mundgesundheit der Menschen in Tschechien bestellt ist, lässt sich nur schwer einschätzen. Zu lange wurde keine umfassende Studie mehr dazu gemacht. Doch in der Corona-Zeit bemerken Zahnärzte, dass bei den tschechischen Kindern Karies und weitere Zahnprobleme zugenommen haben.
Jana Vašáková leitet die Kinderzahnmedizin an der Uniklinik in Prag. Zu ihr und ihren Kollegen wird der Nachwuchs dann geschickt, wenn eine Behandlung in der gängigen Zahnarztpraxis nicht mehr möglich ist. Vašáková meint, die Folgen von Homeschooling und Lockdowns aus den Mündern ihrer kleinen Patienten herauszulesen:
„Die Kinder putzen ganz eindeutig weniger ihre Zähne. Das erkennen wir an der mangelnden Mundhygiene. Grund dafür ist wohl, dass der normale Tagesablauf gestört ist: Normalerweise steht man auf, frühstückt, putzt die Zähne und geht in die Schule. Das ist jetzt verschwunden.“
Zwischen den Corona-Wellen litten mehr Kinder an ernstem Kariesbefall, aber auch weiteren, länger andauernden Erkrankungen im Mund, so Vašáková. Zudem hätten die Probleme mit zweiten Weisheitszähnen, auch Neuner genannt, zugenommen. Laut der Expertin ein Zeichen dafür, dass der Zahnarzt nicht regelmäßig besucht werde…
„Derzeit registrieren wir bei Kindern, dass solche Zähne an Stellen versteckt sind, wo wir sie nicht erwartet hätten. Das bedeutet, in der Bevölkerung besteht eine gewisse Angst, überhaupt noch zum Zahnarzt zu gehen“, sagt Jana Vašáková.
Der Chef der Zahnmedizin an der Prager Uniklinik, René Foltán, verweist aber auch auf die allgemein passive Herangehensweise in der tschechischen Stomatologie. Man werde erst aktiv, wenn es etwas zu reparieren gebe:
„Diese defensive Stomatologie hatte in den 1990er Jahren noch Sinn, als wir Rückstände aus früheren Zeiten reparieren mussten. Mittlerweile sollten wir uns aber mehr um die Prävention kümmern, damit Karies gar nicht erst entsteht.“
Obwohl die Zahnmedizin in Tschechien auf einem hohen Niveau ist, haben die Menschen hierzulande häufiger Karies als in vielen westlichen Ländern. Die Fachleute führen dies gerade auf die geringere Prävention zurück, die eigentlich schon im frühen Kindesalter beginnen sollte. Ein weiterer Grund ist aber auch der Zuckerverbrauch im Land.
„Hierzulande beträgt er ungefähr 35 Kilogramm pro Person im Jahr. Das ist eine unglaubliche Zahl. Die Japaner etwa verzehren nur 16 Kilogramm jährlich“, so der Zahnarzt Antonín Tichý von der Prager Uniklinik.
Kinderzahnmedizinerin Vašáková weist zudem auf das schlechte Vorbild der Eltern bei der Vorsorge hin:
„Die Eltern sagen gerne, ihr Kind könne nichts dafür, denn dies sei genetisch bedingt. Wir erben sozusagen aber auch die Art, wie wir uns um unsere Zähne kümmern. Das zieht sich durch die Familien und die Generationen. Das Verhalten zu ändern, ist aber sehr schwer.“
Wie es um die Zahngesundheit der gesamten Bevölkerung Tschechiens steht, ist allerdings derzeit eher ein Rätsel. Denn es fehlen entsprechende Studien, die früher durchaus erstellt wurden. René Foltán:
„Die letzte Bevölkerungsstudie geht tatsächlich auf die kommunistische Zeit zurück. Damals wurden die Daten von den regelmäßigen Schuluntersuchungen verwendet, die heute aber nicht mehr stattfinden. Vielleicht ließe sich künstliche Intelligenz nutzen, um Röntgenaufnahmen auszuwerten. So könnten wir eventuell auch ohne Extra-Untersuchungen genügend Daten erhalten.“